1. FAUST: EINE TRAGOEDIE 1. Zueignung. 2. Vorspiel auf dem Theater 3. Prolog im Himmel. 2. FAUST: DER TRAGOEDIE ERSTER TEIL 1. Nacht. 2. Vor dem Tor 3. Studierzimmer 4. Studierzimmer 5. Auerbachs Keller in Leipzig 6. Hexenkueche. 7. Strasse (I) 8. Abend. Ein kleines reinliches Zimmer 9. Spaziergang 10. Der Nachbarin Haus 11. Strasse (II) 12. Garten 13. Ein Gartenhaeuschen 14. Wald und Hoehle 15. Gretchens Stube. 16. Marthens Garten 17. Am Brunnen 18. Zwinger 19. Nacht. Strasse vor Gretchens Tuere 20. Dom 21. Walpurgisnacht 22. Walpurgisnachtstraum 23. Trueber Tag. Feld 24. Nacht, offen Feld 25. Kerker FAUST: EINE TRAGOEDIE Zueignung. Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten, Die frueh sich einst dem trueben Blick gezeigt. Versuch ich wohl, euch diesmal festzuhalten? Fuehl ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt? Ihr draengt euch zu! nun gut, so moegt ihr walten, Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt; Mein Busen fuehlt sich jugendlich erschuettert Vom Zauberhauch, der euren Zug umwittert. Ihr bringt mit euch die Bilder froher Tage, Und manche liebe Schatten steigen auf; Gleich einer alten, halbverklungnen Sage Kommt erste Lieb und Freundschaft mit herauf; Der Schmerz wird neu, es wiederholt die Klage Des Lebens labyrinthisch irren Lauf, Und nennt die Guten, die, um schoene Stunden Vom Glueck getaeuscht, vor mir hinweggeschwunden. Sie hoeren nicht die folgenden Gesaenge, Die Seelen, denen ich die ersten sang; Zerstoben ist das freundliche Gedraenge, Verklungen, ach! der erste Widerklang. Mein Lied ertoent der unbekannten Menge, Ihr Beifall selbst macht meinem Herzen bang, Und was sich sonst an meinem Lied erfreuet, Wenn es noch lebt, irrt in der Welt zerstreuet. Und mich ergreift ein laengst entwoehntes Sehnen Nach jenem stillen, ernsten Geisterreich, Es schwebet nun in unbestimmten Toenen Mein lispelnd Lied, der Aeolsharfe gleich, Ein Schauer fasst mich, Traene folgt den Traenen, Das strenge Herz, es fuehlt sich mild und weich; Was ich besitze, seh ich wie im Weiten, Und was verschwand, wird mir zu Wirklichkeiten. Vorspiel auf dem Theater Direktor. Theatherdichter. Lustige Person: DIREKTOR: Ihr beiden, die ihr mir so oft, In Not und Truebsal, beigestanden, Sagt, was ihr wohl in deutschen Landen Von unsrer Unternehmung hofft? Ich wuenschte sehr der Menge zu behagen, Besonders weil sie lebt und leben laesst. Die Pfosten sind, die Bretter aufgeschlagen, Und jedermann erwartet sich ein Fest. Sie sitzen schon mit hohen Augenbraunen Gelassen da und moechten gern erstaunen. Ich weiss, wie man den Geist des Volks versoehnt; Doch so verlegen bin ich nie gewesen: Zwar sind sie an das Beste nicht gewoehnt, Allein sie haben schrecklich viel gelesen. Wie machen wir's, dass alles frisch und neu Und mit Bedeutung auch gefaellig sei? Denn freilich mag ich gern die Menge sehen, Wenn sich der Strom nach unsrer Bude draengt, Und mit gewaltig wiederholten Wehen Sich durch die enge Gnadenpforte zwaengt; Bei hellem Tage, schon vor vieren, Mit Stoessen sich bis an die Kasse ficht Und, wie in Hungersnot um Brot an Baeckertueren, Um ein Billet sich fast die Haelse bricht. Dies Wunder wirkt auf so verschiedne Leute Der Dichter nur; mein Freund, o tu es heute! DICHTER: O sprich mir nicht von jener bunten Menge, Bei deren Anblick uns der Geist entflieht. Verhuelle mir das wogende Gedraenge, Das wider Willen uns zum Strudel zieht. Nein, fuehre mich zur stillen Himmelsenge, Wo nur dem Dichter reine Freude blueht; Wo Lieb und Freundschaft unsres Herzens Segen Mit Goetterhand erschaffen und erpflegen. Ach! was in tiefer Brust uns da entsprungen, Was sich die Lippe schuechtern vorgelallt, Missraten jetzt und jetzt vielleicht gelungen, Verschlingt des wilden Augenblicks Gewalt. Oft, wenn es erst durch Jahre durchgedrungen, Erscheint es in vollendeter Gestalt. Was glaenzt, ist fuer den Augenblick geboren, Das Echte bleibt der Nachwelt unverloren. LUSTIGE PERSON: Wenn ich nur nichts von Nachwelt hoeren sollte. Gesetzt, dass ich von Nachwelt reden wollte, Wer machte denn der Mitwelt Spass? Den will sie doch und soll ihn haben. Die Gegenwart von einem braven Knaben Ist, daecht ich, immer auch schon was. Wer sich behaglich mitzuteilen weiss, Den wird des Volkes Laune nicht erbittern; Er wuenscht sich einen grossen Kreis, Um ihn gewisser zu erschuettern. Drum seid nur brav und zeigt euch musterhaft, Lasst Phantasie, mit allen ihren Choeren, Vernunft, Verstand, Empfindung, Leidenschaft, Doch, merkt euch wohl! nicht ohne Narrheit hoeren. DIREKTOR: Besonders aber lasst genug geschehn! Man kommt zu schaun, man will am liebsten sehn. Wird vieles vor den Augen abgesponnen, So dass die Menge staunend gaffen kann, Da habt Ihr in der Breite gleich gewonnen, Ihr seid ein vielgeliebter Mann. Die Masse koennt Ihr nur durch Masse zwingen, Ein jeder sucht sich endlich selbst was aus. Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen; Und jeder geht zufrieden aus dem Haus. Gebt Ihr ein Stueck, so gebt es gleich in Stuecken! Solch ein Ragout, es muss Euch gluecken; Leicht ist es vorgelegt, so leicht als ausgedacht. Was hilft's, wenn Ihr ein Ganzes dargebracht? Das Publikum wird es Euch doch zerpfluecken. DICHTER: Ihr fuehlet nicht, wie schlecht ein solches Handwerk sei! Wie wenig das dem echten Kuenstler zieme! Der saubern Herren Pfuscherei Ist. merk ich. schon bei Euch Maxime. DIREKTOR: Ein solcher Vorwurf laesst mich ungekraenkt: Ein Mann, der recht zu wirken denkt, Muss auf das beste Werkzeug halten. Bedenkt, Ihr habet weiches Holz zu spalten, Und seht nur hin, fuer wen Ihr schreibt! Wenn diesen Langeweile treibt, Kommt jener satt vom uebertischten Mahle, Und, was das Allerschlimmste bleibt, Gar mancher kommt vom Lesen der Journale. Man eilt zerstreut zu uns, wie zu den Maskenfesten, Und Neugier nur befluegelt jeden Schritt; Die Damen geben sich und ihren Putz zum besten Und spielen ohne Gage mit. Was traeumet Ihr auf Eurer Dichterhoehe? Was macht ein volles Haus Euch froh? Beseht die Goenner in der Naehe! Halb sind sie kalt, halb sind sie roh. Der, nach dem Schauspiel, hofft ein Kartenspiel, Der eine wilde Nacht an einer Dirne Busen. Was plagt ihr armen Toren viel, Zu solchem Zweck, die holden Musen? Ich sag Euch, gebt nur mehr und immer, immer mehr, So koennt Ihr Euch vom Ziele nie verirren Sucht nur die Menschen zu verwirren, Sie zu befriedigen, ist schwer-- Was faellt Euch an? Entzueckung oder Schmerzen? DICHTER: Geh hin und such dir einen andern Knecht! Der Dichter sollte wohl das hoechste Recht, Das Menschenrecht, das ihm Natur vergoennt, Um deinetwillen freventlich verscherzen! Wodurch bewegt er alle Herzen? Wodurch besiegt er jedes Element? Ist es der Einklang nicht, der aus dem Busen dringt, Und in sein Herz die Welt zuruecke schlingt? Wenn die Natur des Fadens ew'ge Laenge, Gleichgueltig drehend, auf die Spindel zwingt, Wenn aller Wesen unharmon'sche Menge Verdriesslich durcheinander klingt- Wer teilt die fliessend immer gleiche Reihe Belebend ab, dass sie sich rhythmisch regt? Wer ruft das Einzelne zur allgemeinen Weihe, Wo es in herrlichen Akkorden schlaegt? Wer laesst den Sturm zu Leidenschaften wueten? Das Abendrot im ernsten Sinne gluehn? Wer schuettet alle schoenen Fruehlingsblueten Auf der Geliebten Pfade hin? Wer flicht die unbedeutend gruenen Blaetter Zum Ehrenkranz Verdiensten jeder Art? Wer sichert den Olymp? vereinet Goetter? Des Menschen Kraft, im Dichter offenbart. LUSTIGE PERSON: So braucht sie denn, die schoenen Kraefte Und treibt die dichtrischen Geschaefte Wie man ein Liebesabenteuer treibt. Zufaellig naht man sich, man fuehlt, man bleibt Und nach und nach wird man verflochten; Es waechst das Glueck, dann wird es angefochten Man ist entzueckt, nun kommt der Schmerz heran, Und eh man sich's versieht, ist's eben ein Roman. Lasst uns auch so ein Schauspiel geben! Greift nur hinein ins volle Menschenleben! Ein jeder lebt's, nicht vielen ist's bekannt, Und wo ihr's packt, da ist's interessant. In bunten Bildern wenig Klarheit, Viel Irrtum und ein Fuenkchen Wahrheit, So wird der beste Trank gebraut, Der alle Welt erquickt und auferbaut. Dann sammelt sich der Jugend schoenste Bluete Vor eurem Spiel und lauscht der Offenbarung, Dann sauget jedes zaertliche Gemuete Aus eurem Werk sich melanchol'sche Nahrung, Dann wird bald dies, bald jenes aufgeregt Ein jeder sieht, was er im Herzen traegt. Noch sind sie gleich bereit, zu weinen und zu lachen, Sie ehren noch den Schwung, erfreuen sich am Schein; Wer fertig ist, dem ist nichts recht zu machen; Ein Werdender wird immer dankbar sein. DICHTER: So gib mir auch die Zeiten wieder, Da ich noch selbst im Werden war, Da sich ein Quell gedraengter Lieder Ununterbrochen neu gebar, Da Nebel mir die Welt verhuellten, Die Knospe Wunder noch versprach, Da ich die tausend Blumen brach, Die alle Taeler reichlich fuellten. Ich hatte nichts und doch genug: Den Drang nach Wahrheit und die Lust am Trug. Gib ungebaendigt jene Triebe, Das tiefe, schmerzenvolle Glueck, Des Hasses Kraft, die Macht der Liebe, Gib meine Jugend mir zurueck! LUSTIGE PERSON: Der Jugend, guter Freund, bedarfst du allenfalls, Wenn dich in Schlachten Feinde draengen, Wenn mit Gewalt an deinen Hals Sich allerliebste Maedchen haengen, Wenn fern des schnellen Laufes Kranz Vom schwer erreichten Ziele winket, Wenn nach dem heft'gen Wirbeltanz Die Naechte schmausend man vertrinket. Doch ins bekannte Saitenspiel Mit Mut und Anmut einzugreifen, Nach einem selbstgesteckten Ziel Mit holdem Irren hinzuschweifen, Das, alte Herrn, ist eure Pflicht, Und wir verehren euch darum nicht minder. Das Alter macht nicht kindisch, wie man spricht, Es findet uns nur noch als wahre Kinder. DIREKTOR: Der Worte sind genug gewechselt, Lasst mich auch endlich Taten sehn! Indes ihr Komplimente drechselt, Kann etwas Nuetzliches geschehn. Was hilft es, viel von Stimmung reden? Dem Zaudernden erscheint sie nie. Gebt ihr euch einmal fuer Poeten, So kommandiert die Poesie. Euch ist bekannt, was wir beduerfen, Wir wollen stark Getraenke schluerfen; Nun braut mir unverzueglich dran! Was heute nicht geschieht, ist morgen nicht getan, Und keinen Tag soll man verpassen, Das Moegliche soll der Entschluss Beherzt sogleich beim Schopfe fassen, Er will es dann nicht fahren lassen Und wirket weiter, weil er muss. Ihr wisst, auf unsern deutschen Buehnen Probiert ein jeder, was er mag; Drum schonet mir an diesem Tag Prospekte nicht und nicht Maschinen. Gebraucht das gross, und kleine Himmelslicht, Die Sterne duerfet ihr verschwenden; An Wasser, Feuer, Felsenwaenden, An Tier und Voegeln fehlt es nicht. So schreitet in dem engen Bretterhaus Den ganzen Kreis der Schoepfung aus, Und wandelt mit bedaecht'ger Schnelle Vom Himmel durch die Welt zur Hoelle. Prolog im Himmel. Der Herr. Die himmlischen Heerscharen. Nachher Mephistopheles. Die drei Erzengel treten vor. RAPHAEL: Die Sonne toent, nach alter Weise, In Brudersphaeren[1] Wettgesang, Und ihre vorgeschriebne Reise Vollendet sie mit Donnergang. Ihr Anblick gibt den Engeln Staerke, Wenn keiner Sie ergruenden mag; die unbegreiflich hohen Werke Sind herrlich wie am ersten Tag. GABRIEL: Und schnell und unbegreiflich schnelle Dreht sich umher der Erde Pracht; Es wechselt Paradieseshelle Mit tiefer, schauervoller Nacht. Es schaeumt das Meer in breiten Fluessen Am tiefen Grund der Felsen auf, Und Fels und Meer wird fortgerissen Im ewig schnellem Sphaerenlauf. MICHAEL: Und Stuerme brausen um die Wette Vom Meer aufs Land, vom Land aufs Meer, und bilden wuetend eine Kette Der tiefsten Wirkung rings umher. Da flammt ein blitzendes Verheeren Dem Pfade vor[2] des Donnerschlags. Doch deine Boten[3], Herr, verehren Das sanfte Wandeln[4] deines Tags. ZU DREI: Der Anblick gibt den Engeln Staerke, Da keiner dich ergruenden mag, Und alle deine hohen Werke Sind herrlich wie am ersten Tag. MEPHISTOPHELES: Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst Und fragst, wie alles sich bei uns befinde, Und du mich sonst gewoehnlich gerne sahst, So siehst du mich auch unter dem Gesinde[5]. Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen, Und wenn mich auch der ganze Kreis verhoehnt; Mein Pathos braechte dich gewiss zum Lachen, Haettst du dir nicht das Lachen abgewoehnt. Von Sonn' und Welten weiss ich nichts zu sagen, Ich sehe nur, wie sich die Menschen plagen. Der kleine Gott[6] der Welt bleibt stets von gleichem Schlag, Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag. Ein wenig besser wuerd er leben, Haettst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben; Er nennt's Vernunft und braucht's allein, Nur tierischer als jedes Tier zu sein. Er scheint mir, mit Verlaub von euer Gnaden, Wie eine der langbeinigen Zikaden, Die immer fliegt und fliegend springt Und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt; Und laeg er nur noch immer in dem Grase! In jeden Quark begraebt er seine Nase[7]. DER HERR: Hast du mir weiter nichts zu sagen? Kommst du nur immer anzuklagen? Ist auf der Erde ewig dir nichts recht? MEPHISTOPHELES: Nein Herr! ich find es dort, wie immer, herzlich schlecht. Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen, Ich mag sogar die armen selbst nicht plagen[8]. DER HERR: Kennst du den Faust? MEPHISTOPHELES: Den Doktor? DER HERR: Meinen Knecht[9]! MEPHISTOPHELES: Fuerwahr! er dient Euch auf besondre Weise[10]. Nicht irdisch ist des Toren Trank noch Speise. Ihn treibt die Gaerung in die Ferne, Er ist sich seiner Tollheit halb bewusst; Vom Himmel fordert er die schoensten Sterne Und von der Erde jede hoechste Lust, Und alle Naeh und alle Ferne Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust. DER HERR: Wenn er mir auch nur verworren dient, So werd ich ihn bald in die Klarheit fuehren. Weiss doch der Gaertner, wenn das Baeumchen gruent, Das Bluet und Frucht die kuenft'gen Jahre zieren. MEPHISTOPHELES: Was wettet Ihr? den sollt Ihr noch verlieren! Wenn Ihr mir die Erlaubnis gebt, Ihn meine Strasse sacht zu fuehren. DER HERR: Solang er auf der Erde lebt, So lange sei dir's nicht verboten, Es irrt der Mensch so lang er strebt. MEPHISTOPHELES: Da dank ich Euch; denn mit den Toten Hab ich mich niemals gern befangen. Am meisten lieb ich mir die vollen, frischen Wangen. Fuer einem Leichnam bin ich nicht zu Haus; Mir geht es wie der Katze mit der Maus. DER HERR: Nun gut, es sei dir ueberlassen[11]! Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab, Und fuehr ihn, kannst du ihn erfassen[12], Auf deinem Wege mit herab, Und steh beschaemt, wenn du bekennen musst: Ein guter Mensch, in seinem dunklen Drange, Ist sich des rechten Weges wohl bewusst. MEPHISTOPHELES: Schon gut! nur dauert es nicht lange. Mir ist fuer meine Wette gar nicht bange. Wenn ich zu meinem Zweck gelange, Erlaubt Ihr mir Triumph aus voller Brust. Staub soll er fressen[13], und mit Lust, Wie meine Muhme, die beruehmte Schlange. DER HERR: Du darfst auch da nur frei erscheinen[14]; Ich habe deinesgleichen nie gehasst. Von allen Geistern, die verneinen, ist mir der Schalk[15] am wenigsten zur Last. Des Menschen Taetigkeit[16] kann allzu leicht erschlaffen, er liebt sich bald die unbedingte Ruh; Drum geb ich gern ihm den Gesellen zu, Der reizt und wirkt und muss als Teufel schaffen[17]. Doch ihr, die echten Goettersoehne[18], Erfreut euch der lebendig reichen Schoene! Das Werdende, das ewig wirkt und lebt[19], Umfass euch mit der Liebe holden Schranken[20], Und was in schwankender Erscheinung schwebt[21], Befestigt mit dauernden Gedanken! (Der Himmel schliesst, die Erzengel verteilen sich.) MEPHISTOPHELES (allein): Von Zeit zu Zeit seh ich den Alten[22] gern, Und huete mich, mit ihm zu brechen. Es ist gar huebsch von einem grossen Herrn, So menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen. Die Fussnoten zu Goethes Faust koennen wir aus Copyrightgruenden leider nicht veroeffentlichen. Das Copyright hierfuer liegt beim Reclam-Verlag. FAUST: DER TRAGOEDIE ERSTER TEIL Nacht. In einem hochgewoelbten, engen gotischen Zimmer Faust, unruhig auf seinem Sessel am Pulte. FAUST: Habe nun, ach! Philosophie[23], Juristerei und Medizin, Und leider auch Theologie Durchaus studiert, mit heissem Bemuehn. Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor; Heisse Magister, heisse Doktor gar Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf, herab und quer und krumm Meine Schueler an der Nase herum- Und sehe, dass wir nichts wissen koennen! Das will mir schier das Herz verbrennen. Zwar bin ich gescheiter als all die Laffen, Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen; Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel, Fuerchte mich weder vor Hoelle noch Teufel- Dafuer ist mir auch alle Freud entrissen, Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen, Bilde mir nicht ein, ich koennte was lehren, Die Menschen zu bessern und zu bekehren. Auch hab ich weder Gut noch Geld, Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt; Es moechte kein Hund so laenger leben! Drum hab ich mich der Magie ergeben, Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis wuerde kund; Dass ich nicht mehr mit saurem Schweiss Zu sagen brauche, was ich nicht weiss; Dass ich erkenne, was die Welt Im Innersten zusammenhaelt, Schau alle Wirkenskraft und Samen, Und tu nicht mehr in Worten kramen. O saehst du, voller Mondenschein, Zum letzenmal auf meine Pein, Den ich so manche Mitternacht An diesem Pult herangewacht: Dann ueber Buechern und Papier, Truebsel'ger Freund, erschienst du mir! Ach! koennt ich doch auf Bergeshoehn In deinem lieben Lichte gehn, Um Bergeshoehle mit Geistern schweben, Auf Wiesen in deinem Daemmer weben, Von allem Wissensqualm entladen, In deinem Tau gesund mich baden! Weh! steck ich in dem Kerker noch? Verfluchtes dumpfes Mauerloch, Wo selbst das liebe Himmelslicht Trueb durch gemalte Scheiben bricht! Beschraenkt mit diesem Buecherhauf, den Wuerme nagen, Staub bedeckt, Den bis ans hohe Gewoelb hinauf Ein angeraucht Papier umsteckt; Mit Glaesern, Buechsen rings umstellt, Mit Instrumenten vollgepfropft, Urvaeter Hausrat drein gestopft- Das ist deine Welt! das heisst eine Welt! Und fragst du noch, warum dein Herz Sich bang in deinem Busen klemmt? Warum ein unerklaerter Schmerz Dir alle Lebensregung hemmt? Statt der lebendigen Natur, Da Gott die Menschen schuf hinein, Umgibt in Rauch und Moder nur Dich Tiergeripp und Totenbein. Flieh! auf! hinaus ins weite Land! Und dies geheimnisvolle Buch, Von Nostradamus' eigner Hand, Ist dir es nicht Geleit genug? Erkennest dann der Sterne Lauf, Und wenn Natur dich Unterweist, Dann geht die Seelenkraft dir auf, Wie spricht ein Geist zum andren Geist. Umsonst, dass trocknes Sinnen hier Die heil'gen Zeichen dir erklaert: Ihr schwebt, ihr Geister, neben mir; Antwortet mir, wenn ihr mich hoert! (Er schlaegt das Buch auf und erblickt das Zeichen des Makrokosmus.) Ha! welche Wonne fliesst in diesem Blick Auf einmal mir durch alle meine Sinnen! Ich fuehle junges, heil'ges Lebensglueck Neugluehend mir durch Nerv' und Adern rinnen. War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb, Die mir das innre Toben stillen, Das arme Herz mit Freude fuellen, Und mit geheimnisvollem Trieb Die Kraefte der Natur rings um mich her enthuellen? Bin ich ein Gott? Mir wird so licht! Ich schau in diesen reinen Zuegen Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen. Jetzt erst erkenn ich, was der Weise spricht: "Die Geisterwelt ist nicht verschlossen; Dein Sinn ist zu, dein Herz ist tot! Auf, bade, Schueler, unverdrossen Die ird'sche Brust im Morgenrot!" (er beschaut das Zeichen.) Wie alles sich zum Ganzen webt, Eins in dem andern wirkt und lebt! Wie Himmelskraefte auf und nieder steigen Und sich die goldnen Eimer reichen! Mit segenduftenden Schwingen Vom Himmel durch die Erde dringen, Harmonisch all das All durchklingen! Welch Schauspiel! Aber ach! ein Schauspiel nur! Wo fass ich dich, unendliche Natur? Euch Brueste, wo? Ihr Quellen alles Lebens, An denen Himmel und Erde haengt, Dahin die welke Brust sich draengt- Ihr quellt, ihr traenkt, und schmacht ich so vergebens? (er schlaegt unwillig das Buch um und erblickt das Zeichen des Erdgeistes.) Wie anders wirkt dies Zeichen auf mich ein! Du, Geist der Erde, bist mir naeher; Schon fuehl ich meine Kraefte hoeher, Schon glueh ich wie von neuem Wein. Ich fuehle Mut, mich in die Welt zu wagen, Der Erde Weh, der Erde Glueck zu tragen, Mit Stuermen mich herumzuschlagen Und in des Schiffbruchs Knirschen nicht zu zagen. Es woelkt sich ueber mir- Der Mond verbirgt sein Licht- Die Lampe schwindet! Es dampft! Es zucken rote Strahlen Mir um das Haupt- Es weht Ein Schauer vom Gewoelb herab Und fasst mich an! Ich fuehl's, du schwebst um mich, erflehter Geist Enthuelle dich! Ha! wie's in meinem Herzen reisst! Zu neuen Gefuehlen All meine Sinnen sich erwuehlen! Ich fuehle ganz mein Herz dir hingegeben! Du musst! du musst! und kostet es mein Leben! (Er fasst das Buch und spricht das Zeichen des Geistes geheimnisvoll aus. Es zuckt eine roetliche Flamme, der Geist erscheint in der Flamme.) GEIST: Wer ruft mir? FAUST (abgewendet): Schreckliches Gesicht! GEIST: Du hast mich maechtig angezogen, An meiner Sphaere lang gesogen, Und nun- FAUST: Weh! ich ertrag dich nicht! GEIST: Du flehst, eratmend mich zu schauen, Meine Stimme zu hoeren, mein Antlitz zu sehn; Mich neigt dein maechtig Seelenflehn, Da bin ich!- Welch erbaermlich Grauen Fasst Uebermenschen dich! Wo ist der Seele Ruf? Wo ist die Brust, die eine Welt in sich erschuf Und trug und hegte, die mit Freudebeben Erschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben? Wo bist du, Faust, des Stimme mir erklang, Der sich an mich mit allen Kraeften drang? Bist du es, der, von meinem Hauch umwittert, In allen Lebenslagen zittert, Ein furchtsam weggekruemmter Wurm? FAUST: Soll ich dir, Flammenbildung, weichen? Ich bin's, bin Faust, bin deinesgleichen! GEIST: In Lebensfluten, im Tatensturm Wall ich auf und ab, Wehe hin und her! Geburt und Grab, Ein ewiges Meer, Ein wechselndes Wehen, Ein gluehend Leben, So schaff ich am laufenden Webstuhl der Zeit Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid. FAUST: Der du die weite Welt umschweifst, Geschaeftiger Geist, wie nah fuehl ich mich dir! GEIST: Du gleichst dem Geist, den du begreifst, Nicht mir! (verschwindet) FAUST (zusammenstuerzend): Nicht dir? Wem denn? Ich Ebenbild der Gottheit! Und nicht einmal dir! (es klopft) O Tod! ich kenn's- das ist mein Famulus- Es wird mein schoenstes Glueck zunichte! Dass diese Fuelle der Geschichte Der trockne Schleicher stoeren muss! Wagner im Schlafrock und der Nachtmuetze, eine Lampe in der Hand. Faust wendet sich unwillig. WAGNER: Verzeiht! ich hoer euch deklamieren; Ihr last gewiss ein griechisch Trauerspiel? In dieser Kunst moecht ich was profitieren, Denn heutzutage wirkt das viel. Ich hab es oefters ruehmen hoeren, Ein Komoediant koennt einen Pfarrer lehren. FAUST: Ja, wenn der Pfarrer ein Komoediant ist; Wie das denn wohl zuzeiten kommen mag. WAGNER: Ach! wenn man so in sein Museum gebannt ist, Und sieht die Welt kaum einen Feiertag, Kaum durch ein Fernglas, nur von weitem, Wie soll man sie durch Ueberredung leiten? FAUST: Wenn ihr's nicht fuehlt, ihr werdet's nicht erjagen, Wenn es nicht aus der Seele dringt Und mit urkraeftigem Behagen Die Herzen aller Hoerer zwingt. Sitzt ihr nur immer! leimt zusammen, Braut ein Ragout von andrer Schmaus Und blast die kuemmerlichen Flammen Aus eurem Aschenhaeuschen 'raus! Bewundrung von Kindern und Affen, Wenn euch darnach der Gaumen steht- Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen, Wenn es euch nicht von Herzen geht. WAGNER: Allein der Vortrag macht des Redners Glueck; Ich fuehl es wohl, noch bin ich weit zurueck. FAUST: Such Er den redlichen Gewinn! Sei Er kein schellenlauter Tor! Es traegt Verstand und rechter Sinn Mit wenig Kunst sich selber vor! Und wenn's euch Ernst ist, was zu sagen, Ist's noetig, Worten nachzujagen? Ja, eure Reden, die so blinkend sind, In denen ihr der Menschheit Schnitzel kraeuselt, Sind unerquicklich wie der Nebelwind, Der herbstlich durch die duerren Blaetter saeuselt! WAGNER: Ach Gott! die Kunst ist lang; Und kurz ist unser Leben. Mir wird, bei meinem kritischen Bestreben, Doch oft um Kopf und Busen bang. Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben, Durch die man zu den Quellen steigt! Und eh man nur den halben Weg erreicht, Muss wohl ein armer Teufel sterben. FAUST: Das Pergament, ist das der heil'ge Bronnen, Woraus ein Trunk den Durst auf ewig stillt? Erquickung hast du nicht gewonnen, Wenn sie dir nicht aus eigner Seele quillt. WAGNER: Verzeiht! es ist ein gross Ergetzen, Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen; Zu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht, Und wie wir's dann zuletzt so herrlich weit gebracht. FAUST: O ja, bis an die Sterne weit! Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit Sind uns ein Buch mit sieben Siegeln. Was ihr den Geist der Zeiten heisst, Das ist im Grund der Herren eigner Geist, In dem die Zeiten sich bespiegeln. Da ist's denn wahrlich oft ein Jammer! Man laeuft euch bei dem ersten Blick davon. Ein Kehrichtfass und eine Rumpelkammer Und hoechstens eine Haupt- und Staatsaktion Mit trefflichen pragmatischen Maximen, Wie sie den Puppen wohl im Munde ziemen! WAGNER: Allein die Welt! des Menschen Herz und Geist! Moecht jeglicher doch was davon erkennen. FAUST: Ja, was man so erkennen heisst! Wer darf das Kind beim Namen nennen? Die wenigen, die was davon erkannt, Die toericht g'nug ihr volles Herz nicht wahrten, Dem Poebel ihr Gefuehl, ihr Schauen offenbarten, Hat man von je gekreuzigt und verbrannt. Ich bitt Euch, Freund, es ist tief in der Nacht, Wir muessen's diesmal unterbrechen. WAGNER: Ich haette gern nur immer fortgewacht, Um so gelehrt mit Euch mich zu besprechen. Doch morgen, als am ersten Ostertage, Erlaubt mir ein' und andre Frage. Mit Eifer hab' ich mich der Studien beflissen; Zwar weiss ich viel, doch moecht' ich alles wissen. (Ab.) FAUST (allein): Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet, Der immerfort an schalem Zeuge klebt, Mit gier'ger Hand nach Schaetzen graebt, Und froh ist, wenn er Regenwuermer findet! Darf eine solche Menschenstimme hier, Wo Geisterfuelle mich umgab, ertoenen? Doch ach! fuer diesmal dank ich dir, Dem aermlichsten von allen Erdensoehnen. Du rittest mich von der Verzweiflung los, Die mir die Sinne schon zerstoeren wollte. Ach! die Erscheinung war so riesengross, Dass ich mich recht als Zwerg empfinden sollte. Ich, Ebenbild der Gottheit, das sich schon Ganz nah geduenkt dem Spiegel ew'ger Wahrheit, Sein selbst genoss in Himmelsglanz und Klarheit, Und abgestreift den Erdensohn; Ich, mehr als Cherub, dessen freie Kraft Schon durch die Adern der Natur zu fliessen Und, schaffend, Goetterleben zu geniessen Sich ahnungsvoll vermass, wie muss ich's buessen! Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft. Nicht darf ich dir zu gleichen mich vermessen; Hab ich die Kraft dich anzuziehn besessen, So hatt ich dich zu halten keine Kraft. Zu jenem sel'gen Augenblicke Ich fuehlte mich so klein, so gross; Du stiessest grausam mich zurueck, Ins ungewisse Menschenlos. Wer lehret mich? was soll ich meiden? Soll ich gehorchen jenem Drang? Ach! unsre Taten selbst, so gut als unsre Leiden, Sie hemmen unsres Lebens Gang. Dem Herrlichsten, was auch der Geist empfangen, Draengt immer fremd und fremder Stoff sich an; Wenn wir zum Guten dieser Welt gelangen, Dann heisst das Bessre Trug und Wahn. Die uns das Leben gaben, herrliche Gefuehle Erstarren in dem irdischen Gewuehle. Wenn Phantasie sich sonst mit kuehnem Flug Und hoffnungsvoll zum Ewigen erweitert, So ist ein kleiner Raum ihr genug, Wenn Glueck auf Glueck im Zeitenstrudel scheitert. Die Sorge nistet gleich im tiefen Herzen, Dort wirket sie geheime Schmerzen, Unruhig wiegt sie sich und stoeret Luft und Ruh; Sie deckt sich stets mit neuen Masken zu, Sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erscheinen, Als Feuer, Wasser, Dolch und Gift; Du bebst vor allem, was nicht trifft, Und was du nie verlierst, das musst du stets beweinen. Den Goettern gleich ich nicht! zu tief ist es gefuehlt; Dem Wurme gleich ich, der den Staub durchwuehlt, Den, wie er sich im Staube naehrend lebt, Des Wandrers Tritt vernichtet und begraebt. Ist es nicht Staub, was diese hohe Wand Aus hundert Faechern mit verenget? Der Troedel, der mit tausendfachem Tand In dieser Mottenwelt mich draenget? Hier soll ich finden, was mir fehlt? Soll ich vielleicht in tausend Buechern lesen, Dass ueberall die Menschen sich gequaelt, Dass hie und da ein Gluecklicher gewesen?- Was grinsest du mir, hohler Schaedel, her? Als dass dein Hirn, wie meines, einst verwirret Den leichten Tag gesucht und in der Daemmrung schwer, Mit Luft nach Wahrheit, jaemmerlich geirret. Ihr Instrumente freilich spottet mein, Mit Rad und Kaemmen, Walz und Buegel: Ich stand am Tor, ihr solltet Schluessel sein; Zwar euer Bart ist kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel. Geheimnisvoll am lichten Tag Laesst sich Natur des Schleiers nicht berauben, Und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag, Das zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben. Du alt Geraete, das ich nicht gebraucht, Du stehst nur hier, weil dich mein Vater brauchte. Du alte Rolle, du wirst angeraucht, Solang an diesem Pult die truebe Lampe schmauchte. Weit besser haett ich doch mein Weniges verprasst, Als mit dem Wenigen belastet hier zu schwitzen! Was du ererbt von deinem Vater hast, Erwirb es, um es zu besitzen. Was man nicht nuetzt, ist eine schwere Last, Nur was der Augenblick erschafft, das kann er nuetzen. Doch warum heftet sich mein Blick auf jene Stelle? Ist jenes Flaeschchen dort den Augen ein Magnet? Warum wird mir auf einmal lieblich helle, Als wenn im naecht'gen Wald uns Mondenglanz umweht? Ich gruesse dich, du einzige Phiole, Die ich mit Andacht nun herunterhole! In dir verehr ich Menschenwitz und Kunst. Du Inbegriff der holden Schlummersaefte, Du Auszug aller toedlich feinen Kraefte, Erweise deinem Meister deine Gunst! Ich sehe dich, es wird der Schmerz gelindert, Ich fasse dich, das Streben wird gemindert, Des Geistes Flutstrom ebbet nach und nach. Ins hohe Meer werd ich hinausgewiesen, Die Spiegelflut erglaenzt zu meinen Fuessen, Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag. Ein Feuerwagen schwebt, auf leichten Schwingen, An mich heran! Ich fuehle mich bereit, Auf neuer Bahn den Aether zu durchdringen, Zu neuen Sphaeren reiner Taetigkeit. Dies hohe Leben, diese Goetterwonne! Du, erst noch Wurm, und die verdienest du? Ja, kehre nur der holden Erdensonne Entschlossen deinen Ruecken zu! Vermesse dich, die Pforten aufzureissen, Vor denen jeder gern vorueberschleicht! Hier ist es Zeit, durch Taten zu beweisen, Das Manneswuerde nicht der Goetterhoehe weicht, Vor jener dunkeln Hoehle nicht zu beben, In der sich Phantasie zu eigner Qual verdammt, Nach jenem Durchgang hinzustreben, Um dessen engen Mund die ganze Hoelle flammt; In diesem Schritt sich heiter zu entschliessen, Und waer es mit Gefahr, ins Nichts dahin zu fliessen. Nun komm herab, kristallne reine Schale! Hervor aus deinem alten Futterale, An die ich viele Jahre nicht gedacht! Du glaenzetst bei der Vaeter Freudenfeste, Erheitertest die ernsten Gaeste, Wenn einer dich dem andern zugebracht. Der vielen Bilder kuenstlich reiche Pracht, Des Trinkers Pflicht, sie reimweis zu erklaeren, Auf einen Zug die Hoehlung auszuleeren, Erinnert mich an manche Jugendnacht. Ich werde jetzt dich keinem Nachbar reichen, Ich werde meinen Witz an deiner Kunst nicht zeigen. Hier ist ein Saft, der eilig trunken macht; Mit brauner Flut erfuellt er deine Hoehle. Den ich bereit, den ich waehle, "Der letzte Trunk sei nun, mit ganzer Seele, Als festlich hoher Gruss, dem Morgen zugebracht! (Er setzt die Schale an den Mund.) Glockenklang und Chorgesang. CHOR DER ENGEL: Christ ist erstanden! Freude dem Sterblichen, Den die verderblichen, Schleichenden, erblichen Maengel unwanden. FAUST: Welch tiefes Summen, welch heller Ton Zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde? Verkuendigt ihr dumpfen Glocken schon Des Osterfestes erste Feierstunde? Ihr Choere, singt ihr schon den troestlichen Gesang, Der einst, um Grabes Nacht, von Engelslippen klang, Gewissheit einem neuen Bunde? CHOR DER WEIBER: Mit Spezereien Hatten wir ihn gepflegt, Wir seine Treuen Hatten ihn hingelegt; Tuecher und Binden Reinlich unwanden wir, Ach! und wir finden Christ nicht mehr hier. CHOR DER ENGEL: Christ ist erstanden! Selig der Liebende, Der die betruebende, Heilsam und uebende Pruefung bestanden. FAUST: Was sucht ihr, maechtig und gelind, Ihr Himmelstoene, mich am Staube? Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind. Die Botschaft hoer ich wohl, allein mir fehlt der Glaube; Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind. Zu jenen Sphaeren wag ich nicht zu streben, Woher die holde Nachricht toent; Und doch, an diesen Klang von Jugend auf gewoehnt, Ruft er auch jetzt zurueck mich in das Leben. Sonst stuerzte sich der Himmelsliebe Kuss Auf mich herab in ernster Sabbatstille; Da klang so ahnungsvoll des Glockentones Fuelle, Und ein Gebet war bruenstiger Genuss; Ein unbegreiflich holdes Sehnen Trieb mich, durch Wald und Wiesen hinzugehn, Und unter tausend heissen Traenen Fuehlt ich mir eine Welt entstehn. Dies Lieb verkuendete der Jugend muntre Spiele, Der Fruehlingsfeier freies Glueck; Erinnrung haelt mich nun, mit kindlichem Gefuehle, Vom letzten, ernsten Schritt zurueck. O toenet fort, ihr suessen Himmelslieder! Die Traene quillt, die Erde hat mich wieder! CHOR DER JUENGER: Hat der Begrabene Schon sich nach oben, Lebend Erhabene, Herrlich erhoben; Ist er in Werdeluft Schaffender Freude nah: Ach! an der Erde Brust Sind wir zum Leide da. Liess er die Seinen Schmachtend uns hier zurueck; Ach! wir beweinen, Meister, dein Glueck! CHOR DER ENGEL: Christ ist erstanden, Aus der Verwesung Schoss. Reisset von Banden Freudig euch los! Taetig ihn preisenden, Liebe beweisenden, Bruederlich speisenden, Predigend reisenden, Wonne verheissenden Euch ist der Meister nah, Euch ist er da! Vor dem Tor Spaziergaenger aller Art ziehen hinaus. EINIGE HANDWERKSBURSCHE: Warum denn dort hinaus? ANDRE: Wir gehn hinaus aufs Jaegerhaus. DIE ERSTEN: Wir aber wollen nach der Muehle wandern. EIN HANDWERKSBURSCH: Ich rat euch, nach dem Wasserhof zu gehn. ZWEITER: Der Weg dahin ist gar nicht schoen. DIE ZWEITEN: Was tust denn du? EIN DRITTER: Ich gehe mit den andern. VIERTER: Nach Burgdorf kommt herauf, gewiss dort findet ihr Die schoensten Maedchen und das beste Bier, Und Haendel von der ersten Sorte. FUENFTER: Du ueberlustiger Gesell, Juckt dich zum drittenmal das Fell? Ich mag nicht hin, mir graut es vor dem Orte. DIENSTMAEDCHEN: Nein, nein! ich gehe nach der Stadt zurueck. ANDRE: Wir finden ihn gewiss bei jenen Pappeln stehen. ERSTE: Das ist fuer mich kein grosses Glueck; Er wird an deiner Seite gehen, Mit dir nur tanzt er auf dem Plan. Was gehn mich deine Freuden an! ANDRE: Heut ist er sicher nicht allein, Der Krauskopf, sagt er, wuerde bei ihm sein. SCHUELER: Blitz, wie die wackern Dirnen schreiten! Herr Bruder, komm! wir muessen sie begleiten. Ein starkes Bier, ein beizender Toback, Und eine Magd im Putz, das ist nun mein Geschmack. BUERGERMAEDCHEN: Da sieh mir nur die schoenen Knaben! Es ist wahrhaftig eine Schmach: Gesellschaft koennten sie die allerbeste haben, Und laufen diesen Maegden nach! ZWEITER SCHUELER (zum ersten): Nicht so geschwind! dort hinten kommen zwei, Sie sind gar niedlich angezogen, 's ist meine Nachbarin dabei; Ich bin dem Maedchen sehr gewogen. Sie gehen ihren stillen Schritt Und nehmen uns doch auch am Ende mit. ERSTER: Herr Bruder, nein! Ich bin nicht gern geniert. Geschwind! dass wir das Wildbret nicht verlieren. Die Hand, die samstags ihren Besen fuehrt Wird sonntags dich am besten karessieren. BUERGER: Nein, er gefaellt mir nicht, der neue Burgemeister! Nun, da er's ist, wird er nur taeglich dreister. Und fuer die Stadt was tut denn er? Wird es nicht alle Tage schlimmer? Gehorchen soll man mehr als immer, Und zahlen mehr als je vorher. BETTLER (singt): Ihr guten Herrn, ihr schoenen Frauen, So wohlgeputzt und backenrot, Belieb es euch, mich anzuschauen, Und seht und mildert meine Not! Lasst hier mich nicht vergebens leiern! Nur der ist froh, der geben mag. Ein Tag, den alle Menschen feiern, Er sei fuer mich ein Erntetag. ANDRER BUERGER: Nichts Bessers weiss ich mir an Sonn- und Feiertagen Als ein Gespraech von Krieg und Kriegsgeschrei, Wenn hinten, weit, in der Tuerkei, Die Voelker aufeinander schlagen. Man steht am Fenster, trinkt sein Glaeschen aus Und sieht den Fluss hinab die bunten Schiffe gleiten; Dann kehrt man abends froh nach Haus, Und segnet Fried und Friedenszeiten. DRITTER BUERGER: Herr Nachbar, ja! so lass ich's auch geschehn: Sie moegen sich die Koepfe spalten, Mag alles durcheinander gehn; Doch nur zu Hause bleib's beim alten. ALTE (zu den Buergermaedchen): Ei! wie geputzt! das schoene junge Blut! Wer soll sich nicht in euch vergaffen?- Nur nicht so stolz! es ist schon gut! Und was ihr wuenscht, das wuesst ich wohl zu schaffen. BUERGERMAEDCHEN: Agathe, fort! ich nehme mich in acht, Mit solchen Hexen oeffentlich zu gehen; Sie liess mich zwar in Sankt Andreas' Nacht Den kuenft'gen Liebsten leiblich sehen- DIE ANDRE: Mir zeigte sie ihn im Kristall, Soldatenhaft, mit mehreren Verwegnen; Ich seh mich um, ich such ihn ueberall, Allein mir will er nicht begegnen. SOLDATEN: Burgen mit hohen Mauern und Zinnen, Maedchen mit stolzen Hoehnenden Sinnen Moecht ich gewinnen! Kuehn ist das Muehen, Herrlich der Lohn! Und die Trompete Lassen wir werben, Wie zu der Freude, So zum Verderben. Das ist ein Stuermen! Das ist ein Leben! Maedchen und Burgen Muessen sich geben. Kuehn ist das Muehen, Herrlich der Lohn! Und die Soldaten Ziehen davon. Faust und Wagner. FAUST: Vom Eise befreit sind Strom und Baeche Durch des Fruehlings holden, belebenden Blick; Im Tale gruenet Hoffnungsglueck; Der alte Winter, in seiner Schwaeche, Zog sich in rauhe Berge zurueck. Von dorther sendet er, fliehend, nur Ohnmaechtige Schauer kornigen Eises In Streifen ueber die gruenende Flur; Aber die Sonne duldet kein Weisses, Ueberall regt sich Bildung und Streben, Alles will sie mit Farben beleben; Doch an Blumen fehlt's im Revier Sie nimmt geputzte Menschen dafuer. Kehre dich um, von diesen Hoehen Nach der Stadt zurueckzusehen. Aus dem hohlen finstern Tor Dringt ein buntes Gewimmel hervor. Jeder sonnt sich heute so gern. Sie feiern die Auferstehung des Herrn, Denn sie sind selber auferstanden, Aus niedriger Haeuser dumpfen Gemaechern, Aus Handwerks- und Gewerbesbanden, Aus dem Druck von Giebeln und Daechern, Aus der Strassen quetschender Enge, Aus der Kirchen ehrwuerdiger Nacht Sind sie alle ans Licht gebracht. Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge Durch die Gaerten und Felder zerschlaegt, Wie der Fluss, in Breit und Laenge So manchen lustigen Nachen bewegt, Und bis zum Sinken ueberladen Entfernt sich dieser letzte Kahn. Selbst von des Berges fernen Pfaden Blinken uns farbige Kleider an. Ich hoere schon des Dorfs Getuemmel, Hier ist des Volkes wahrer Himmel, Zufrieden jauchzet gross und klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein! WAGNER: Mit Euch, Herr Doktor, zu spazieren Ist ehrenvoll und ist Gewinn; Doch wuerd ich nicht allein mich her verlieren, Weil ich ein Feind von allem Rohen bin. Das Fiedeln, Schreien, Kegelschieben Ist mir ein gar verhasster Klang; Sie toben wie vom boesen Geist getrieben Und nennen's Freude. nennen's Gesang. Bauern unter der Linde. Tanz und Gesang. Der Schaefer putzte sich zum Tanz, Mit bunter Jacke, Band und Kranz, Schmuck war er angezogen. Schon um die Linde war es voll, Und alles tanzte schon wie toll. Juchhe! Juchhe! Juchheisa! Heisa! He! So ging der Fiedelbogen. Er drueckte hastig sich heran, Da stiess er an ein Maedchen an Mit seinem Ellenbogen; Die frische Dirne kehrt, sich um Und sagte: Nun, das find ich dumm! Juchhe! Juchhe! Juchheisa! Heisa! He! Seid nicht so ungezogen! Doch hurtig in dem Kreise ging's, Sie tanzten rechts, sie tanzten links, Und alle Roecke flogen. Sie wurden rot, sie wurden warm Und ruhten atmend Arm in Arm, Juchhe! Juchhe! Juchheisa! Heisa! He! Und Hueft an Ellenbogen. Und tu mir doch nicht so vertraut! Wie mancher hat nicht seine Braut Belogen und betrogen! Er schmeichelte sie doch bei Seit, Und von der Linde scholl es weit: Juchhe! Juchhe! Juchheisa! Heisa! He! Geschrei und Fiedelbogen. ALTER BAUER: Herr Doktor, das ist schoen von Euch, Dass Ihr uns heute nicht verschmaeht, Und unter dieses Volksgedraeng, Als ein so Hochgelahrter, geht. So nehmet auch den schoensten Krug, Den wir mit frischem Trunk gefuellt, Ich bring ihn zu und wuensche laut, Dass er nicht nur den Durst Euch stillt: Die Zahl der Tropfen, die er hegt, Sei Euren Tagen zugelegt. FAUST: Ich nehme den Erquickungstrank Enwidr' euch allen Heil und Dank. (Das Volk sammelt sich im Kreis umher.) ALTER BAUER: Fuerwahr, es ist sehr wohl getan, Dass Ihr am frohen Tag erscheint; Habt Ihr es vormals doch mit uns An boesen Tagen gut gemeint! Gar mancher steht lebendig hier Den Euer Vater noch zuletzt Der heissen Fieberwut entriss, Als er der Seuche Ziel gesetzt. Auch damals Ihr, ein junger Mann, Ihr gingt in jedes Krankenhaus, Gar manche Leiche trug man fort, Ihr aber kamt gesund heraus, Bestandet manche harte Proben; Dem Helfer half der Helfer droben. ALLE: Gesundheit dem bewaehrten Mann, Dass er noch lange helfen kann! FAUST: Vor jenem droben steht gebueckt, Der helfen lehrt und Huelfe schickt. Er geht mit Wagnern weiter. WAGNER: Welch ein Gefuehl musst du, o grosser Mann, Bei der Verehrung dieser Menge haben! O gluecklich, wer von seinen Gaben Solch einen Vorteil ziehen kann! Der Vater zeigt dich seinem Knaben, Ein jeder fragt und draengt und eilt, Die Fiedel stockt, der Taenzer weilt. Du gehst, in Reihen stehen sie, Die Muetzen fliegen in die Hoeh; Und wenig fehlt, so beugten sich die Knie, Als kaem das Venerabile. FAUST: Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein, Hier wollen wir von unsrer Wandrung rasten. Hier sass ich oft gedankenvoll allein Und quaelte mich mit Beten und mit Fasten. An Hoffnung reich, im Glauben fest, Mit Traenen, Seufzen, Haenderingen Dacht ich das Ende jener Pest Vom Herrn des Himmels zu erzwingen. Der Menge Beifall toent mir nun wie Hohn. O koenntest du in meinem Innern lesen, Wie wenig Vater und Sohn Solch eines Ruhmes wert gewesen! Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann, Der ueber die Natur und ihre heil'gen Kreise In Redlichkeit, jedoch auf seine Weise, Mit grillenhafter Muehe sann; Der, in Gesellschaft von Adepten, Sich in die schwarze Kueche schloss, Und, nach unendlichen Rezepten, Das Widrige zusammengoss. Da ward ein roter Leu, ein kuehner Freier, Im lauen Bad der Lilie vermaehlt, Und beide dann mit offnem Flammenfeuer Aus einem Brautgemach ins andere gequaelt. Erschien darauf mit bunten Farben Die junge Koenigin im Glas, Hier war die Arzenei, die Patienten starben, Und niemand fragte: wer genas? So haben wir mit hoellischen Latwergen In diesen Taelern, diesen Bergen Weit schlimmer als die Pest getobt. Ich habe selbst den Gift an Tausende gegeben: Sie welkten hin, ich muss erleben, Dass man die frechen Moerder lobt. WAGNER: Wie koennt Ihr Euch darum betrueben! Tut nicht ein braver Mann genug, Die Kunst, die man ihm uebertrug, Gewissenhaft und puenktlich auszuueben? Wenn du als Juengling deinen Vater ehrst, So wirst du gern von ihm empfangen; Wenn du als Mann die Wissenschaft vermehrst, So kann dein Sohn zu hoehrem Ziel gelangen. FAUST: O gluecklich, wer noch hoffen kann, Aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen! Was man nicht weiss, das eben brauchte man, Und was man weiss, kann man nicht brauchen. Doch lass uns dieser Stunde schoenes Gut Durch solchen Truebsinn nicht verkuemmern! Betrachte, wie in Abendsonne-Glut Die gruenumgebnen Huetten schimmern. Sie rueckt und weicht, der Tag ist ueberlebt, Dort eilt sie hin und foerdert neues Leben. O dass kein Fluegel mich vom Boden hebt Ihr nach und immer nach zu streben! Ich saeh im ewigen Abendstrahl Die stille Welt zu meinen Fuessen, Entzuendet alle Hoehn beruhigt jedes Tal, Den Silberbach in goldne Stroeme fliessen. Nicht hemmte dann den goettergleichen Lauf Der wilde Berg mit allen seinen Schluchten; Schon tut das Meer sich mit erwaermten Buchten Vor den erstaunten Augen auf. Doch scheint die Goettin endlich wegzusinken; Allein der neue Trieb erwacht, Ich eile fort, ihr ew'ges Licht zu trinken, Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht, Den Himmel ueber mir und unter mir die Wellen. Ein schoener Traum, indessen sie entweicht. Ach! zu des Geistes Fluegeln wird so leicht Kein koerperlicher Fluegel sich gesellen. Doch ist es jedem eingeboren Dass sein Gefuehl hinauf und vorwaerts dringt, Wenn ueber uns, im blauen Raum verloren, Ihr schmetternd Lied die Lerche singt; Wenn ueber schroffen Fichtenhoehen Der Adler ausgebreitet schwebt, Und ueber Flaechen, ueber Seen Der Kranich nach der Heimat strebt. WAGNER: Ich hatte selbst oft grillenhafte Stunden, Doch solchen Trieb hab ich noch nie empfunden. Man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt; Des Vogels Fittich werd ich nie beneiden. Wie anders tragen uns die Geistesfreuden Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt! Da werden Winternaechte hold und schoen Ein selig Leben waermet alle Glieder, Und ach! entrollst du gar ein wuerdig Pergamen, So steigt der ganze Himmel zu dir nieder. FAUST: Du bist dir nur des einen Triebs bewusst, O lerne nie den andern kennen! Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, Die eine will sich von der andern trennen; Die eine haelt, in derber Liebeslust, Sich an die Welt mit klammernden Organen; Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust Zu den Gefilden hoher Ahnen. O gibt es Geister in der Luft, Die zwischen Erd und Himmel herrschend weben So steiget nieder aus dem goldnen Duft Und fuehrt mich weg zu neuem, buntem Leben! Ja, waere nur ein Zaubermantel mein, Und trueg er mich in fremde Laender! Mir sollt er um die koestlichsten Gewaender, Nicht feil um einen Koenigsmantel sein. WAGNER: Berufe nicht die wohlbekannte Schar, Die stroemend sich im Dunstkreis ueberbreitet, Dem Menschen tausendfaeltige Gefahr, Von allen Enden her, bereitet. Von Norden dringt der scharfe Geisterzahn Auf dich herbei, mit pfeilgespitzten Zungen; Von Morgen ziehn, vertrocknend, sie heran, Und naehren sich von deinen Lungen; Wenn sie der Mittag aus der Wueste schickt, Die Glut auf Glut um deinen Scheitel haeufen So bringt der West den Schwarm, der erst erquickt, Um dich und Feld und Aue zu ersaeufen. Sie hoeren gern, zum Schaden froh gewandt, Gehorchen gern, weil sie uns gern betruegen; Sie stellen wie vom Himmel sich gesandt, Und lispeln englisch, wenn sie luegen. Doch gehen wir! Ergraut ist schon die Welt, Die Luft gekuehlt, der Nebel faellt! Am Abend schaetzt man erst das Haus.- Was stehst du so und blickst erstaunt hinaus? Was kann dich in der Daemmrung so ergreifen? FAUST: Siehst du den schwarzen Hund durch Saat und Stoppel streifen? WAGNER: Ich sah ihn lange schon, nicht wichtig schien er mir. FAUST: Betracht ihn recht! fuer was haeltst du das Tier? WAGNER: Fuer einen Pudel, der auf seine Weise Sich auf der Spur des Herren plagt. FAUST: Bemerkst du, wie in weitem Schneckenkreise Er um uns her und immer naeher jagt? Und irr ich nicht, so zieht ein Feuerstrudel Auf seinen Pfaden hinterdrein. WAGNER: Ich sehe nichts als einen schwarzen Pudel; Es mag bei Euch wohl Augentaeuschung sein. FAUST: Mir scheint es, dass er magisch leise Schlingen Zu kuenft'gem Band um unsre Fuesse zieht. WAGNER: Ich seh ihn ungewiss und furchtsam uns umspringen, Weil er, statt seines Herrn, zwei Unbekannte sieht. FAUST: Der Kreis wird eng, schon ist er nah! WAGNER: Du siehst! ein Hund, und kein Gespenst ist da. Er knurrt und zweifelt, legt sich auf den Bauch, Er wedelt. Alles Hundebrauch. FAUST: Geselle dich zu uns! Komm hier! WAGNER: Es ist ein pudelnaerrisch Tier. Du stehest still, er wartet auf; Du sprichst ihn an, er strebt an dir hinauf; Verliere was, er wird es bringen, Nach deinem Stock ins Wasser springen. FAUST: Du hast wohl recht; ich finde nicht die Spur Von einem Geist, und alles ist Dressur. WAGNER: Dem Hunde, wenn er gut gezogen, Wird selbst ein weiser Mann gewogen. Ja, deine Gunst verdient er ganz und gar, Er, der Studenten trefflicher Skolar. (Sie gehen in das Stadttor.) Studierzimmer Faust mit dem Pudel hereintretend. FAUST: Verlassen hab ich Feld und Auen, Die eine tiefe Nacht bedeckt, Mit ahnungsvollem, heil'gem Grauen In uns die bessre Seele weckt. Entschlafen sind nun wilde Triebe Mit jedem ungestuemen Tun; Es reget sich die Menschenliebe, Die Liebe Gottes regt sich nun. Sei ruhig, Pudel! renne nicht hin und wider! An der Schwelle was schnoperst du hier? Lege dich hinter den Ofen nieder, Mein bestes Kissen geb ich dir. Wie du draussen auf dem bergigen Wege Durch Rennen und Springen ergetzt uns hast, So nimm nun auch von mir die Pflege, Als ein willkommner stiller Gast. Ach wenn in unsrer engen Zelle Die Lampe freundlich wieder brennt, Dann wird's in unserm Busen helle, Im Herzen, das sich selber kennt. Vernunft faengt wieder an zu sprechen, Und Hoffnung wieder an zu bluehn, Man sehnt sich nach des Lebens Baechen, Ach! nach des Lebens Quelle hin. Knurre nicht, Pudel! Zu den heiligen Toenen, Die jetzt meine ganze Seel umfassen, Will der tierische Laut nicht passen. Wir sind gewohnt, dass die Menschen verhoehnen, Was sie nicht verstehn, Dass sie vor dem Guten und Schoenen, Das ihnen oft beschwerlich ist, murren; Will es der Hund, wie sie, beknurren? Aber ach! schon fuehl ich, bei dem besten Willen, Befriedigung nicht mehr aus dem Busen quillen. Aber warum muss der Strom so bald versiegen, Und wir wieder im Durste liegen? Davon hab ich so viel Erfahrung. Doch dieser Mangel laesst sich ersetzen, Wir lernen das Ueberirdische schaetzen, Wir sehnen uns nach Offenbarung, Die nirgends wuerd'ger und schoener brennt Als in dem Neuen Testament. Mich draengt's, den Grundtext aufzuschlagen, Mit redlichem Gefuehl einmal Das heilige Original In mein geliebtes Deutsch zu uebertragen, (Er schlaegt ein Volum auf und schickt sich an.) Geschrieben steht: »Im Anfang war das Wort!« Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort? Ich kann das Wort so hoch unmoeglich schaetzen, Ich muss es anders uebersetzen, Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin. Geschrieben steht: Im Anfang war der Sinn. Bedenke wohl die erste Zeile, Dass deine Feder sich nicht uebereile! Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft? Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft! Doch, auch indem ich dieses niederschreibe, Schon warnt mich was, dass ich dabei nicht bleibe. Mir hilft der Geist! Auf einmal seh ich Rat Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat! Soll ich mit dir das Zimmer teilen, Pudel, so lass das Heulen, So lass das Bellen! Solch einen stoerenden Gesellen Mag ich nicht in der Naehe leiden. Einer von uns beiden Muss die Zelle meiden. Ungern heb ich das Gastrecht auf, Die Tuer ist offen, hast freien Lauf. Aber was muss ich sehen! Kann das natuerlich geschehen? Ist es Schatten? ist's Wirklichkeit? Wie wird mein Pudel lang und breit! Er hebt sich mit Gewalt, Das ist nicht eines Hundes Gestalt! Welch ein Gespenst bracht ich ins Haus! Schon sieht er wie ein Nilpferd aus, Mit feurigen Augen, schrecklichem Gebiss. Oh! du bist mir gewiss! Fuer solche halbe Hoellenbrut Ist Salomonis Schluessel gut. GEISTER (auf dem Gange): Drinnen gefangen ist einer! Bleibet haussen, folg ihm keiner! Wie im Eisen der Fuchs, Zagt ein alter Hoellenluchs. Aber gebt acht! Schwebet hin, schwebet wider, Auf und nieder, Und er hat sich losgemacht. Koennt ihr ihm nuetzen, Lasst ihn nicht sitzen! Denn er tat uns allen Schon viel zu Gefallen. FAUST: Erst zu begegnen dem Tiere, Brauch ich den Spruch der Viere: Salamander soll gluehen, Undene sich winden, Sylphe verschwinden, Kobold sich muehen. Wer sie nicht kennte Die Elemente, Ihre Kraft Und Eigenschaft, Waere kein Meister Ueber die Geister. Verschwind in Flammen, Salamander! Rauschend fliesse zusammen, Undene! Leucht in Meteoren-Schoene, Sylphe! Bring haeusliche Huelfe, Incubus! Incubus! Tritt hervor und mache den Schluss! Keines der Viere Steckt in dem Tiere. Es liegt ganz ruhig und grinst mich an; Ich hab ihm noch nicht weh getan. Du sollst mich hoeren Staerker beschwoeren. Bist du, Geselle Ein Fluechtling der Hoelle? So sieh dies Zeichen Dem sie sich beugen, Die schwarzen Scharen! Schon schwillt es auf mit borstigen Haaren. Verworfnes Wesen! Kannst du ihn lesen? Den nie Entsprossnen, Unausgesprochnen, Durch alle Himmel Gegossnen, Freventlich Durchstochnen? Hinter den Ofen gebannt, Schwillt es wie ein Elefant Den ganzen Raum fuellt es an, Es will zum Nebel zerfliessen. Steige nicht zur Decke hinan! Lege dich zu des Meisters Fuessen! Du siehst, dass ich nicht vergebens drohe. Ich versenge dich mit heiliger Lohe! Erwarte nicht Das dreimal gluehende Licht! Erwarte nicht Die staerkste von meinen Kuensten! Mephistopheles tritt, indem der Nebel faellt, gekleidet wie ein fahrender Scholastikus, hinter dem Ofen hervor. MEPHISTOPHELES: Wozu der Laerm? was steht dem Herrn zu Diensten? FAUST: Das also war des Pudels Kern! Ein fahrender Skolast? Der Kasus macht mich lachen. MEPHISTOPHELES: Ich salutiere den gelehrten Herrn! Ihr habt mich weidlich schwitzen machen. FAUST: Wie nennst du dich? MEPHISTOPHELES: Die Frage scheint mir klein Fuer einen, der das Wort so sehr verachtet, Der, weit entfernt von allem Schein, Nur in der Wesen Tiefe trachtet. FAUST: Bei euch, ihr Herrn, kann man das Wesen Gewoehnlich aus dem Namen lesen, Wo es sich allzu deutlich weist, Wenn man euch Fliegengott, Verderber, Luegner heisst. Nun gut, wer bist du denn? MEPHISTOPHELES: Ein Teil von jener Kraft, Die stets das Boese will und stets das Gute schafft. FAUST: Was ist mit diesem Raetselwort gemeint? MEPHISTOPHELES: Ich bin der Geist, der stets verneint! Und das mit Recht; denn alles, was entsteht, Ist wert, dass es zugrunde geht; Drum besser waer's, dass nichts entstuende. So ist denn alles, was ihr Suende, Zerstoerung, kurz, das Boese nennt, Mein eigentliches Element. FAUST: Du nennst dich einen Teil, und stehst doch ganz vor mir? MEPHISTOPHELES: Bescheidne Wahrheit sprech ich dir. Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt Gewoehnlich fuer ein Ganzes haelt- Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht, Und doch gelingt's ihm nicht, da es, so viel es strebt, Verhaftet an den Koerpern klebt. Von Koerpern stroemt's, die Koerper macht es schoen, Ein Koerper hemmt's auf seinem Gange; So, hoff ich, dauert es nicht lange, Und mit den Koerpern wird's zugrunde gehn. FAUST: Nun kenn ich deine wuerd'gen Pflichten! Du kannst im Grossen nichts vernichten Und faengst es nun im Kleinen an. MEPHISTOPHELES: Und freilich ist nicht viel damit getan. Was sich dem Nichts entgegenstellt, Das Etwas, diese plumpe Welt So viel als ich schon unternommen Ich wusste nicht ihr beizukommen Mit Wellen, Stuermen, Schuetteln, Brand- Geruhig bleibt am Ende Meer und Land! Und dem verdammten Zeug, der Tier- und Menschenbrut, Dem ist nun gar nichts anzuhaben: Wie viele hab ich schon begraben! Und immer zirkuliert ein neues, frisches Blut. So geht es fort, man moechte rasend werden! Der Luft, dem Wasser wie der Erden Entwinden tausend Keime sich, Im Trocknen, Feuchten, Warmen, Kalten! Haett ich mir nicht die Flamme vorbehalten, Ich haette nichts Aparts fuer mich. FAUST: So setzest du der ewig regen, Der heilsam schaffenden Gewalt Die kalte Teufelsfaust entgegen, Die sich vergebens tueckisch ballt! Was anders suche zu beginnen Des Chaos wunderlicher Sohn! MEPHISTOPHELES: Wir wollen wirklich uns besinnen, Die naechsten Male mehr davon! Duerft ich wohl diesmal mich entfernen? FAUST: Ich sehe nicht, warum du fragst. Ich habe jetzt dich kennen lernen Besuche nun mich, wie du magst. Hier ist das Fenster, hier die Tuere, Ein Rauchfang ist dir auch gewiss. MEPHISTOPHELES: Gesteh ich's nur! dass ich hinausspaziere, Verbietet mir ein kleines Hindernis, Der Drudenfuss auf Eurer Schwelle- FAUST: Das Pentagramma macht dir Pein? Ei sage mir, du Sohn der Hoelle, Wenn das dich bannt, wie kamst du denn herein? Wie ward ein solcher Geist betrogen? MEPHISTOPHELES: Beschaut es recht! es ist nicht gut gezogen: Der eine Winkel, der nach aussen zu, Ist, wie du siehst, ein wenig offen. FAUST: Das hat der Zufall gut getroffen! Und mein Gefangner waerst denn du? Das ist von ungefaehr gelungen! MEPHISTOPHELES: Der Pudel merkte nichts, als er hereingesprungen, Die Sache sieht jetzt anders aus: Der Teufel kann nicht aus dem Haus. FAUST: Doch warum gehst du nicht durchs Fenster? MEPHISTOPHELES: 's ist ein Gesetz der Teufel und Gespenster: Wo sie hereingeschluepft, da muessen sie hinaus. Das erste steht uns frei, beim zweiten sind wir Knechte. FAUST: Die Hoelle selbst hat ihre Rechte? Das find ich gut, da liesse sich ein Pakt, Und sicher wohl, mit euch, ihr Herren, schliessen? MEPHISTOPHELES: Was man verspricht, das sollst du rein geniessen, Dir wird davon nichts abgezwackt. Doch das ist nicht so kurz zu fassen, Und wir besprechen das zunaechst Doch jetzo bitt ich, hoch und hoechst, Fuer dieses Mal mich zu entlassen. FAUST: So bleibe doch noch einen Augenblick, Um mir erst gute Maer zu sagen. MEPHISTOPHELES: Jetzt lass mich los! ich komme bald zurueck; Dann magst du nach Belieben fragen. FAUST: Ich habe dir nicht nachgestellt, Bist du doch selbst ins Garn gegangen. Den Teufel halte, wer ihn haelt! Er wird ihn nicht so bald zum zweiten Male fangen. MEPHISTOPHELES: Wenn dir's beliebt, so bin ich auch bereit, Dir zur Gesellschaft hier zu bleiben; Doch mit Bedingnis, dir die Zeit Durch meine Kuenste wuerdig zu vertreiben. FAUST: Ich seh es gern, das steht dir frei; Nur dass die Kunst gefaellig sei! MEPHISTOPHELES: Du wirst, mein Freund, fuer deine Sinnen In dieser Stunde mehr gewinnen Als in des Jahres Einerlei. Was dir die zarten Geister singen, Die schoenen Bilder, die sie bringen, Sind nicht ein leeres Zauberspiel. Auch dein Geruch wird sich ergetzen, Dann wirst du deinen Gaumen letzen, Und dann entzueckt sich dein Gefuehl. Bereitung braucht es nicht voran, Beisammen sind wir, fanget an! GEISTER: Schwindet, ihr dunkeln Woelbungen droben! Reizender schaue Freundlich der blaue Aether herein! Waeren die dunkeln Wolken zerronnen! Sternelein funkeln, Mildere Sonnen Scheinen darein. Himmlischer Soehne Geistige Schoene, Schwankende Beugung Schwebet vorueber. Sehnende Neigung Folget hinueber; Und der Gewaender Flatternde Baender Decken die Laender, Decken die Laube, Wo sich fuers Leben, Tief in Gedanken, Liebende geben. Laube bei Laube! Sprossende Ranken! Lastende Traube Stuerzt ins Behaelter Draengender Kelter, Stuerzen in Baechen Schaeumende Weine, Rieseln durch reine, Edle Gesteine, Lassen die Hoehen Hinter sich liegen, Breiten zu Seen Sich ums Genuege Gruenender Huegel. Und das Gefluegel Schluerfet sich Wonne, Flieget der Sonne, Flieget den hellen Inseln entgegen, Die sich auf Wellen Gauklend bewegen; Wo wir in Choeren Jauchzende hoeren, Ueber den Auen Tanzende schauen, Die sich im Freien Alle zerstreuen. Einige klimmen Ueber die Hoehen, Andere schwimmen Ueber die Seen, Andere schweben; Alle zum Leben, Alle zur Ferne Liebender Sterne, Seliger Huld. MEPHISTOPHELES: Er schlaeft! So recht, ihr luft'gen zarten Jungen! Ihr habt ihn treulich eingesungen! Fuer dies Konzert bin ich in eurer Schuld. Du bist noch nicht der Mann, den Teufel festzuhalten! Umgaukelt ihn mit suessen Traumgestalten, Versenkt ihn in ein Meer des Wahns; Doch dieser Schwelle Zauber zu zerspalten, Bedarf ich eines Rattenzahns. Nicht lange brauch ich zu beschwoeren, Schon raschelt eine hier und wird sogleich mich hoeren. Der Herr der Ratten und der Maeuse, Der Fliegen, Froesche, Wanzen, Laeuse Befiehlt dir, dich hervor zu wagen Und diese Schwelle zu benagen, So wie er sie mit OEl betupft- Da kommst du schon hervorgehupft! Nur frisch ans Werk! Die Spitze, die mich bannte, Sie sitzt ganz vornen an der Kante. Noch einen Biss, so ist's geschehn.- Nun, Fauste, traeume fort, bis wir uns wiedersehn. FAUST (erwachend): Bin ich denn abermals betrogen? Verschwindet so der geisterreiche Drang Dass mir ein Traum den Teufel vorgelogen, Und dass ein Pudel mir entsprang? Studierzimmer Faust. Mephistopheles. FAUST: Es klopft? Herein! Wer will mich wieder plagen? MEPHISTOPHELES: Ich bin's. FAUST: Herein! MEPHISTOPHELES: Du musst es dreimal sagen. FAUST: Herein denn! MEPHISTOPHELES: So gefaellst du mir. Wir werden, hoff ich, uns vertragen; Denn dir die Grillen zu verjagen, Bin ich als edler Junker hier, In rotem, goldverbraemtem Kleide, Das Maentelchen von starrer Seide, Die Hahnenfeder auf dem Hut, Mit einem langen, spitzen Degen, Und rate nun dir, kurz und gut, Dergleichen gleichfalls anzulegen; Damit du, losgebunden, frei, Erfahrest, was das Leben sei. FAUST: In jedem Kleide werd ich wohl die Pein Des engen Erdelebens fuehlen. Ich bin zu alt, um nur zu spielen, Zu jung, um ohne Wunsch zu sein. Was kann die Welt mir wohl gewaehren? Entbehren sollst du! sollst entbehren! Das ist der ewige Gesang, Der jedem an die Ohren klingt, Den, unser ganzes Leben lang, Uns heiser jede Stunde singt. Nur mit Entsetzen wach ich morgens auf, Ich moechte bittre Traenen weinen, Den Tag zu sehn, der mir in seinem Lauf Nicht einen Wunsch erfuellen wird, nicht einen, Der selbst die Ahnung jeder Lust Mit eigensinnigem Krittel mindert, Die Schoepfung meiner regen Brust Mit tausend Lebensfratzen hindert. Auch muss ich, wenn die Nacht sich niedersenkt, Mich aengstlich auf das Lager strecken; Auch da wird keine Rast geschenkt, Mich werden wilde Traeume schrecken. Der Gott, der mir im Busen wohnt, Kann tief mein Innerstes erregen; Der ueber allen meinen Kraeften thront, Er kann nach aussen nichts bewegen; Und so ist mir das Dasein eine Last, Der Tod erwuenscht, das Leben mir verhasst. MEPHISTOPHELES: Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommner Gast. FAUST: O selig der, dem er im Siegesglanze Die blut'gen Lorbeern um die Schlaefe windet, Den er, nach rasch durchrastem Tanze, In eines Maedchens Armen findet! O waer ich vor des hohen Geistes Kraft Entzueckt, entseelt dahin gesunken! MEPHISTOPHELES: Und doch hat jemand einen braunen Saft, In jener Nacht, nicht ausgetrunken. FAUST: Das Spionieren, scheint's, ist deine Lust. MEPHISTOPHELES: Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewusst. FAUST: Wenn aus dem schrecklichen Gewuehle Ein suess bekannter Ton mich zog, Den Rest von kindlichem Gefuehle Mit Anklang froher Zeit betrog, So fluch ich allem, was die Seele Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt, Und sie in diese Trauerhoehle Mit Blend- und Schmeichelkraeften bannt! Verflucht voraus die hohe Meinung Womit der Geist sich selbst umfaengt! Verflucht das Blenden der Erscheinung, Die sich an unsre Sinne draengt! Verflucht, was uns in Traeumen heuchelt Des Ruhms, der Namensdauer Trug! Verflucht, was als Besitz uns schmeichelt, Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug! Verflucht sei Mammon, wenn mit Schaetzen Er uns zu kuehnen Taten regt, Wenn er zu muessigem Ergetzen Die Polster uns zurechte legt! Fluch sei dem Balsamsaft der Trauben! Fluch jener hoechsten Liebeshuld! Fluch sei der Hoffnung! Fluch dem Glauben, Und Fluch vor allen der Geduld! GEISTERCHOR (unsichtbar): Weh! weh! Du hast sie zerstoert Die schoene Welt, Mit maechtiger Faust; Sie stuerzt, sie zerfaellt! Ein Halbgott hat sie zerschlagen! Wir tragen Die Truemmern ins Nichts hinueber, Und klagen Ueber die verlorne Schoene. Maechtiger Der Erdensoehne, Praechtiger Baue sie wieder, In deinem Busen baue sie auf! Neuen Lebenslauf Beginne, Mit hellem Sinne, Und neue Lieder Toenen darauf! MEPHISTOPHELES: Dies sind die Kleinen Von den Meinen. Hoere, wie zu Lust und Taten Altklug sie raten! In die Welt weit, Aus der Einsamkeit Wo Sinnen und Saefte stocken, Wollen sie dich locken. Hoer auf, mit deinem Gram zu spielen, Der, wie ein Geier, dir am Leben frisst; Die schlechteste Gesellschaft laesst dich fuehlen, Dass du ein Mensch mit Menschen bist. Doch so ist's nicht gemeint Dich unter das Pack zu stossen. Ich bin keiner von den Grossen; Doch willst du, mit mir vereint, Deine Schritte durchs Leben nehmen, So will ich mich gern bequemen, Dein zu sein, auf der Stelle. Ich bin dein Geselle, Und mach ich dir's recht, Bin ich dein Diener, bin dein Knecht! FAUST: Und was soll ich dagegen dir erfuellen? MEPHISTOPHELES: Dazu hast du noch eine lange Frist. FAUST: Nein, nein! der Teufel ist ein Egoist Und tut nicht leicht um Gottes willen, Was einem andern nuetzlich ist. Sprich die Bedingung deutlich aus; Ein solcher Diener bringt Gefahr ins Haus. MEPHISTOPHELES: Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden, Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn; Wenn wir uns drueben wiederfinden, So sollst du mir das gleiche tun. FAUST: Das Drueben kann mich wenig kuemmern; Schlaegst du erst diese Welt zu Truemmern, Die andre mag darnach entstehn. Aus dieser Erde quillen meine Freuden, Und diese Sonne scheinet meinen Leiden; Kann ich mich erst von ihnen scheiden, Dann mag, was will und kann, geschehn. Davon will ich nichts weiter hoeren, Ob man auch kuenftig hasst und liebt, Und ob es auch in jenen Sphaeren Ein Oben oder Unten gibt. MEPHISTOPHELES: In diesem Sinne kannst du's wagen. Verbinde dich; du sollst, in diesen Tagen, Mit Freuden meine Kuenste sehn, Ich gebe dir, was noch kein Mensch gesehn. FAUST: Was willst du armer Teufel geben? Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben, Von deinesgleichen je gefasst? Doch hast du Speise, die nicht saettigt, hast Du rotes Gold, das ohne Rast, Quecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt, Ein Spiel, bei dem man nie gewinnt, Ein Maedchen, das an meiner Brust Mit Aeugeln schon dem Nachbar sich verbindet, Der Ehre schoene Goetterlust, Die, wie ein Meteor, verschwindet? Zeig mir die Frucht, die fault, eh man sie bricht, Und Baeume, die sich taeglich neu begruenen! MEPHISTOPHELES: Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht, Mit solchen Schaetzen kann ich dienen. Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran, Wo wir was Guts in Ruhe schmausen moegen. FAUST: Werd ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen, So sei es gleich um mich getan! Kannst du mich schmeichelnd je beluegen, Dass ich mir selbst gefallen mag, Kannst du mich mit Genuss betruegen- Das sei fuer mich der letzte Tag! Die Wette biet ich! MEPHISTOPHELES: Topp! FAUST: Und Schlag auf Schlag! Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! du bist so schoen! Dann magst du mich in Fesseln schlagen, Dann will ich gern zugrunde gehn! Dann mag die Totenglocke schallen, Dann bist du deines Dienstes frei, Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen, Es sei die Zeit fuer mich vorbei! MEPHISTOPHELES: Bedenk es wohl, wir werden's nicht vergessen. FAUST: Dazu hast du ein volles Recht; Ich habe mich nicht freventlich vermessen. Wie ich beharre, bin ich Knecht, Ob dein, was frag ich, oder wessen. MEPHISTOPHELES: Ich werde heute gleich, beim Doktorschmaus, Als Diener meine Pflicht erfuellen. Nur eins!- Um Lebens oder Sterbens willen Bitt ich mir ein paar Zeilen aus. FAUST: Auch was Geschriebnes forderst du Pedant? Hast du noch keinen Mann, nicht Manneswort gekannt? Ist's nicht genug, dass mein gesprochnes Wort Auf ewig soll mit meinen Tagen schalten? Rast nicht die Welt in allen Stroemen fort, Und mich soll ein Versprechen halten? Doch dieser Wahn ist uns ins Herz gelegt, Wer mag sich gern davon befreien? Beglueckt, wer Treue rein im Busen traegt, Kein Opfer wird ihn je gereuen! Allein ein Pergament, beschrieben und bepraegt, Ist ein Gespenst, vor dem sich alle scheuen. Das Wort erstirbt schon in der Feder, Die Herrschaft fuehren Wachs und Leder. Was willst du boeser Geist von mir? Erz, Marmor, Pergament, Papier? Soll ich mit Griffel, Meissel, Feder schreiben? Ich gebe jede Wahl dir frei. MEPHISTOPHELES: Wie magst du deine Rednerei Nur gleich so hitzig uebertreiben? Ist doch ein jedes Blaettchen gut. Du unterzeichnest dich mit einem Troepfchen Blut. FAUST: Wenn dies dir voellig Gnuege tut, So mag es bei der Fratze bleiben. MEPHISTOPHELES: Blut ist ein ganz besondrer Saft. FAUST: Nur keine Furcht, dass ich dies Buendnis breche! Das Streben meiner ganzen Kraft Ist grade das, was ich verspreche. Ich habe mich zu hoch geblaeht, In deinen Rang gehoer ich nur. Der grosse Geist hat mich verschmaeht, Vor mir verschliesst sich die Natur Des Denkens Faden ist zerrissen Mir ekelt lange vor allem Wissen. Lass in den Tiefen der Sinnlichkeit Uns gluehende Leidenschaften stillen! In undurchdrungnen Zauberhuellen Sei jedes Wunder gleich bereit! Stuerzen wir uns in das Rauschen der Zeit, Ins Rollen der Begebenheit! Da mag denn Schmerz und Genuss, Gelingen und Verdruss Miteinander wechseln, wie es kann; Nur rastlos betaetigt sich der Mann. MEPHISTOPHELES: Euch ist kein Mass und Ziel gesetzt. Beliebt's Euch, ueberall zu naschen, Im Fliehen etwas zu erhaschen, Bekomm Euch wohl, was Euch ergetzt. Nur greift mir zu und seid nicht bloede! FAUST: Du hoerest ja, von Freud' ist nicht die Rede. Dem Taumel weih ich mich, dem schmerzlichsten Genuss, Verliebtem Hass, erquickendem Verdruss. Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist, Soll keinen Schmerzen kuenftig sich verschliessen, Und was der ganzen Menschheit zugeteilt ist, Will ich in meinem innern Selbst geniessen, Mit meinem Geist das Hoechst' und Tiefste greifen, Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen haeufen, Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern, Und, wie sie selbst, am End auch ich zerscheitern. MEPHISTOPHELES: O glaube mir, der manche tausend Jahre An dieser harten Speise kaut Dass von der Wiege bis zur Bahre Kein Mensch den alten Sauerteig verdaut! Glaub unsereinem, dieses Ganze Ist nur fuer einen Gott gemacht! Er findet sich in einem ew'gen Glanze Uns hat er in die Finsternis gebracht, Und euch taugt einzig Tag und Nacht. FAUST: Allein ich will! MEPHISTOPHELES: Das laesst sich hoeren! Doch nur vor einem ist mir bang: Die Zeit ist kurz, die Kunst ist lang. Ich daecht, ihr liesset Euch belehren. Assoziiert Euch mit einem Poeten, Lasst den Herrn in Gedanken schweifen, Und alle edlen Qualitaeten Auf Euren Ehrenscheitel haeufen, Des Loewen Mut, Des Hirsches Schnelligkeit, Des Italieners feurig Blut, Des Nordens Dau'rbarkeit. Lasst ihn Euch das Geheimnis finden, Grossmut und Arglist zu verbinden, Und Euch, mit warmen Jugendtrieben, Nach einem Plane zu verlieben. Moechte selbst solch einen Herren kennen, Wuerd ihn Herrn Mikrokosmus nennen. FAUST: Was bin ich denn, wenn es nicht moeglich ist, Der Menschheit Krone zu erringen, Nach der sich alle Sinne dringen? MEPHISTOPHELES: Du bist am Ende- was du bist. Setz dir Peruecken auf von Millionen Locken, Setz deinen Fuss auf ellenhohe Socken, Du bleibst doch immer, was du bist. FAUST: Ich fuehl's, vergebens hab ich alle Schaetze Des Menschengeists auf mich herbeigerafft, Und wenn ich mich am Ende niedersetze, Quillt innerlich doch keine neue Kraft; Ich bin nicht um ein Haar breit hoeher, Bin dem Unendlichen nicht naeher. MEPHISTOPHELES: Mein guter Herr, Ihr seht die Sachen, Wie man die Sachen eben sieht; Wir muessen das gescheiter machen, Eh uns des Lebens Freude flieht. Was Henker! freilich Haend und Fuesse Und Kopf und H[intern], die sind dein; Doch alles, was ich frisch geniesse, Ist das drum weniger mein? Wenn ich sechs Hengste zahlen kann, Sind ihre Kraefte nicht die meine? Ich renne zu und bin ein rechter Mann, Als haett ich vierundzwanzig Beine. Drum frisch! Lass alles Sinnen sein, Und grad mit in die Welt hinein! Ich sag es dir: ein Kerl, der spekuliert, Ist wie ein Tier, auf duerrer Heide Von einem boesen Geist im Kreis herum gefuehrt, Und rings umher liegt schoene gruene Weide. FAUST: Wie fangen wir das an? MEPHISTOPHELES: Wir gehen eben fort. Was ist das fuer ein Marterort? Was heisst das fuer ein Leben fuehren, Sich und die Jungens ennuyieren? Lass du das dem Herrn Nachbar Wanst! Was willst du dich das Stroh zu dreschen plagen? Das Beste, was du wissen kannst, Darfst du den Buben doch nicht sagen. Gleich hoer ich einen auf dem Gange! FAUST: Mir ist's nicht moeglich, ihn zu sehn. MEPHISTOPHELES: Der arme Knabe wartet lange, Der darf nicht ungetroestet gehn. Komm, gib mir deinen Rock und Muetze; Die Maske muss mir koestlich stehn. (Er kleidet sich um.) Nun ueberlass es meinem Witze! Ich brauche nur ein Viertelstuendchen Zeit; Indessen mache dich zur schoenen Fahrt bereit! (Faust ab.) MEPHISTOPHELES (in Fausts langem Kleide): Verachte nur Vernunft und Wissenschaft, Des Menschen allerhoechste Kraft, Lass nur in Blend- und Zauberwerken Dich von dem Luegengeist bestaerken, So hab ich dich schon unbedingt- Ihm hat das Schicksal einen Geist gegeben, Der ungebaendigt immer vorwaerts dringt, Und dessen uebereiltes Streben Der Erde Freuden ueberspringt. Den schlepp ich durch das wilde Leben, Durch flache Unbedeutenheit, Er soll mir zappeln, starren, kleben, Und seiner Unersaettlichkeit Soll Speis und Trank vor gier'gen Lippen schweben; Er wird Erquickung sich umsonst erflehn, Und haett er sich auch nicht dem Teufel uebergeben, Er muesste doch zugrunde gehn! Ein SCHUELER tritt auf. SCHUELER: Ich bin allhier erst kurze Zeit, Und komme voll Ergebenheit, Einen Mann zu sprechen und zu kennen, Den alle mir mit Ehrfucht nennen. MEPHISTOPHELES: Eure Hoeflichkeit erfreut mich sehr! Ihr seht einen Mann wie andre mehr. Habt Ihr Euch sonst schon umgetan? SCHUELER: Ich bitt Euch, nehmt Euch meiner an! Ich komme mit allem guten Mut, Leidlichem Geld und frischem Blut; Meine Mutter wollte mich kaum entfernen; Moechte gern was Rechts hieraussen lernen. MEPHISTOPHELES: Da seid Ihr eben recht am Ort. SCHUELER: Aufrichtig, moechte schon wieder fort: In diesen Mauern, diesen Hallen Will es mir keineswegs gefallen. Es ist ein gar beschraenkter Raum, Man sieht nichts Gruenes, keinen Baum, Und in den Saelen, auf den Baenken, Vergeht mir Hoeren, Sehn und Denken. MEPHISTOPHELES: Das kommt nur auf Gewohnheit an. So nimmt ein Kind der Mutter Brust Nicht gleich im Anfang willig an, Doch bald ernaehrt es sich mit Lust. So wird's Euch an der Weisheit Bruesten Mit jedem Tage mehr geluesten. SCHUELER: An ihrem Hals will ich mit Freuden hangen; Doch sagt mir nur, wie kann ich hingelangen? MEPHISTOPHELES: Erklaert Euch, eh Ihr weiter geht, Was waehlt Ihr fuer eine Fakultaet? SCHUELER: Ich wuenschte recht gelehrt zu werden, Und moechte gern, was auf der Erden Und in dem Himmel ist, erfassen, Die Wissenschaft und die Natur. MEPHISTOPHELES: Da seid Ihr auf der rechten Spur; Doch muesst Ihr Euch nicht zerstreuen lassen. SCHUELER: Ich bin dabei mit Seel und Leib; Doch freilich wuerde mir behagen Ein wenig Freiheit und Zeitvertreib An schoenen Sommerfeiertagen. MEPHISTOPHELES: Gebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen, Doch Ordnung lehrt Euch Zeit gewinnen. Mein teurer Freund, ich rat Euch drum Zuerst Collegium Logicum. Da wird der Geist Euch wohl dressiert, In spanische Stiefeln eingeschnuert, Dass er bedaechtiger so fortan Hinschleiche die Gedankenbahn, Und nicht etwa, die Kreuz und Quer, Irrlichteliere hin und her. Dann lehret man Euch manchen Tag, Dass, was Ihr sonst auf einen Schlag Getrieben, wie Essen und Trinken frei, Eins! Zwei! Drei! dazu noetig sei. Zwar ist's mit der Gedankenfabrik Wie mit einem Weber-Meisterstueck, Wo ein Tritt tausend Faeden regt, Die Schifflein herueber hinueber schiessen, Die Faeden ungesehen fliessen, Ein Schlag tausend Verbindungen schlaegt. Der Philosoph, der tritt herein Und beweist Euch, es muesst so sein: Das Erst waer so, das Zweite so, Und drum das Dritt und Vierte so; Und wenn das Erst und Zweit nicht waer, Das Dritt und Viert waer nimmermehr. Das preisen die Schueler allerorten, Sind aber keine Weber geworden. Wer will was Lebendigs erkennen und beschreiben, Sucht erst den Geist heraus zu treiben, Dann hat er die Teile in seiner Hand, Fehlt, leider! nur das geistige Band. Encheiresin naturae nennt's die Chemie, Spottet ihrer selbst und weiss nicht wie. SCHUELER: Kann Euch nicht eben ganz verstehen. MEPHISTOPHELES: Das wird naechstens schon besser gehen, Wenn Ihr lernt alles reduzieren Und gehoerig klassifizieren. SCHUELER: Mir wird von alledem so dumm, Als ging, mir ein Muehlrad im Kopf herum. MEPHISTOPHELES: Nachher, vor allen andern Sachen, Muesst Ihr Euch an die Metaphysik machen! Da seht, dass Ihr tiefsinnig fasst, Was in des Menschen Hirn nicht passt; Fuer was drein geht und nicht drein geht, Ein praechtig Wort zu Diensten steht. Doch vorerst dieses halbe Jahr Nehmt ja der besten Ordnung wahr. Fuenf Stunden habt Ihr jeden Tag; Seid drinnen mit dem Glockenschlag! Habt Euch vorher wohl praepariert, Paragraphos wohl einstudiert, Damit Ihr nachher besser seht, Dass er nichts sagt, als was im Buche steht; Doch Euch des Schreibens ja befleisst, Als diktiert, Euch der Heilig Geist! SCHUeLER: Das sollt Ihr mir nicht zweimal sagen! Ich denke mir, wie viel es nuetzt Denn, was man schwarz auf weiss besitzt, Kann man getrost nach Hause tragen. MEPHISTOPHELES: Doch waehlt mir eine Fakultaet! SCHUELER: Zur Rechtsgelehrsamkeit kann ich mich nicht bequemen. MEPHISTOPHELES: Ich kann es Euch so sehr nicht uebel nehmen, Ich weiss, wie es um diese Lehre steht. Es erben sich Gesetz' und Rechte Wie eine ew'ge Krankheit fort; Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte, Und ruecken sacht von Ort zu Ort. Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage; Weh dir, dass du ein Enkel bist! Vom Rechte, das mit uns geboren ist, Von dem ist, leider! nie die Frage. SCHUELER: Mein Abscheu wird durch Euch vermehrt. O gluecklich der, den Ihr belehrt! Fast moecht ich nun Theologie studieren. MEPHISTOPHELES: Ich wuenschte nicht, Euch irre zu fuehren. Was diese Wissenschaft betrifft, Es ist so schwer, den falschen Weg zu meiden, Es liegt in ihr so viel verborgnes Gift, Und von der Arzenei ist's kaum zu unterscheiden. Am besten ist's auch hier, wenn Ihr nur einen hoert, Und auf des Meisters Worte schwoert. Im ganzen- haltet Euch an Worte! Dann geht Ihr durch die sichre Pforte Zum Tempel der Gewissheit ein. SCHUELER: Doch ein Begriff muss bei dem Worte sein. MEPHISTOPHELES: Schon gut! Nur muss man sich nicht allzu aengstlich quaelen Denn eben wo Begriffe fehlen, Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein. Mit Worten laesst sich trefflich streiten, Mit Worten ein System bereiten, An Worte laesst sich trefflich glauben, Von einem Wort laesst sich kein Jota rauben. SCHUELER: Verzeiht, ich halt Euch auf mit vielen Fragen, Allem ich muss Euch noch bemuehn. Wollt Ihr mir von der Medizin Nicht auch ein kraeftig Woertchen sagen? Drei Jahr ist eine kurze Zeit, Und, Gott! das Feld ist gar zu weit. Wenn man einen Fingerzeig nur hat, Laesst sich's schon eher weiter fuehlen. MEPHISTOPHELES (fuer sich): Ich bin des trocknen Tons nun satt, Muss wieder recht den Teufel spielen. (Laut.) Der Geist der Medizin ist leicht zu fassen; Ihr durchstudiert die gross, und kleine Welt, Um es am Ende gehn zu lassen, Wie's Gott gefaellt. Vergebens, dass Ihr ringsum wissenschaftlich schweift, Ein jeder lernt nur, was er lernen kann; Doch der den Augenblick ergreift, Das ist der rechte Mann. Ihr seid noch ziemlich wohl gebaut, An Kuehnheit wird's Euch auch nicht fehlen, Und wenn Ihr Euch nur selbst vertraut, Vertrauen Euch die andern Seelen. Besonders lernt die Weiber fuehren; Es ist ihr ewig Weh und Ach So tausendfach Aus einem Punkte zu kurieren, Und wenn Ihr halbweg ehrbar tut, Dann habt Ihr sie all unterm Hut. Ein Titel muss sie erst vertraulich machen, Dass Eure Kunst viel Kuenste uebersteigt; Zum Willkomm tappt Ihr dann nach allen Siebensachen, Um die ein andrer viele Jahre streicht, Versteht das Puelslein wohl zu druecken, Und fasset sie, mit feurig schlauen Blicken, Wohl um die schlanke Huefte frei, Zu sehn, wie fest geschnuert sie sei. SCHUELER: Das sieht schon besser aus! Man sieht doch, wo und wie. MEPHISTOPHELES: Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, Und gruen des Lebens goldner Baum. SCHUELER: Ich schwoer Euch zu, mir ist's als wie ein Traum. Duerft ich Euch wohl ein andermal beschweren, Von Eurer Weisheit auf den Grund zu hoeren? MEPHISTOPHELES: Was ich vermag, soll gern geschehn. SCHUELER: Ich kann unmoeglich wieder gehn, Ich muss Euch noch mein Stammbuch ueberreichen, Goenn Eure Gunst mir dieses Zeichen! MEPHISTOPHELES: Sehr wohl. (Er schreibt und gibt's.) SCHUELER (liest): Eritis sicut Deus, scientes bonum et malum. (Macht's ehrerbietig zu und empfiehlt sich.) MEPHISTOPHELES: Folg nur dem alten Spruch und meiner Muhme, der Schlange, Dir wird gewiss einmal bei deiner Gottaehnlichkeit bange! Faust tritt auf. FAUST: Wohin soll es nun gehn? MEPHISTOPHELES: Wohin es dir gefaellt. Wir sehn die kleine, dann die grosse Welt. Mit welcher Freude, welchem Nutzen Wirst du den Cursum durchschmarutzen! FAUST: Allein bei meinem langen Bart Fehlt mir die leichte Lebensart. Es wird mir der Versuch nicht gluecken; Ich wusste nie mich in die Welt zu schicken. Vor andern fuehl ich mich so klein; Ich werde stets verlegen sein. MEPHISTOPHELES: Mein guter Freund, das wird sich alles geben; Sobald du dir vertraust, sobald weisst du zu leben. FAUST: Wie kommen wir denn aus dem Haus? Wo hast du Pferde, Knecht und Wagen? MEPHISTOPHELES: Wir breiten nur den Mantel aus, Der soll uns durch die Luefte tragen. Du nimmst bei diesem kuehnen Schritt Nur keinen grossen Buendel mit. Ein bisschen Feuerluft, die ich bereiten werde, Hebt uns behend von dieser Erde. Und sind wir leicht, so geht es schnell hinauf; Ich gratuliere dir zum neuen Lebenslauf! Auerbachs Keller in Leipzig Zeche lustiger Gesellen. FROSCH: Will keiner trinken? keiner lachen? Ich will euch lehren Gesichter machen! Ihr seid ja heut wie nasses Stroh, Und brennt sonst immer lichterloh. BRANDER: Das liegt an dir; du bringst ja nichts herbei, Nicht eine Dummheit, keine Sauerei. FROSCH (giesst ihm ein Glas Wein ueber den Kopf): Da hast du beides! BRANDER: Doppelt Schwein! FROSCH: Ihr wollt es ja, man soll es sein! SIEBEL: Zur Tuer hinaus, er sich entzweit! Mit offner Brust singt Runda, sauft und schreit! Auf! Holla! Ho! ALTMAYER: Weh mir, ich bin verloren! Baumwolle her! der Kerl sprengt mir die Ohren. SIEBEL: Wenn das Gewoelbe widerschallt, Fuehlt man erst recht des Basses Grundgewalt. FROSCH: So recht, hinaus mit dem, der etwas uebel nimmt! A! tara lara da! ALTMAYER: A! tara lara da! FROSCH: Die Kehlen sind gestimmt.[24] (Singt.) Das liebe Heil'ge Roem'sche Reich, Wie haelt's nur noch zusammen? BRANDER: Ein garstig Lied! Pfui! ein politisch Lied Ein leidig Lied! Dankt Gott mit jedem Morgen, Dass ihr nicht braucht fuers Roem'sche Reich zu sorgen! Ich halt es wenigstens fuer reichlichen Gewinn, Dass ich nicht Kaiser oder Kanzler bin. Doch muss auch uns ein Oberhaupt nicht fehlen; Wir wollen einen Papst erwaehlen. Ihr wisst, welch eine Qualitaet Den Ausschlag gibt, den Mann erhoeht. FROSCH (singt): Schwing dich auf, Frau Nachtigall, Gruess mir mein Liebchen zehentausendmal. SIEBEL: Dem Liebchen keinen Gruss! ich will davon nichts hoeren! FROSCH: Dem Liebchen Gruss und Kuss! du wirst mir's nicht verwehren! (Singt.) Riegel auf! in stiller Nacht. Riegel auf! der Liebste wacht. Riegel zu! des Morgens frueh. SIEBEL: Ja, singe, singe nur und lob und ruehme sie! Ich will zu meiner Zeit schon lachen. Sie hat mich angefuehrt, dir wird sie's auch so machen. Zum Liebsten sei ein Kobold ihr beschert! Der mag mit ihr auf einem Kreuzweg schaekern; Ein alter Bock, wenn er vom Blocksberg kehrt, Mag im Galopp noch gute Nacht ihr meckern! Ein braver Kerl von echtem Fleisch und Blut Ist fuer die Dirne viel zu gut. Ich will von keinem Grusse wissen, Als ihr die Fenster eingeschmissen BRANDER (auf den Tisch schlagend): Passt auf! passt auf! Gehorchet mir! Ihr Herrn, gesteht, ich weiss zu leben Verliebte Leute sitzen hier, Und diesen muss, nach Standsgebuehr, Zur guten Nacht ich was zum besten geben. Gebt acht! Ein Lied vom neusten Schnitt! Und singt den Rundreim kraeftig mit! (Er singt.) Es war eine Ratt im Kellernest, Lebte nur von Fett und Butter, Hatte sich ein Raenzlein angemaest't, Als wie der Doktor Luther. Die Koechin hatt ihr Gift gestellt; Da ward's so eng ihr in der Welt, Als haette sie Lieb im Leibe. CHORUS (jauchzend): Als haette sie Lieb im Leibe. BRANDER: Sie fuhr herum, sie fuhr heraus, Und soff aus allen Pfuetzen, Zernagt', zerkratzt, das ganze Haus, Wollte nichts ihr Wueten nuetzen; Sie taet gar manchen Aengstesprung, Bald hatte das arme Tier genung, Als haett es Lieb im Leibe. CHORUS: Als haett es Lieb im Leibe. BRANDER: Sie kam vor Angst am hellen Tag Der Kueche zugelaufen, Fiel an den Herd und zuckt, und lag, Und taet erbaermlich schnaufen. Da lachte die Vergifterin noch: Ha! sie pfeift auf dem letzten Loch, Als haette sie Lieb im Leibe. CHORUS: Als haette sie Lieb im Leibe. SIEBEL: Wie sich die platten Bursche freuen! Es ist mir eine rechte Kunst, Den armen Ratten Gift zu streuen! BRANDER: Sie stehn wohl sehr in deiner Gunst? ALTMAYER: Der Schmerbauch mit der kahlen Platte! Das Unglueck macht ihn zahm und mild; Er sieht in der geschwollnen Ratte Sein ganz natuerlich Ebenbild Faust und Mephistopheles treten auf MEPHISTOPHELES: Ich muss dich nun vor allen Dingen In lustige Gesellschaft bringen, Damit du siehst, wie leicht sich's leben laesst. Dem Volke hier wird jeder Tag ein Fest. Mit wenig Witz und viel Behagen Dreht jeder sich im engen Zirkeltanz, Wie junge Katzen mit dem Schwanz. Wenn sie nicht ueber Kopfweh klagen, So lang der Wirt nur weiter borgt, Sind sie vergnuegt und unbesorgt. BRANDER: Die kommen eben von der Reise, Man sieht's an ihrer wunderlichen Weise; Sie sind nicht eine Stunde hier. FROSCH: Wahrhaftig, du hast recht! Mein Leipzig lob ich mir! Es ist ein klein Paris, und bildet seine Leute. SIEBEL: Fuer was siehst du die Fremden an? FROSCH: Lass mich nur gehn! Bei einem vollen Glase Zieh ich, wie einen Kinderzahn, Den Burschen leicht die Wuermer aus der Nase. Sie scheinen mir aus einem edlen Haus, Sie sehen stolz und unzufrieden aus. BRANDER: Marktschreier sind's gewiss, ich wette! ALTMAYER: Vielleicht. FROSCH: Gib acht, ich schraube sie! MEPHISTOPHELES (zu Faust): Den Teufel spuert das Voelkchen nie, Und wenn er sie beim Kragen haette. FAUST: Seid uns gegruesst, ihr Herrn! SIEBEL: Viel Dank zum Gegengruss. (Leise, Mephistopheles von der Seite ansehend.) Was hinkt der Kerl auf einem Fuss? MEPHISTOPHELES: Ist es erlaubt, uns auch zu euch zu setzen? Statt eines guten Trunks, den man nicht haben kann Soll die Gesellschaft uns ergetzen. ALTMAYER: Ihr scheint ein sehr verwoehnter Mann. FROSCH: Ihr seid wohl spaet von Rippach aufgebrochen? Habt ihr mit Herren Hans noch erst zu Nacht gespeist? MEPHISTOPHELES: Heut sind wir ihn vorbeigereist! Wir haben ihn das letztemal gesprochen. Von seinen Vettern wusst er viel zu sagen, Viel Gruesse hat er uns an jeden aufgetragen. (Er neigt sich gegen Frosch.) ALTMAYER (leise): Da hast du's! der versteht's! SIEBEL: Ein pfiffiger Patron! FROSCH: Nun, warte nur, ich krieg ihn schon! MEPHISTOPHELES: Wenn ich nicht irrte, hoerten wir Geuebte Stimmen Chorus singen? Gewiss, Gesang muss trefflich hier Von dieser Woelbung widerklingen! FROSCH: Seid Ihr wohrgar ein Virtuos? MEPHISTOPHELES: O nein! die Kraft ist schwach, allein die Lust ist gross. ALTMAYER: Gebt uns ein Lied! MEPHISTOPHELES: Wenn ihr begehrt, die Menge. SIEBEL: Nur auch ein nagelneues Stueck! MEPHISTOPHELES: Wir kommen erst aus Spanien zurueck, Dem schoenen Land des Weins und der Gesaenge. (Singt). Es war einmal ein Koenig, Der hatt einen grossen Floh- FROSCH: Horcht! Einen Froh! Habt ihr das wohl gefasst? Ein Floh ist mir ein saubrer Gast. MEPHISTOPHELES (singt): Es war einmal ein Koenig Der hatt einen grossen Floh, Den liebt, er gar nicht wenig, Als wie seinen eignen Sohn. Da rief er seinen Schneider, Der Schneider kam heran: Da, miss dem Junker Kleider Und miss ihm Hosen an! BRANDER: Vergesst nur nicht, dem Schneider einzuschaerfen, Dass er mir aufs genauste misst, Und dass, so lieb sein Kopf ihm ist, Die Hosen keine Falten werfen! MEPHISTOPHELES: In Sammet und in Seide War er nun angetan Hatte Baender auf dem Kleide, Hatt auch ein Kreuz daran Und war sogleich Minister, Und hatt einen grossen Stern. Da wurden seine Geschwister Bei Hof auch grosse Herrn. Und Herrn und Fraun am Hofe, Die waren sehr geplagt, Die Koenigin und die Zofe Gestochen und genagt, Und durften sie nicht knicken, Und weg sie jucken nicht. Wir knicken und ersticken Doch gleich, wenn einer sticht. CHORUS (jauchzend): Wir knicken und ersticken Doch gleich, wenn einer sticht. FROSCH: Bravo! Bravo! Das war schoen! SIEBEL: So soll es jedem Floh ergehn! BRANDER: Spitzt die Finger und packt sie fein! ALTMAYER: Es lebe die Freiheit! Es lebe der Wein! MEPHISTOPHELES: Ich traenke gern ein Glas, die Freiheit hoch zu ehren, Wenn eure Weine nur ein bisschen besser waeren. SIEBEL: Wir moegen das nicht wieder hoeren! MEPHISTOPHELES: Ich fuerchte nur, der Wirt beschweret sich; Sonst gaeb ich diesen werten Gaesten Aus unserm Keller was zum besten. SIEBEL: Nur immer her! ich nehm's auf mich. FROSCH: Schafft Ihr ein gutes Glas, so wollen wir Euch loben. Nur gebt nicht gar zu kleine Proben Denn wenn ich judizieren soll, Verlang ich auch das Maul recht voll. ALTMAYER (leise): Sie sind vom Rheine, wie ich spuere. MEPHISTOPHELES: Schafft einen Bohrer an! BRANDER: Was soll mit dem geschehn? Ihr habt doch nicht die Faesser vor der Tuere? ALTMAYER: Dahinten hat der Wirt ein Koerbchen Werkzeug stehn. MEPHISTOPHELES (nimmt den Bohrer. Zu Frosch): Nun sagt, was wuenschet Ihr zu schmecken? FROSCH: Wie meint Ihr das? Habt Ihr so mancherlei? MEPHISTOPHELES: Ich stell es einem jeden frei. ALTMAYER (zu Frosch): Aha! du faengst schon an, die Lippen abzulecken. FROSCH: Gut! wenn ich waehlen soll, so will ich Rheinwein haben. Das Vaterland verleiht die allerbesten Gaben. MEPHISTOPHELES (indem er an dem Platz, wo Frosch sitzt, ein Loch in den Tischrand bohrt): Verschafft ein wenig Wachs, die Pfropfen gleich zu machen! ALTMAYER: Ach, das sind Taschenspielersachen. MEPHISTOPHELES (zu Brander): Und Ihr? BRANDER: Ich will Champagner Wein Und recht moussierend soll er sein! (Mephistopheles bohrt; einer hat indessen die Wachspfropfen gemacht und verstopft.) Man kann nicht stets das Fremde meiden Das Gute liegt uns oft so fern. Ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden, Doch ihre Weine trinkt er gern. SIEBEL (indem sich Mephistopheles seinem Platze naehert): Ich muss gestehn, den sauern mag ich nicht, Gebt mir ein Glas vom echten suessen! MEPHISTOPHELES (bohrt): Euch soll sogleich Tokayer fliessen. ALTMAYER: Nein, Herren, seht mir ins Gesicht! Ich seh es ein, ihr habt uns nur zum besten. MEPHISTOPHELES: Ei! Ei! Mit solchen edlen Gaesten Waer es ein bisschen viel gewagt. Geschwind! Nur grad heraus gesagt! Mit welchem Weine kann ich dienen? ALTMAYER: Mit jedem! Nur nicht lang gefragt. (Nachdem die Loecher alle gebohrt und verstopft sind.) MEPHISTOPHELES (mit seltsamen Gebaerden): Trauben traegt der Weinstock! Hoerner der Ziegenbock; Der Wein ist saftig, Holz die Reben, Der hoelzerne Tisch kann Wein auch geben. Ein tiefer Blick in die Natur! Hier ist ein Wunder, glaubet nur! Nun zieht die Pfropfen und geniesst! ALLE (indem sie die Pfropfen ziehen und jedem der verlangte Wein ins Glas laeuft): O schoener Brunnen, der uns fliesst! MEPHISTOPHELES: Nur huetet euch, dass ihr mir nichts vergiesst! (Sie trinken wiederholt.) ALLE (singen): Uns ist ganz kannibalisch wohl, Als wie fuenfhundert Saeuen! MEPHISTOPHELES: Das Volk ist frei, seht an, wie wohl's ihm geht! FAUST: Ich haette Lust, nun abzufahren. MEPHISTOPHELES: Gib nur erst acht, die Bestialitaet Wird sich gar herrlich offenbaren. SIEBEL (trinkt unvorsichtig, der Wein fliesst auf die Erde und wird zur Flamme): Helft! Feuer! helft! Die Hoelle brennt! MEPHISTOPHELES (die Flamme besprechend): Sei ruhig, freundlich Element! (Zu den Gesellen.) Fuer diesmal war es nur ein Tropfen Fegefeuer. SIEBEL: Was soll das sein? Wart! Ihr bezahlt es teuer! Es scheinet, dass Ihr uns nicht kennt. FROSCH: Lass Er uns das zum zweiten Male bleiben! ALTMAYER: Ich daecht, wir hiessen ihn ganz sachte seitwaerts gehn. SIEBEL: Was, Herr? Er will sich unterstehn, Und hier sein Hokuspokus treiben? MEPHISTOPHELES: Still, altes Weinfass! SIEBEL: Besenstiel! Du willst uns gar noch grob begegnen? BRANDER: Wart nur, es sollen Schlaege regnen! ALTMAYER (zieht einen Pfropf aus dem Tisch, es springt ihm Feuer entgegen): Ich brenne! ich brenne! Stosst zu! der Kerl ist vogelfrei! (Sie ziehen die Messer und gehn auf Mephistopheles los.) MEPHISTOPHELES (mit ernsthafter Gebaerde): Falsch Gebild und Wort Veraendern Sinn und Ort! Seid hier und dort! (Sie stehn erstaunt und sehn einander an.) ALTMAYER: Wo bin ich? Welches schoene Land! FROSCH: Weinberge! Seh ich recht? SIEBEL: Und Trauben gleich zur Hand! BRANDER: Hier unter diesem gruenen Laube, Seht, welch ein Stock! Seht, welche Traube! (Er fasst Siebeln bei der Nase. Die andern tun es wechselseitig und heben die Messer.) MEPHISTOPHELES (wie oben): Irrtum, lass los der Augen Band! Und merkt euch, wie der Teufel spasse. (Er verschwindet mit Faust, die Gesellen fahren auseinander. SIEBEL: Was gibt s? ALTMAYER: Wie? FROSCH: War das deine Nase? BRANDER (zu Siebel): Und deine hab ich in der Hand! ALTMAYER: Es war ein Schlag, der ging durch alle Glieder! Schafft einen Stuhl, ich sinke nieder! FROSCH: Nein, sagt mir nur, was ist geschehn? FROSCH: Wo ist der Kerl? Wenn ich ihn spuere, Er soll mir nicht lebendig gehn! ALTMAYER: Ich hab ihn selbst hinaus zur Kellertuere- Auf einem Fasse reiten sehn-- Es liegt mir bleischwer in den Fuessen. (Sich nach dem Tische wendend.) Mein! Sollte wohl der Wein noch fliessen? SIEBEL: Betrug war alles, Lug und Schein. FROSCH: Mir deuchte doch, als traenk ich Wein. BRANDER: Aber wie war es mit den Trauben? ALTMAYER: Nun sag mir eins, man soll kein Wunder glauben! Hexenkueche. Auf einem niedrigen Herd steht ein grosser Kessel ueber dem Feuer. In dem Dampfe, der davon in die Hoehe steigt, zeigen sich verschiedene Gestalten. Eine Meerkatze sitzt bei dem Kessel und schaeumt ihn und sorgt, dass er nicht ueberlaeuft. Der Meerkater mit den Jungen sitzt darneben und waermt sich. Waende und Decke sind mit dem seltsamsten Hexenhausrat geschmueckt. Faust. Mephistopheles. FAUST: Mir widersteht das tolle Zauberwesen! Versprichst du mir, ich soll genesen In diesem Wust von Raserei? Verlang ich Rat von einem alten Weibe? Und schafft die Sudelkoecherei Wohl dreissig Jahre mir vom Leibe? Weh mir, wenn du nichts Bessers weisst! Schon ist die Hoffnung mir verschwunden. Hat die Natur und hat ein edler Geist Nicht irgendeinen Balsam ausgefunden? MEPHISTOPHELES: Mein Freund, nun sprichst du wieder klug! Dich zu verjuengen, gibt's auch ein natuerlich Mittel; Allein es steht in einem andern Buch, Und ist ein wunderlich Kapitel. FAUST: Ich will es wissen. MEPHISTOPHELES: Gut! Ein Mittel, ohne Geld Und Arzt und Zauberei zu haben: Begib dich gleich hinaus aufs Feld, Fang an zu hacken und zu graben Erhalte dich und deinen Sinn In einem ganz beschraenkten Kreise, Ernaehre dich mit ungemischter Speise, Leb mit dem Vieh als Vieh, und acht es nicht fuer Raub, Den Acker, den du erntest, selbst zu duengen; Das ist das beste Mittel, glaub, Auf achtzig Jahr dich zu verjuengen! FAUST: Das bin ich nicht gewoehnt, ich kann mich nicht bequemen, Den Spaten in die Hand zu nehmen. Das enge Leben steht mir gar nicht an. MEPHISTOPHELES: So muss denn doch die Hexe dran. FAUST: Warum denn just das alte Weib! Kannst du den Trank nicht selber brauen? MEPHISTOPHELES: Das waer ein schoener Zeitvertreib! Ich wollt indes wohl tausend Bruecken bauen. Nicht Kunst und Wissenschaft allein, Geduld will bei dem Werke sein. Ein stiller Geist ist jahrelang geschaeftig, Die Zeit nur macht die feine Gaerung kraeftig. Und alles, was dazu gehoert, Es sind gar wunderbare Sachen! Der Teufel hat sie's zwar gelehrt; Allein der Teufel kann's nicht machen. (Die Tiere erblickend.) Sieh, welch ein zierliches Geschlecht! Das ist die Magd! das ist der Knecht! (Zu den Tieren.) Es scheint, die Frau ist nicht zu Hause? DIE TIERE: Beim Schmause, Aus dem Haus Zum Schornstein hinaus! MEPHISTOPHELES: Wie lange pflegt sie wohl zu schwaermen? DIE TIERE: So lange wir uns die Pfoten waermen. MEPHISTOPHELES. (zu Faust): Wie findest du die zarten Tiere? FAUST: So abgeschmackt, als ich nur jemand sah! MEPHISTOPHELES: Nein, ein Discours wie dieser da Ist grade der, den ich am liebsten fuehre! (zu den Tieren.) So sagt mir doch, verfluchte Puppen, Was quirlt ihr in dem Brei herum? DIE TIERE: Wir kochen breite Bettelsuppen. MEPHISTOPHELES: Da habt ihr ein gross Publikum. DER KATER (macht sich herbei und schmeichelt dem Mephistopheles): O wuerfle nur gleich, Und mache mich reich, Und lass mich gewinnen! Gar schlecht ist's bestellt, Und waer ich bei Geld, So waer ich bei Sinnen. MEPHISTOPHELES: Wie gluecklich wuerde sich der Affe schaetzen, Koennt er nur auch ins Lotto setzen! (Indessen haben die jungen Meerkaetzchen mit einer grossen Kugel gespielt und rollen sie hervor.) DER KATER: Das ist die Welt; Sie steigt und faellt Und rollt bestaendig; Sie klingt wie Glas- Wie bald bricht das! Ist hohl inwendig. Hier glaenzt sie sehr, Und hier noch mehr: »Ich bin lebendig!« Mein lieber Sohn, Halt dich davon! Du musst sterben! Sie ist von Ton, Es gibt Scherben. MEPHISTOPHELES: Was soll das Sieb? DER KATER (holt es herunter): Waerst du ein Dieb, Wollt ich dich gleich erkennen. (Er lauft zur Kaetzin und laesst sie durchsehen.) Sieh durch das Sieb! Erkennst du den Dieb, Und darfst ihn nicht nennen? MEPHISTOPHELES (sich dem Feuer naehernd): Und dieser Topf? KATER UND KaeTZIN: Der alberne Tropf! Er kennt nicht den Topf, Er kennt nicht den Kessel! MEPHISTOPHELES: Unhoefliches Tier! DER KATER: Den Wedel nimm hier, Und setz dich in Sessel! (Er noetigt den Mephistopheles zu sitzen.) FAUST (welcher diese Zeit ueber vor einem Spiegel gestanden, sich ihm bald genaehert, bald sich von ihm entfernt hat): Was seh ich? Welch ein himmlisch Bild Zeigt sich in diesem Zauberspiegel! O Liebe, leihe mir den schnellsten deiner Fluegel, Und fuehre mich in ihr Gefild! Ach wenn ich nicht auf dieser Stelle bleibe, Wenn ich es wage, nah zu gehn, Kann ich sie nur als wie im Nebel sehn!- Das schoenste Bild von einem Weibe! Ist's moeglich, ist das Weib so schoen? Muss ich an diesem hingestreckten Leibe Den Inbegriff von allen Himmeln sehn? So etwas findet sich auf Erden? MEPHISTOPHELES: Natuerlich, wenn ein Gott sich erst sechs Tage plagt, Und selbst am Ende Bravo sagt, Da muss es was Gescheites werden. Fuer diesmal sieh dich immer satt; Ich weiss dir so ein Schaetzchen auszuspueren, Und selig, wer das gute Schicksal hat, Als Braeutigam sie heim zu fuehren! (Faust sieht immerfort in den Spiegel. Mephistopheles, sich in dem Sessel dehnend und mit dem Wedel spielend, faehrt fort zu sprechen.) Hier sitz ich wie der Koenig auf dem Throne, Den Zepter halt ich hier, es fehlt nur noch die Krone. DIE TIERE (welche bisher allerlei wunderliche Bewegungen durcheinander gemacht haben, bringen dem Mephistopheles eine Krone mit grossem Geschrei): O sei doch so gut, Mit Schweiss und mit Blut Die Krone zu leimen! (Sie gehn ungeschickt mit der Krone um und zerbrechen sie in zwei Stuecke, mit welchen sie herumspringen.) Nun ist es geschehn! Wir reden und sehn, Wir hoeren und reimen- FAUST (gegen den Spiegel): Weh mir! ich werde schier verrueckt. MEPHISTOPHELES (auf die Tiere deutend): Nun faengt mir an fast selbst der Kopf zu schwanken. DIE TIERE: Und wenn es uns glueckt, Und wenn es sich schickt, So sind es Gedanken! FAUST (wie oben): Mein Busen faengt mir an zu brennen! Entfernen wir uns nur geschwind! MEPHISTOPHELES (in obiger Stellung): Nun, wenigstens muss man bekennen, Dass es aufrichtige Poeten sind. (Der Kessel, welchen die Katzin bisher ausser acht gelassen, faengt an ueberzulaufen, es entsteht eine grosse Flamme, welche zum Schornstein hinaus schlaegt. Die Hexe kommt durch die Flamme mit entsetzlichem Geschrei herunter gefahren.) DIE HEXE: Au! Au! Au! Au! Verdammtes Tier! verfluchte Sau! Versaeumst den Kessel, versengst die Frau! Verfluchtes Tier! (Faust und Mephistopheles erblickend.) Was ist das hier? Wer seid ihr hier? Was wollt ihr da? Wer schlich sich ein? Die Feuerpein Euch ins Gebein! (Sie fahrt mit dem Schaumloeffel in den Kessel und spritzt Flammen nach Faust, Mephistopheles und den Tieren. Die Tiere winseln.) MEPHISTOPHELES (welcher den Wedel, den er in der Hand haelt, umkehrt und unter die Glaeser und Toepfe schlaegt): Entzwei! entzwei! Da liegt der Brei! Da liegt das Glas! Es ist nur Spass, Der Takt, du Aas, Zu deiner Melodei. (Indem die Hexe voll Grimm und Entsetzen zuruecktritt.) Erkennst du mich? Gerippe! Scheusal du! Erkennst du deinen Herrn und Meister? Was haelt mich ab, so schlag ich zu, Zerschmettre dich und deine Katzengeister! Hast du vorm roten Wams nicht mehr Respekt? Kannst du die Hahnenfeder nicht erkennen? Hab ich dies Angesicht versteckt? Soll ich mich etwa selber nennen? DIE HEXE: O Herr, verzeiht den rohen Gruss! Seh ich doch keinen Pferdefuss. Wo sind denn Eure beiden Raben? MEPHISTOPHELES: Fuer diesmal kommst du so davon; Denn freilich ist es eine Weile schon, Dass wir uns nicht gesehen haben. Auch die Kultur, die alle Welt beleckt, Hat auf den Teufel sich erstreckt; Das nordische Phantom ist nun nicht mehr zu schauen; Wo siehst du Hoerner, Schweif und Klauen? Und was den Fuss betrifft, den ich nicht missen kann, Der wuerde mir bei Leuten schaden; Darum bedien ich mich, wie mancher junge Mann, Seit vielen Jahren falscher Waden. DIE HEXE (tanzend): Sinn und Verstand verlier ich schier, Seh ich den Junker Satan wieder hier! MEPHISTOPHELES: Den Namen, Weib, verbitt ich mir! DIE HEXE: Warum? Was hat er Euch getan? MEPHISTOPHELES: Er ist schon lang ins Fabelbuch geschrieben; Allein die Menschen sind nichts besser dran, Den Boesen sind sie los, die Boesen sind geblieben. Du nennst mich Herr Baron, so ist die Sache gut; Ich bin ein Kavalier, wie andre Kavaliere. Du zweifelst nicht an meinem edlen Blut; Sieh her, das ist das Wappen, das ich fuehre! (Er macht eine unanstaendige Gebaerde.) DIE HEXE (lacht unmaessig): Ha! Ha! Das ist in Eurer Art! Ihr seid ein Schelm, wie Ihr nur immer wart! MEPHISTOPHELES (zu Faust): Mein Freund, das lerne wohl verstehn! Dies ist die Art, mit Hexen umzugehn. DIE HEXE: Nun sagt, ihr Herren, was ihr schafft. MEPHISTOPHELES: Ein gutes Glas von dem bekannten Saft! Doch muss ich Euch ums aeltste bitten; Die Jahre doppeln seine Kraft. DIE HEXE: Gar gern! Hier hab ich eine Flasche, Aus der ich selbst zuweilen nasche, Die auch nicht mehr im mindsten stinkt; Ich will euch gern ein Glaeschen geben. (Leise.) Doch wenn es dieser Mann unvorbereitet trinkt So kann er, wisst Ihr wohl, nicht eine Stunde leben. MEPHISTOPHELES: Es ist ein guter Freund, dem es gedeihen soll; Ich goenn ihm gern das Beste deiner Kueche. Zieh deinen Kreis, sprich deine Sprueche, Und gib ihm eine Tasse voll! (Die Hexe, mit seltsamen Gebaerden, zieht einen Kreis und stellt wunderbare Sachen hinein; indessen fangen die Glaeser an zu klingen, die Kessel zu toenen, und machen Musik. Zuletzt bringt sie ein grosses Buch, stellt die Meerkatzen in den Kreis, die ihr zum Pult dienen und die Fackel halten muessen. Sie winkt Fausten, zu ihr zu treten.) FAUST (zu Mephistopheles): Nein, sage mir, was soll das werden? Das tolle Zeug, die rasenden Gebaerden, Der abgeschmackteste Betrug, Sind mir bekannt, verhasst genug. MEPHISTOPHELES: Ei Possen! Das ist nur zum Lachen; Sei nur nicht ein so strenger Mann! Sie muss als Arzt ein Hokuspokus machen, Damit der Saft dir wohl gedeihen kann. (Er noetigt Fausten, in den Kreis zu treten.) DIE HEXE (mit grosser Emphase faengt an, aus dem Buche zu deklamieren): Du musst verstehn! Aus Eins mach Zehn, Und Zwei lass gehn, Und Drei mach gleich, So bist du reich. Verlier die Vier! Aus Fuenf und Sechs, So sagt die Hex, Mach Sieben und Acht, So ist's vollbracht: Und Neun ist Eins, Und Zehn ist keins. Das ist das Hexen-Einmaleins! FAUST: Mich duenkt, die Alte spricht im Fieber. MEPHISTOPHELES: Das ist noch lange nicht vorueber, Ich kenn es wohl, so klingt das ganze Buch; Ich habe manche Zeit damit verloren, Denn ein vollkommner Widerspruch Bleibt gleich geheimnisvoll fuer Kluge wie fuer Toren. Mein Freund, die Kunst ist alt und neu. Es war die Art zu allen Zeiten, Durch Drei und Eins, und Eins und Drei Irrtum statt Wahrheit zu verbreiten. So schwaetzt und lehrt man ungestoert; Wer will sich mit den Narrn befassen? Gewoehnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hoert, Es muesse sich dabei doch auch was denken lassen. DIE HEXE (faehrt fort): Die hohe Kraft Der Wissenschaft, Der ganzen Welt verborgen! Und wer nicht denkt, Dem wird sie geschenkt, Er hat sie ohne Sorgen. FAUST: Was sagt sie uns fuer Unsinn vor? Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen. Mich duenkt, ich hoer ein ganzes Chor Von hunderttausend Narren sprechen. MEPHISTOPHELES: Genug, genug, o treffliche Sibylle! Gib deinen Trank herbei, und fuelle Die Schale rasch bis an den Rand hinan; Denn meinem Freund wird dieser Trunk nicht schaden: Er ist ein Mann von vielen Graden, Der manchen guten Schluck getan. (Die Hexe, mit vielen Zeremonien, schenkt den Trank in eine Schale, wie sie Faust an den Mund bringt, entsteht eine leichte Flamme.) Nur frisch hinunter! Immer zu! Es wird dir gleich das Herz erfreuen. Bist mit dem Teufel du und du, Und willst dich vor der Flamme scheuen? (Die Hexe loest den Kreis. Faust tritt heraus.) Nun frisch hinaus! Du darfst nicht ruhn. DIE HEXE: Moeg Euch das Schlueckchen wohl behagen! MEPHISTOPHELES (zur Hexe): Und kann ich dir was zu Gefallen tun, So darfst du mir's nur auf Walpurgis sagen. DIE HEXE: Hier ist ein Lied! wenn Ihr's zuweilen singt, So werdet Ihr besondre Wirkung spueren. MEPHISTOPHELES (zu Faust): Komm nur geschwind und lass dich fuehren; Du musst notwendig transpirieren, Damit die Kraft durch Inn- und Aeussres dringt. Den edlen Muessiggang lehr ich hernach dich schaetzen, Und bald empfindest du mit innigem Ergetzen, Wie sich Cupido regt und hin und wider springt. FAUST: Lass mich nur schnell noch in den Spiegel schauen! Das Frauenbild war gar zu schoen! MEPHISTOPHELES: Nein! Nein! Du sollst das Muster aller Frauen Nun bald leibhaftig vor dir sehn. (Leise.) Du siehst, mit diesem Trank im Leibe, Bald Helenen in jedem Weibe. Strasse (I) Faust. Margarete voruebergehend. FAUST: Mein schoenes Fraeulein, darf ich wagen, Meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen? MARGARETE: Bin weder Fraeulein, weder schoen, Kann ungeleitet nach Hause gehn. (Sie macht sich los und ab.) FAUST: Beim Himmel, dieses Kind ist schoen! So etwas hab ich nie gesehn. Sie ist so sitt- und tugendreich, Und etwas schnippisch doch zugleich. Der Lippe Rot, der Wange Licht, Die Tage der Welt vergess ich's nicht! Wie sie die Augen niederschlaegt, Hat tief sich in mein Herz gepraegt; Wie sie kurz angebunden war, Das ist nun zum Entzuecken gar! Mephistopheles tritt auf. FAUST: Hoer, du musst mir die Dirne schaffen! MEPHISTOPHELES: Nun, welche? FAUST: Sie ging just vorbei. MEPHISTOPHELES: Da die? Sie kam von ihrem Pfaffen, Der sprach sie aller Suenden frei Ich schlich mich hart am Stuhl vorbei, Es ist ein gar unschuldig Ding, Das eben fuer nichts zur Beichte ging; Ueber die hab ich keine Gewalt! FAUST: Ist ueber vierzehn Jahr doch alt. MEPHISTOPHELES: Du sprichst ja wie Hans Liederlich, Der begehrt jede liebe Blum fuer sich, Und duenkelt ihm, es waer kein Ehr Und Gunst, die nicht zu pfluecken waer; Geht aber doch nicht immer an. FAUST: Mein Herr Magister Lobesan, Lass Er mich mit dem Gesetz in Frieden! Und das sag ich Ihm kurz und gut: Wenn nicht das suesse junge Blut Heut Nacht in meinen Armen ruht, So sind wir um Mitternacht geschieden. MEPHISTOPHELES: Bedenkt, was gehn und stehen mag! Ich brauche wenigstens vierzehn Tag, Nur die Gelegenheit auszuspueren. FAUST: Haett ich nur sieben Stunden Ruh, Brauchte den Teufel nicht dazu So ein Geschoepfchen zu verfuehren. MEPHISTOPHELES: Ihr sprecht schon fast wie ein Franzos; Doch bitt ich, lasst's Euch nicht verdriessen: Was hilft's, nur grade zu geniessen? Die Freud ist lange nicht so gross, Als wenn Ihr erst herauf, herum Durch allerlei Brimborium, Das Pueppchen geknetet und zugericht't Wie's lehret manche welsche Geschicht. FAUST: Hab Appetit auch ohne das. MEPHISTOPHELES: Jetzt ohne Schimpf und ohne Spass: Ich sag Euch, mit dem schoenen Kind Geht's ein fuer allemal nicht geschwind. Mit Sturm ist da nichts einzunehmen; Wir muessen uns zur List bequemen. FAUST: Schaff mir etwas vom Engelsschatz! Fuehr mich an ihren Ruheplatz! Schaff mir ein Halstuch von ihrer Brust, Ein Strumpfband meiner Liebeslust! MEPHISTOPHELES: Damit Ihr seht, dass ich Eurer Pein Will foerderlich und dienstlich sein' Wollen wir keinen Augenblick verlieren, Will Euch noch heut in ihr Zimmer fuehren. FAUST: Und soll sie sehn? sie haben? MEPHISTOPHELES: Nein! Sie wird bei einer Nachbarin sein. Indessen koennt Ihr ganz allein An aller Hoffnung kuenft'ger Freuden In ihrem Dunstkreis satt Euch weiden. FAUST: Koennen wir hin? MEPHISTOPHELES: Es ist noch zu frueh. FAUST: Sorg du mir fuer ein Geschenk fuer sie! (Ab.) MEPHISTOPHELES: Gleich schenken? Das ist brav! Da wird er reuessieren! Ich kenne manchen schoenen Platz Und manchen altvergrabnen Schatz; Ich muss ein bisschen revidieren. (Ab.) Abend. Ein kleines reinliches Zimmer Margarete ihre Zoepfe flechtend und aufbindend. Ich gaeb was drum, wenn ich nur wuesst, Wer heut der Herr gewesen ist! Er sah gewiss recht wacker aus Und ist aus einem edlen Haus; Das konnt ich ihm an der Stirne lesen- Er waer auch sonst nicht so keck gewesen. (Ab.) MEPHISTOPHELES: Herein, ganz leise, nur herein! FAUST (nach einigem Stillschweigen): Ich bitte dich, lass mich allein! MEPHISTOPHELES (herumspuerend): Nicht jedes Maedchen haelt so rein. (Ab.) FAUST (rings aufschauend): Willkommen, suesser Daemmerschein, Der du dies Heiligtum durchwebst! Ergreif mein Herz, du suesse Liebespein, Die du vom Tau der Hoffnung schmachtend lebst! Wie atmet rings Gefuehl der Stille, Der Ordnung, der Zufriedenheit! In dieser Armut welche Fuelle! In diesem Kerker welche Seligkeit! (Er wirft sich auf den ledernen Sessel am Bette.) O nimm mich auf, der du die Vorwelt schon Bei Freud und Schmerz im offnen Arm empfangen! Wie oft, ach! hat an diesem Vaeterthron Schon eine Schar von Kindern rings gehangen! Vielleicht hat, dankbar fuer den heil'gen Christ Mein Liebchen hier, mit vollen Kinderwangen, Dem Ahnherrn fromm die welke Hand gekuesst. Ich fuehl o Maedchen, deinen Geist Der Fuell und Ordnung um mich saeuseln, Der muetterlich dich taeglich unterweist Den Teppich auf den Tisch dich reinlich breiten heisst, Sogar den Sand zu deinen Fuessen kraeuseln. O liebe Hand! so goettergleich! Die Huette wird durch dich ein Himmelreich. Und hier! (Er hebt einen Bettvorhang auf.) Was fasst mich fuer ein Wonnegraus! Hier moecht ich volle Stunden saeumen. Natur, hier bildetest in leichten Traeumen Den eingebornen Engel aus! Hier lag das Kind! mit warmem Leben Den zarten Busen angefuellt, Und hier mit heilig reinem Weben Entwirkte sich das Goetterbild! Und du! Was hat dich hergefuehrt? Wie innig fuehl ich mich geruehrt! Was willst du hier? Was wird das Herz dir schwer? Armsel'ger Faust! ich kenne dich nicht mehr. Umgibt mich hier ein Zauberduft? Mich drang's, so grade zu geniessen, Und fuehle mich in Liebestraum zerfliessen! Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft? Und traete sie den Augenblick herein, Wie wuerdest du fuer deinen Frevel buessen! Der grosse Hans, ach wie so klein! Laeg, hingeschmolzen, ihr zu Fuessen. MEPHISTOPHELES (kommt): Geschwind! ich seh sie unten kommen. FAUST: Fort! Fort! Ich kehre nimmermehr! MEPHISTOPHELES: Hier ist ein Kaestchen leidlich schwer, Ich hab's wo anders hergenommen. Stellt's hier nur immer in den Schrein, Ich schwoer Euch, ihr vergehn die Sinnen; Ich tat Euch Saechelchen hinein, Um eine andre zu gewinnen. Zwar Kind ist Kind, und Spiel ist Spiel. FAUST: Ich weiss nicht, soll ich? MEPHISTOPHELES: Fragt Ihr viel? Meint Ihr vielleicht den Schatz zu wahren? Dann rat ich Eurer Luesternheit, Die liebe schoene Tageszeit Und mir die weitre Mueh zu sparen. Ich hoff nicht, dass Ihr geizig seid! Ich kratz den Kopf, reib an den Haenden (Er stellt das Kaestchen in den Schrein und drueckt das Schloss wieder zu.) Nur fort! geschwind! Um Euch das suesse junge Kind Nach Herzens Wunsch und Will zu wenden; Und Ihr seht drein Als solltet Ihr in den Hoersaal hinein, Als stuenden grau leibhaftig vor Euch da Physik und Metaphysika! Nur fort! (Ab.) Margarete mit einer Lampe. Es ist so schwuel, so dumpfig hie (sie macht das Fenster auf) Und ist doch eben so warm nicht drauss. Es wird mir so, ich weiss nicht wie- Ich wollt, die Mutter kaem nach Haus. Mir laeuft ein Schauer uebern ganzen Leib- Bin doch ein toericht furchtsam Weib! (sie faengt an zu singen, indem sie sich auszieht.) Es war ein Koenig in Thule Gar treu bis an das Grab, Dem sterbend seine Buhle Einen goldnen Becher gab. Es ging ihm nichts darueber, Er leert ihn jeden Schmaus; Die Augen gingen ihm ueber, Sooft er trank daraus. Und als er kam zu sterben, Zaehlt er seine Staedt im Reich, Goennt alles seinem Erben, Den Becher nicht zugleich. Er sass beim Koenigsmahle, Die Ritter um ihn her, Auf hohem Vaetersaale, Dort auf dem Schloss am Meer. Dort stand der alte Zecher, Trank letzte Lebensglut Und warf den heiligen Becher Hinunter in die Flut. Er sah ihn stuerzen, trinken Und sinken tief ins Meer, Die Augen taeten ihm sinken, Trank nie einen Tropfen mehr. (Sie eroeffnet den Schrein, ihre Kleider einzuraeumen, und erblickt das Schmuckkaestchen.) Wie kommt das schoene Kaestchen hier herein? Ich schloss doch ganz gewiss den Schrein. Es ist doch wunderbar! Was mag wohl drinne sein? Vielleicht bracht's jemand als ein Pfand, Und meine Mutter lieh darauf. Da haengt ein Schluesselchen am Band Ich denke wohl, ich mach es auf! Was ist das? Gott im Himmel! Schau, So was hab ich mein Tage nicht gesehn! Ein Schmuck! Mit dem koennt eine Edelfrau Am hoechsten Feiertage gehn. Wie sollte mir die Kette stehn? Wem mag die Herrlichkeit gehoeren? (Sie putzt sich damit auf und tritt vor den Spiegel.) Wenn nur die Ohrring meine waeren! Man sieht doch gleich ganz anders drein. Was hilft euch Schoenheit, junges Blut? Das ist wohl alles schoen und gut, Allein man laesst's auch alles sein; Man lobt euch halb mit Erbarmen. Nach Golde draengt, Am Golde haengt Doch alles. Ach wir Armen! Spaziergang Faust in Gedanken auf und ab gehend. Zu ihm Mephistopheles. MEPHISTOPHELES: Bei aller verschmaehten Liebe! Beim hoellischen Elemente! Ich wollt, ich wuesste was Aergers, dass ich's fluchen koennte! FAUST: Was hast? was kneipt dich denn so sehr? So kein Gesicht sah ich in meinem Leben! MEPHISTOPHELES: Ich moecht mich gleich dem Teufel uebergeben, Wenn ich nur selbst kein Teufel waer! FAUST: Hat sich dir was im Kopf verschoben? Dich kleidet's wie ein Rasender zu toben! MEPHISTOPHELES: Denkt nur, den Schmuck, fuer Gretchen angeschafft, Den hat ein Pfaff hinweggerafft! Die Mutter kriegt das Ding zu schauen Gleich faengt's ihr heimlich an zu grauen, Die Frau hat gar einen feinen Geruch, Schnuffelt immer im Gebetbuch Und riecht's einem jeden Moebel an, Ob das Ding heilig ist oder profan; Und an dem Schmuck da spuert, sie's klar, Dass dabei nicht viel Segen war. »Mein Kind«, rief sie, »ungerechtes Gut Befaengt die Seele, zehrt auf das Blut. Wollen's der Mutter Gottes weihen, Wird uns mit Himmelsmanna erfreuen!« Margretlein zog ein schiefes Maul, Ist halt, dacht sie, ein geschenkter Gaul, Und wahrlich! gottlos ist nicht der, Der ihn so fein gebracht hierher. Die Mutter liess einen Pfaffen kommen; Der hatte kaum den Spass vernommen, Liess sich den Anblick wohl behagen. Er sprach: »So ist man recht gesinnt! Wer ueberwindet, der gewinnt. Die Kirche hat einen guten Magen, Hat ganze Laender aufgefressen Und doch noch nie sich uebergessen; Die Kirch allein, meine lieben Frauen, Kann ungerechtes Gut verdauen.« FAUST: Das ist ein allgemeiner Brauch, Ein Jud und Koenig kann es auch. MEPHISTOPHELES: Strich drauf ein Spange, Kett und Ring', Als waeren's eben Pfifferling', Dankt' nicht weniger und nicht mehr, Als ob's ein Korb voll Nuesse waer, Versprach ihnen allen himmlischen Lohn- Und sie waren sehr erbaut davon. FAUST: Und Gretchen? MEPHISTOPHELES: Sitzt nun unruhvoll, Weiss weder, was sie will noch soll, Denkt ans Geschmeide Tag und Nacht, Noch mehr an den, der's ihr gebracht. FAUST: Des Liebchens Kummer tut mir leid. Schaff du ihr gleich ein neu Geschmeid! Am ersten war ja so nicht viel. MEPHISTOPHELES: O ja, dem Herrn ist alles Kinderspiel! FAUST: Und mach, und richt's nach meinem Sinn, Haeng dich an ihre Nachbarin! Sei, Teufel, doch nur nicht wie Brei, Und schaff einen neuen Schmuck herbei! MEPHISTOPHELES: Ja, gnaed'ger Herr, von Herzen gerne. (Faust ab.) So ein verliebter Tor verpufft Euch Sonne, Mond und alle Sterne Zum Zeitvertreib dem Liebchen in die Luft. (Ab.) Der Nachbarin Haus Marthe allein. Gott verzeih's meinem lieben Mann, Er hat an mir nicht wohl getan! Geht da stracks in die Welt hinein Und laesst mich auf dem Stroh allein. Taet ihn doch wahrlich nicht betrueben, Taet ihn, weiss Gott, recht herzlich lieben. (Sie weint.) Vielleicht ist er gar tot!- O Pein!- Haett ich nur einen Totenschein! Margarete kommt. MARGARETE: Frau Marthe! MARTHE: Gretelchen, was soll's? MARGARETE: Fast sinken mir die Kniee nieder! Da find ich so ein Kaestchen wieder In meinem Schrein, von Ebenholz, Und Sachen herrlich ganz und gar, Weit reicher, als das erste war. MARTHE: Das muss Sie nicht der Mutter sagen; Taet's wieder gleich zur Beichte tragen. MARGARETE: Ach seh Sie nur! ach schau Sie nur! MARTHE (putzt sie auf): O du gluecksel'ge Kreatur! MARGARETE: Darf mich, leider, nicht auf der Gassen Noch in der Kirche mit sehen lassen. MARTHE: Komm du nur oft zu mir herueber, Und leg den Schmuck hier heimlich an; Spazier ein Stuendchen lang dem Spiegelglas vorueber, Wir haben unsre Freude dran; Und dann gibt's einen Anlass, gibt's ein Fest, Wo man's so nach und nach den Leuten sehen laesst. Ein Kettchen erst, die Perle dann ins Ohr; Die Mutter sieht's wohl nicht, man macht ihr auch was vor. MARGARETE: Wer konnte nur die beiden Kaestchen bringen? Es geht nicht zu mit rechten Dingen! (Es klopft.) Ach Gott! mag das meine Mutter sein? MARTHE (durchs Vorhaengel guckend): Es ist ein fremder Herr- Herein! Mephistopheles tritt auf. MEPHISTOPHELES: Bin so frei, grad hereinzutreten, Muss bei den Frauen Verzeihn erbeten. (Tritt ehrerbietig vor Margareten zurueck.) Wollte nach Frau Marthe Schwerdtlein fragen! MARTHE: Ich bin's, was hat der Herr zu sagen? MEPHISTOPHELES (leise zu ihr): Ich kenne Sie jetzt, mir ist das genug; Sie hat da gar vornehmen Besuch. Verzeiht die Freiheit, die ich genommen, Will Nachmittage wiederkommen. MARTHE (lacht): Denk, Kind, um alles in der Welt! Der Herr dich fuer ein Fraeulein haelt. MARGARETE: Ich bin ein armes junges Blut; Ach Gott! der Herr ist gar zu gut: Schmuck und Geschmeide sind nicht mein. MEPHISTOPHELES: Ach, es ist nicht der Schmuck allein; Sie hat ein Wesen, einen Blick so scharf! Wie freut mich's, dass ich bleiben darf. MARTHE: Was bringt Er denn? Verlange sehr- MEPHISTOPHELES: Ich wollt, ich haett eine frohere Maer!- Ich hoffe, Sie laesst mich's drum nicht buessen: Ihr Mann ist tot und laesst Sie gruessen. MARTHE: Ist tot? das treue Herz! O weh! Mein Mann ist tot! Ach ich vergeh! MARGARETE: Ach! liebe Frau, verzweifelt nicht! MEPHISTOPHELES: So hoert die traurige Geschicht! MARGARETE: Ich moechte drum mein' Tag' nicht lieben, Wuerde mich Verlust zu Tode betrueben. MEPHISTOPHELES: Freud muss Leid, Leid muss Freude haben. MARTHE: Erzaehlt mir seines Lebens Schluss! MEPHISTOPHELES: Er liegt in Padua begraben Beim heiligen Antonius An einer wohlgeweihten Staette Zum ewig kuehlen Ruhebette. MARTHE: Habt Ihr sonst nichts an mich zu bringen? MEPHISTOPHELES: Ja, eine Bitte, gross und schwer: Lass Sie doch ja fuer ihn dreihundert Messen singen! Im uebrigen sind meine Taschen leer. MARTHE: Was! nicht ein Schaustueck? kein Geschmeid? Was jeder Handwerksbursch im Grund des Saeckels spart, Zum Angedenken aufbewahrt, Und lieber hungert, lieber bettelt! MEPHISTOPHELES: Madam, es tut mir herzlich leid; Allein er hat sein Geld wahrhaftig nicht verzettelt. Auch er bereute seine Fehler sehr, Ja, und bejammerte sein Unglueck noch viel mehr. MARGARETE: Ach! dass die Menschen so ungluecklich sind! Gewiss, ich will fuer ihn manch Requiem noch beten. MEPHISTOPHELES: Ihr waeret wert, gleich in die Eh zu treten: Ihr seid ein liebenswuerdig Kind. MARGARETE: Ach nein, das geht jetzt noch nicht an. MEPHISTOPHELES: Ist's nicht ein Mann, sei's derweil ein Galan. 's ist eine der groessten Himmelsgaben, So ein lieb Ding im Arm zu haben. MARGARETE: Das ist des Landes nicht der Brauch. MEPHISTOPHELES: Brauch oder nicht! Es gibt sich auch. MARTHE: Erzaehlt mir doch! MEPHISTOPHELES: Ich stand an seinem Sterbebette, Es war was besser als von Mist, Von halbgefaultem Stroh; allein er starb als Christ Und fand, dass er weit mehr noch auf der Zeche haette. »Wie«, rief er, »muss ich mich von Grund aus hassen, So mein Gewerb, mein Weib so zu verlassen! Ach, die Erinnrung toetet mich Vergaeb sie mir nur noch in diesem Leben!« MARTHE (weinend): Der gute Mann! ich hab ihm laengst vergeben. MEPHISTOPHELES: »Allein, weiss Gott! sie war mehr schuld als ich.« MARTHE: Das luegt er! Was! am Rand des Grabs zu luegen! MEPHISTOPHELES: Er fabelte gewiss in letzten Zuegen, Wenn ich nur halb ein Kenner bin. »Ich hatte«, sprach er, »nicht zum Zeitvertreib zu gaffen Erst Kinder, und dann Brot fuer sie zu schaffen, Und Brot im allerweitsten Sinn, Und konnte nicht einmal mein Teil in Frieden essen.« MARTHE: Hat er so aller Treu, so aller Lieb vergessen, Der Plackerei bei Tag und Nacht! MEPHISTOPHELES: Nicht doch, er hat Euch herzlich dran gedacht. Er sprach: »Als ich nun weg von Malta ging Da betet ich fuer Frau und Kinder bruenstig; Uns war denn auch der Himmel guenstig, Dass unser Schiff ein tuerkisch Fahrzeug fing, Das einen Schatz des grossen Sultans fuehrte. Da ward der Tapferkeit ihr Lohn, Und ich empfing denn auch, wie sich's gebuehrte, Mein wohlgemessnes Teil davon.« MARTHE: Ei wie? Ei wo? Hat er's vielleicht vergraben? MEPHISTOPHELES: Wer weiss, wo nun es die vier Winde haben. Ein schoenes Fraeulein nahm sich seiner an, Als er in Napel fremd umherspazierte; Sie hat an ihm viel Liebs und Treus getan, Dass er's bis an sein selig Ende spuerte. MARTHE: Der Schelm! der Dieb an seinen Kindern! Auch alles Elend, alle Not Konnt nicht sein schaendlich Leben hindern! MEPHISTOPHELES: Ja seht! dafuer ist er nun tot. Waer ich nun jetzt an Eurem Platze, Betraurt ich ihn ein zuechtig Jahr, Visierte dann unterweil nach einem neuen Schatze. MARTHE: Ach Gott! wie doch mein erster war, Find ich nicht leicht auf dieser Welt den andern! Es konnte kaum ein herziger Naerrchen sein. Er liebte nur das allzuviele Wandern Und fremde Weiber und fremden Wein Und das verfluchte Wuerfelspiel. MEPHISTOPHELES: Nun, nun, so konnt es gehn und stehen, Wenn er Euch ungefaehr so viel Von seiner Seite nachgesehen. Ich schwoer Euch zu, mit dem Beding Wechselt ich selbst mit Euch den Ring! MARTHE: O es beliebt dem Herrn zu scherzen! MEPHISTOPHELES (fuer sich): Nun mach ich mich beizeiten fort! Die hielte wohl den Teufel selbst beim Wort. (Zu Gretchen.) Wie steht es denn mit Ihrem Herzen? MARGARETE: Was meint der Herr damit? MEPHISTOPHELES (fuer sich): Du guts, unschuldigs Kind! (Laut.) Lebt wohl, ihr Fraun! MARGARETE: Lebt wohl! MARTHE: O sagt mir doch geschwind! Ich moechte gern ein Zeugnis haben, Wo, wie und wann mein Schatz gestorben und begraben. Ich bin von je der Ordnung Freund gewesen, Moecht, ihn auch tot im Wochenblaettchen lesen. MEPHISTOPHELES: Ja, gute Frau, durch zweier Zeugen Mund Wird allerwegs die Wahrheit kund; Habe noch gar einen feinen Gesellen, Den will ich Euch vor den Richter stellen. Ich bring ihn her. MARTHE: O tut das ja! MEPHISTOPHELES: Und hier die Jungfrau ist auch da? Ein braver Knab! ist viel gereist, Fraeuleins alle Hoeflichkeit erweist. MARGARETE: Muesste vor dem Herren schamrot werden. MEPHISTOPHELES: Vor keinem Koenige der Erden. MARTHE: Da hinterm Haus in meinem Garten Wollen wir der Herren heut abend warten. Strasse (II) Faust. Mephistopheles. FAUST: Wie ist's? Will's foerdern? Will's bald gehn? MEPHISTOPHELES: Ah bravo! Find ich Euch in Feuer? In kurzer Zeit ist Gretchen Euer. Heut abend sollt Ihr sie bei Nachbar' Marthen sehn: Das ist ein Weib wie auserlesen Zum Kuppler- und Zigeunerwesen! FAUST: So recht! MEPHISTOPHELES: Doch wird auch was von uns begehrt. FAUST: Ein Dienst ist wohl des andern wert. MEPHISTOPHELES: Wir legen nur ein gueltig Zeugnis nieder, Dass ihres Ehherrn ausgereckte Glieder In Padua an heil'ger Staette ruhn. FAUST: Sehr klug! Wir werden erst die Reise machen muessen! MEPHISTOPHELES: Sancta Simplicitas! darum ist's nicht zu tun; Bezeugt nur, ohne viel zu wissen. FAUST: Wenn Er nichts Bessers hat, so ist der Plan zerrissen. MEPHISTOPHELES: O heil'ger Mann! Da waert Ihr's nun! Ist es das erstemal in eurem Leben, Dass Ihr falsch Zeugnis abgelegt? Habt Ihr von Gott, der Welt und was sich drin bewegt, Vom Menschen, was sich ihm in den Kopf und Herzen regt, Definitionen nicht mit grosser Kraft gegeben? Mit frecher Stirne, kuehner Brust? Und wollt Ihr recht ins Innre gehen, Habt Ihr davon, Ihr muesst es grad gestehen, So viel als von Herrn Schwerdtleins Tod gewusst! FAUST: Du bist und bleibst ein Luegner, ein Sophiste. MEPHISTOPHELES: Ja, wenn man's nicht ein bisschen tiefer wuesste. Denn morgen wirst, in allen Ehren, Das arme Gretchen nicht betoeren Und alle Seelenlieb ihr schwoeren? FAUST: Und zwar von Herzen. MEPHISTOPHELES: Gut und schoen! Dann wird von ewiger Treu und Liebe, von einzig ueberallmaecht'gem Triebe- Wird das auch so von Herzen gehn? FAUST: Lass das! Es wird!- Wenn ich empfinde, Fuer das Gefuehl, fuer das Gewuehl Nach Namen suche, keinen finde, Dann durch die Welt mit allen Sinnen schweife, Nach allen hoechsten Worten greife, Und diese Glut, von der ich brenne, Unendlich, ewig, ewig nenne, Ist das ein teuflisch Luegenspiel? MEPHISTOPHELES: Ich hab doch recht! FAUST: Hoer! merk dir dies- Ich bitte dich, und schone meine Lunge-: Wer recht behalten will und hat nur eine Zunge, Behaelt's gewiss. Und komm, ich hab des Schwaetzens Ueberdruss, Denn du hast recht, vorzueglich weil ich muss. Garten Margarete an Faustens Arm, Marthe mit Mephistopheles auf und ab spazierend. MARGARETE: Ich fuehl es wohl, dass mich der Herr nur schont, Herab sich laesst, mich zu beschaemen. Ein Reisender ist so gewohnt, Aus Guetigkeit fuerliebzunehmen; Ich weiss zu gut, dass solch erfahrnen Mann Mein arm Gespraech nicht unterhalten kann. FAUST: Ein Blick von dir, ein Wort mehr unterhaelt Als alle Weisheit dieser Welt. (Er kuesst ihre Hand.) MARGARETE: Inkommodiert Euch nicht! Wie koennt Ihr sie nur kuessen? Sie ist so garstig, ist so rauh! Was hab ich nicht schon alles schaffen muessen! Die Mutter ist gar zu genau. (Gehn vorueber.) MARTHE: Und Ihr, mein Herr, Ihr reist so immer fort? MEPHISTOPHELES: Ach, dass Gewerb und Pflicht uns dazu treiben! Mit wieviel Schmerz verlaesst man manchen Ort Und darf doch nun einmal nicht bleiben! MARTHE: In raschen Jahren geht's wohl an So um und um frei durch die Welt zu streifen; Doch koemmt die boese Zeit heran, Und sich als Hagestolz allein zum Grab zu schleifen, Das hat noch keinem wohlgetan. MEPHISTOPHELES: Mit Grausen seh ich das von weiten. MARTHE: Drum, werter Herr, beratet Euch in Zeiten. (Gehn vorueber.) MARGARETE: Ja, aus den Augen, aus dem Sinn! Die Hoeflichkeit ist Euch gelaeufig; Allein Ihr habt der Freunde haeufig, Sie sind verstaendiger, als ich bin. FAUST: O Beste! glaube, was man so verstaendig nennt, Ist oft mehr Eitelkeit und Kurzsinn. MARGARETE: Wie? FAUST: Ach, dass die Einfalt, dass die Unschuld nie Sich selbst und ihren heil'gen Wert erkennt! Dass Demut Niedrigkeit, die hoechsten Gaben Der liebevoll austeilenden Natur- MARGARETE: Denkt Ihr an mich ein Augenblickchen nur, Ich werde Zeit genug an Euch zu denken haben. FAUST: Ihr seid wohl viel allein? MARGARETE: Ja, unsre Wirtschaft ist nur klein, Und doch will sie versehen sein. Wir haben keine Magd; muss kochen, fegen, stricken Und naehn und laufen frueh und spat; Und meine Mutter ist in allen Stuecken So akkurat! Nicht dass sie just so sehr sich einzuschraenken hat; Wir koennten uns weit eh'r als andre regen: Mein Vater hinterliess ein huebsch Vermoegen, Ein Haeuschen und ein Gaertchen vor der Stadt. Doch hab ich jetzt so ziemlich stille Tage: Mein Bruder ist Soldat, Mein Schwesterchen ist tot. Ich hatte mit dem Kind wohl meine liebe Not; Doch uebernaehm ich gern noch einmal alle Plage, So lieb war mir das Kind. FAUST: Ein Engel, wenn dir's glich. MARGARETE: Ich zog es auf, und herzlich liebt es mich. Es war nach meines Vaters Tod geboren. Die Mutter gaben wir verloren, So elend wie sie damals lag, Und sie erholte sich sehr langsam, nach und nach. Da konnte sie nun nicht dran denken, Das arme Wuermchen selbst zu traenken, Und so erzog ich's ganz allein, Mit Milch und Wasser, so ward's mein Auf meinem Arm, in meinem Schoss War's freundlich, zappelte, ward gross. FAUST: Du hast gewiss das reinste Glueck empfunden. MARGARETE: Doch auch gewiss gar manche schwere Stunden. Des Kleinen Wiege stand zu Nacht An meinem Bett; es durfte kaum sich regen, War ich erwacht; Bald musst ich's traenken, bald es zu mir legen Bald, wenn's nicht schwieg, vom Bett aufstehn Und taenzelnd in der Kammer auf und nieder gehn, Und frueh am Tage schon am Waschtrog stehn; Dann auf dem Markt und an dem Herde sorgen, Und immer fort wie heut so morgen. Da geht's, mein Herr, nicht immer mutig zu; Doch schmeckt dafuer das Essen, schmeckt die Ruh. (Gehn vorueber.) MARTHE: Die armen Weiber sind doch uebel dran: Ein Hagestolz ist schwerlich zu bekehren. MEPHISTOPHELES: Es kaeme nur auf Euresgleichen an, Mich eines Bessern zu belehren. MARTHE: Sagt grad, mein Herr, habt Ihr noch nichts gefunden? Hat sich das Herz nicht irgendwo gebunden? MEPHISTOPHELES: Das Sprichwort sagt: Ein eigner Herd, Ein braves Weib sind Gold und Perlen wert. MARTHE: Ich meine: ob Ihr niemals Lust bekommen? MEPHISTOPHELES: Man hat mich ueberall recht hoeflich aufgenommen. MARTHE: Ich wollte sagen: ward's nie Ernst in Eurem Herzen? MEPHISTOPHELES: Mit Frauen soll man sich nie unterstehn zu scherzen. MARTHE: Ach, Ihr versteht mich nicht! MEPHISTOPHELES: Das tut mir herzlich leid! Doch ich versteh- dass Ihr sehr guetig seid. (Gehn vorueber.) FAUST: Du kanntest mich, o kleiner Engel, wieder, Gleich als ich in den Garten kam? MARGARETE: Saht Ihr es nicht, ich schlug die Augen nieder. FAUST: Und du verzeihst die Freiheit, die ich nahm? Was sich die Frechheit unterfangen, Als du juengst aus dem Dom gegangen? MARGARETE: Ich war bestuerzt, mir war das nie geschehn; Es konnte niemand von mir Uebels sagen. Ach, dacht ich, hat er in deinem Betragen Was Freches, Unanstaendiges gesehn? Es schien ihn gleich nur anzuwandeln, Mit dieser Dirne gradehin zu handeln. Gesteh ich's doch! Ich wusste nicht, was sich Zu Eurem Vorteil hier zu regen gleich begonnte; Allein gewiss, ich war recht boes auf mich, Dass ich auf Euch nicht boeser werden konnte. FAUST: Suess Liebchen! MARGARETE: Lasst einmal! (Sie pflueckt eine Sternblume und zupft die Blaetter ab, eins nach dem andern.) FAUST: Was soll das? Einen Strauss? MARGARETE: Nein, es soll nur ein Spiel. FAUST: Wie? MARGARETE: Geht! Ihr lacht mich aus. (Sie rupft und murmelt.) FAUST: Was murmelst du? MARGARETE (halblaut): Er liebt mich- liebt mich nicht. FAUST: Du holdes Himmelsangesicht! MARGARETE (faehrt fort): Liebt mich- nicht- liebt mich- nicht- (Das letzte Blatt ausrupfend, mit holder Freude.) Er liebt mich! FAUST: Ja, mein Kind! Lass dieses Blumenwort Dir Goetterausspruch sein. Er liebt dich! Verstehst du, was das heisst? Er liebt dich! (Er fasst ihre beiden Haende.) MARGARETE: Mich ueberlaeuft's! FAUST: O schaudre nicht! Lass diesen Blick, Lass diesen Haendedruck dir sagen Was unaussprechlich ist: Sich hinzugeben ganz und eine Wonne Zu fuehlen, die ewig sein muss! Ewig!- Ihr Ende wuerde Verzweiflung sein Nein, kein Ende! Kein Ende! (Margarete drueckt ihm die Haende, macht sich los und laeuft weg. Er steht einen Augenblick in Gedanken, dann folgt er ihr.) MARTHE (kommend): Die Nacht bricht an. MEPHISTOPHELES: Ja, und wir wollen fort. MARTHE: Ich baet Euch, laenger hier zu bleiben, Allein es ist ein gar zu boeser Ort. Es ist, als haette niemand nichts zu treiben Und nichts zu schaffen, Als auf des Nachbarn Schritt und Tritt zu gaffen, Und man kommt ins Gered, wie man sich immer stellt. Und unser Paerchen? MEPHISTOPHELES: Ist den Gang dort aufgeflogen. Mutwill'ge Sommervoegel! MARTHE: Er scheint ihr gewogen. MEPHISTOPHELES: Und sie ihm auch. Das ist der Lauf der Welt. Ein Gartenhaeuschen Margarete springt herein, steckt sich hinter die Tuer, haelt die Fingerspitze an die Lippen und guckt durch die Ritze. MARGARETE: Er kommt! FAUST (kommt): Ach, Schelm, so neckst du mich! Treff ich dich! (Er kuesst sie.) MARGARETE (ihn fassend und den Kuss zurueckgebend): Bester Mann! von Herzen lieb ich dich! (Mephistopheles klopft an.) FAUST (stampfend): Wer da? MEPHISTOPHELES: Gut Freund! FAUST: Ein Tier! MEPHISTOPHELES: Es ist wohl Zeit zu scheiden. MARTHE (kommt): Ja, es ist spaet, mein Herr. FAUST: Darf ich Euch nicht geleiten? MARGARETE: Die Mutter wuerde mich- Lebt wohl! FAUST: Muss ich denn gehn? Lebt wohl! MARTHE: Ade! MARGARETE: Auf baldig Wiedersehn! (Faust und Mephistopheles ab.) MARGARETE: Du lieber Gott! was so ein Mann Nicht alles, alles denken kann! Beschaemt nur steh ich vor ihm da Und sag zu allen Sachen ja. Bin doch ein arm unwissend Kind, Begreife nicht, was er an mir findt. (Ab.) Wald und Hoehle Faust allein. Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles, Warum ich bat. Du hast mir nicht umsonst Dein Angesicht im Feuer zugewendet. Gabst mir die herrliche Natur zum Koenigreich, Kraft, sie zu fuehlen, zu geniessen. Nicht Kalt staunenden Besuch erlaubst du nur, Vergoennest mir, in ihre tiefe Brust Wie in den Busen eines Freunds zu schauen. Du fuehrst die Reihe der Lebendigen Vor mir vorbei und lehrst mich meine Brueder Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen. Und wenn der Sturm im Walde braust und knarrt, Die Riesenfichte stuerzend Nachbaraeste Und Nachbarstaemme quetschend niederstreift Und ihrem Fall dumpf hohl der Huegel donnert, Dann fuehrst du mich zur sichern Hoehle, zeigst Mich dann mir selbst, und meiner eignen Brust Geheime tiefe Wunder oeffnen sich. Und steigt vor meinem Blick der reine Mond Besaenftigend herueber, schweben mir Von Felsenwaenden, aus dem feuchten Busch Der Vorwelt silberne Gestalten auf Und lindern der Betrachtung strenge Lust. O dass dem Menschen nichts Vollkommnes wird, Empfind ich nun. Du gabst zu dieser Wonne, Die mich den Goettern nah und naeher bringt, Mir den Gefaehrten, den ich schon nicht mehr Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech, Mich vor mir selbst erniedrigt und zu Nichts, Mit einem Worthauch, deine Gaben wandelt. Er facht in meiner Brust ein wildes Feuer Nach jenem schoenen Bild geschaeftig an. So tauml ich von Begierde zu Genuss, Und im Genuss verschmacht ich nach Begierde. Mephistopheles tritt auf. MEPHISTOPHELES: Habt Ihr nun bald das Leben gnug gefuehrt? Wie kann's Euch in die Laenge freuen? Es ist wohl gut, dass man's einmal probiert Dann aber wieder zu was Neuen! FAUST: Ich wollt, du haettest mehr zu tun, Als mich am guten Tag zu plagen. MEPHISTOPHELES: Nun, nun! ich lass dich gerne ruhn, Du darfst mir's nicht im Ernste sagen. An dir Gesellen, unhold, barsch und toll, Ist wahrlich wenig zu verlieren. Den ganzen Tag hat man die Haende voll! Was ihm gefaellt und was man lassen soll, Kann man dem Herrn nie an der Nase spueren. FAUST: Das ist so just der rechte Ton! Er will noch Dank, dass er mich ennuyiert. MEPHISTOPHELES: Wie haettst du, armer Erdensohn Dein Leben ohne mich gefuehrt? Vom Kribskrabs der Imagination Hab ich dich doch auf Zeiten lang kuriert; Und waer ich nicht, so waerst du schon Von diesem Erdball abspaziert. Was hast du da in Hoehlen, Felsenritzen Dich wie ein Schuhu zu versitzen? Was schlurfst aus dumpfem Moos und triefendem Gestein Wie eine Kroete Nahrung ein? Ein schoener, suesser Zeitvertreib! Dir steckt der Doktor noch im Leib. FAUST: Verstehst du, was fuer neue Lebenskraft Mir dieser Wandel in der OEde schafft? Ja, wuerdest du es ahnen koennen, Du waerest Teufel gnug, mein Glueck mir nicht zu goennen. MEPHISTOPHELES: Ein ueberirdisches Vergnuegen. In Nacht und Tau auf den Gebirgen liegen Und Erd und Himmel wonniglich umfassen, Zu einer Gottheit sich aufschwellen lassen, Der Erde Mark mit Ahnungsdrang durchwuehlen, Alle sechs Tagewerk im Busen fuehlen, In stolzer Kraft ich weiss nicht was geniessen, Bald liebewonniglich in alles ueberfliessen, Verschwunden ganz der Erdensohn, Und dann die hohe Intuition- (mit einer Gebaerde) Ich darf nicht sagen, wie- zu schliessen. FAUST: Pfui ueber dich! MEPHISTOPHELES: Das will Euch nicht behagen; Ihr habt das Recht, gesittet pfui zu sagen. Man darf das nicht vor keuschen Ohren nennen, Was keusche Herzen nicht entbehren koennen. Und kurz und gut, ich goenn Ihm das Vergnuegen, Gelegentlich sich etwas vorzuluegen; Doch lange haelt Er das nicht aus. Du bist schon wieder abgetrieben Und, waehrt es laenger, aufgerieben In Tollheit oder Angst und Graus. Genug damit! Dein Liebchen sitzt dadrinne, Und alles wird ihr eng und trueb. Du kommst ihr gar nicht aus dem Sinne, Sie hat dich uebermaechtig lieb. Erst kam deine Liebeswut uebergeflossen, Wie vom geschmolznen Schnee ein Baechlein uebersteigt; Du hast sie ihr ins Herz gegossen, Nun ist dein Baechlein wieder seicht. Mich duenkt, anstatt in Waeldern zu thronen, Liess' es dem grossen Herren gut, Das arme affenjunge Blut Fuer seine Liebe zu belohnen. Die Zeit wird ihr erbaermlich lang; Sie steht am Fenster, sieht die Wolken ziehn Ueber die alte Stadtmauer hin. »Wenn ich ein Voeglein waer!« so geht ihr Gesang Tage lang, halbe Naechte lang. Einmal ist sie munter, meist betruebt, Einmal recht ausgeweint, Dann wieder ruhig, wie's scheint, Und immer verliebt. FAUST: Schlange! Schlange! MEPHISTOPHELES (fuer sich): Gelt! dass ich dich fange! FAUST: Verruchter! hebe dich von hinnen, Und nenne nicht das schoene Weib! Bring die Begier zu ihrem suessen Leib Nicht wieder vor die halb verrueckten Sinnen! MEPHISTOPHELES: Was soll es denn? Sie meint, du seist entflohn, Und halb und halb bist du es schon. FAUST: Ich bin ihr nah, und waer ich noch so fern, Ich kann sie nie vergessen, nie verlieren Ja, ich beneide schon den Leib des Herrn, Wenn ihre Lippen ihn indes beruehren. MEPHISTOPHELES: Gar wohl, mein Freund! Ich hab Euch oft beneidet Ums Zwillingspaar, das unter Rosen weidet. FAUST: Entfliehe, Kuppler! MEPHISTOPHELES: Schoen! Ihr schimpft, und ich muss lachen. Der Gott, der Bub' und Maedchen schuf, Erkannte gleich den edelsten Beruf, Auch selbst Gelegenheit zu machen. Nur fort, es ist ein grosser Jammer! Ihr sollt in Eures Liebchens Kammer, Nicht etwa in den Tod. FAUST: Was ist die Himmelsfreud in ihren Armen? Lass mich an ihrer Brust erwarmen! Fuehl ich nicht immer ihre Not? Bin ich der Fluechtling nicht? der Unbehauste? Der Unmensch ohne Zweck und Ruh, Der wie ein Wassersturz von Fels zu Felsen brauste, Begierig wuetend nach dem Abgrund zu? Und seitwaerts sie, mit kindlich dumpfen Sinnen, Im Huettchen auf dem kleinen Alpenfeld, Und all ihr haeusliches Beginnen Umfangen in der kleinen Welt. Und ich, der Gottverhasste, Hatte nicht genug, Dass ich die Felsen fasste Und sie zu Truemmern schlug! Sie, ihren Frieden musst ich untergraben! Du, Hoelle, musstest dieses Opfer haben. Hilf, Teufel, mir die Zeit der Angst verkuerzen. Was muss geschehn, mag's gleich geschehn! Mag ihr Geschick auf mich zusammenstuerzen Und sie mit mir zugrunde gehn! MEPHISTOPHELES: Wie's wieder siedet, wieder glueht! Geh ein und troeste sie, du Tor! Wo so ein Koepfchen keinen Ausgang sieht, Stellt er sich gleich das Ende vor. Es lebe, wer sich tapfer haelt! Du bist doch sonst so ziemlich eingeteufelt. Nichts Abgeschmackters find ich auf der Welt Als einen Teufel, der verzweifelt. Gretchens Stube. Gretchen (am Spinnrad, allein). GRETCHEN: Meine Ruh ist hin, Mein Herz ist schwer; Ich finde sie nimmer und nimmermehr. Wo ich ihn nicht hab, Ist mir das Grab, Die ganze Welt Ist mir vergaellt. Mein armer Kopf Ist mir verrueckt, Meiner armer Sinn Ist mir zerstueckt. Meine Ruh ist hin, Mein Herz ist schwer, Ich finde sie nimmer und nimmermehr. Nach ihm nur schau ich Zum Fenster hinaus, Nach ihm nur geh ich Aus dem Haus. Sein hoher Gang, Sein edle Gestalt, Seines Mundes Laecheln, Seiner Augen Gewalt, Und seiner Rede Zauberfluss, Sein Haendedruck, Und ach! sein Kuss! Meine Ruh ist hin, Mein Herz ist schwer, Ich finde sie nimmer und nimmermehr. Mein Busen draengt Sich nach ihm hin, Ach duerft ich fassen Und halten ihn, Und kuessen ihn, So wie ich wollt, An seinen Kuessen Vergehen sollt! Marthens Garten Margarete. Faust. MARGARETE: Versprich mir, Heinrich! FAUST: Was ich kann! MARGARETE: Nun sag, wie hast du's mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, Allein ich glaub, du haeltst nicht viel davon. FAUST: Lass das, mein Kind! Du fuehlst, ich bin dir gut; Fuer meine Lieben liess' ich Leib und Blut, Will niemand sein Gefuehl und seine Kirche rauben. MARGARETE: Das ist nicht recht, man muss dran glauben. FAUST: Muss man? MARGARETE: Ach! wenn ich etwas auf dich konnte! Du ehrst auch nicht die heil'gen Sakramente. FAUST: Ich ehre sie. MARGARETE: Doch ohne Verlangen. Zur Messe, zur Beichte bist du lange nicht gegangen. Glaubst du an Gott? FAUST: Mein Liebchen, wer darf sagen: Ich glaub an Gott? Magst Priester oder Weise fragen, Und ihre Antwort scheint nur Spott Ueber den Frager zu sein. MARGARETE: So glaubst du nicht? FAUST: Misshoer mich nicht, du holdes Angesicht! Wer darf ihn nennen? Und wer bekennen: »Ich glaub ihn!«? Wer empfinden, Und sich unterwinden Zu sagen: »Ich glaub ihn nicht!«? Der Allumfasser, Der Allerhalter, Fasst und erhaelt er nicht Dich, mich, sich selbst? Woelbt sich der Himmel nicht da droben? Liegt die Erde nicht hier unten fest? Und steigen freundlich blickend Ewige Sterne nicht herauf? Schau ich nicht Aug in Auge dir, Und draengt nicht alles Nach Haupt und Herzen dir, Und webt in ewigem Geheimnis Unsichtbar sichtbar neben dir? Erfuell davon dein Herz, so gross es ist, Und wenn du ganz in dem Gefuehle selig bist, Nenn es dann, wie du willst, Nenn's Glueck! Herz! Liebe! Gott Ich habe keinen Namen Dafuer! Gefuehl ist alles; Name ist Schall und Rauch, Umnebelnd Himmelsglut. MARGARETE: Das ist alles recht schoen und gut; Ungefaehr sagt das der Pfarrer auch, Nur mit ein bisschen andern Worten. FAUST: Es sagen's allerorten Alle Herzen unter dem himmlischen Tage, Jedes in seiner Sprache; Warum nicht ich in der meinen? MARGARETE: Wenn man's so hoert, moecht's leidlich scheinen, Steht aber doch immer schief darum; Denn du hast kein Christentum. FAUST: Liebs Kind! MARGARETE: Es tut mir lange schon weh, Dass ich dich in der Gesellschaft seh. FAUST: Wieso? MARGARETE: Der Mensch, den du da bei dir hast, Ist mir in tiefer innrer Seele verhasst; Es hat mir in meinem Leben So nichts einen Stich ins Herz gegeben Als des Menschen widrig Gesicht. FAUST: Liebe Puppe, fuercht ihn nicht! MARGARETE: Seine Gegenwart bewegt mir das Blut. Ich bin sonst allen Menschen gut; Aber wie ich mich sehne, dich zu schauen, Hab ich vor dem Menschen ein heimlich Grauen, Und halt ihn fuer einen Schelm dazu! Gott verzeih mir's, wenn ich ihm unrecht tu! FAUST: Es muss auch solche Kaeuze geben. MARGARETE: Wollte nicht mit seinesgleichen leben! Kommt er einmal zur Tuer herein, Sieht er immer so spoettisch drein Und halb ergrimmt; Man sieht, dass er an nichts keinen Anteil nimmt; Es steht ihm an der Stirn geschrieben, Dass er nicht mag eine Seele lieben. Mir wird's so wohl in deinem Arm, So frei, so hingegeben warm, Und seine Gegenwart schnuert mir das Innre zu. FAUST: Du ahnungsvoller Engel du! MARGARETE: Das uebermannt mich so sehr, Dass, wo er nur mag zu uns treten, Mein ich sogar, ich liebte dich nicht mehr. Auch, wenn er da ist, koennt ich nimmer beten, Und das frisst mir ins Herz hinein; Dir, Heinrich, muss es auch so sein. FAUST: Du hast nun die Antipathie! MARGARETE: Ich muss nun fort. FAUST: Ach kann ich nie Ein Stuendchen ruhig dir am Busen haengen Und Brust an Brust und Seel in Seele draengen? MARGARETE: Ach wenn ich nur alleine schlief! Ich liess dir gern heut nacht den Riegel offen; Doch meine Mutter schlaeft nicht tief, Und wuerden wir von ihr betroffen, Ich waer gleich auf der Stelle tot! FAUST: Du Engel, das hat keine Not. Hier ist ein Flaeschchen! Drei Tropfen nur In ihren Trank umhuellen Mit tiefem Schlaf gefaellig die Natur. MARGARETE: Was tu ich nicht um deinetwillen? Es wird ihr hoffentlich nicht schaden! FAUST: Wuerd ich sonst, Liebchen, dir es raten? MARGARETE: Seh ich dich, bester Mann, nur an, Weiss nicht, was mich nach deinem Willen treibt, Ich habe schon so viel fuer dich getan, Dass mir zu tun fast nichts mehr uebrigbleibt. (Ab.) Mephistopheles tritt auf. MEPHISTOPHELES: Der Grasaff! ist er weg? FAUST: Hast wieder spioniert? MEPHISTOPHELES: Ich hab's ausfuehrlich wohl vernommen, Herr Doktor wurden da katechisiert; Hoff, es soll Ihnen wohl bekommen. Die Maedels sind doch sehr interessiert, Ob einer fromm und schlicht nach altem Brauch. Sie denken: duckt er da, folgt er uns eben auch. FAUST: Du Ungeheuer siehst nicht ein, Wie diese treue liebe Seele Von ihrem Glauben voll, Der ganz allein Ihr seligmachend ist, sich heilig quaele, Dass sie den liebsten Mann verloren halten soll. MEPHISTOPHELES: Du uebersinnlicher sinnlicher Freier, Ein Maegdelein nasfuehret dich. FAUST: Du Spottgeburt von Dreck und Feuer! MEPHISTOPHELES: Und die Physiognomie versteht sie meisterlich: In meiner Gegenwart wird's ihr, sie weiss nicht wie, Mein Maeskchen da weissagt verborgnen Sinn; Sie fuehlt, dass ich ganz sicher ein Genie, Vielleicht wohl gar der Teufel bin. Nun, heute nacht-? FAUST: Was geht dich's an? MEPHISTOPHELES: Hab ich doch meine Freude dran! Am Brunnen Gretchen und Lieschen mit Kruegen. LIESCHEN: Hast nichts von Baerbelchen gehoert? GRETCHEN: Kein Wort. Ich komm gar wenig unter Leute. LIESCHEN: Gewiss, Sibylle sagt' mir's heute: Die hat sich endlich auch betoert. Das ist das Vornehmtun! GRETCHEN: Wieso? LIESCHEN: Es stinkt! Sie fuettert zwei, wenn sie nun isst und trinkt. GRETCHEN: Ach! LIESCHEN: So ist's ihr endlich recht ergangen. Wie lange hat sie an dem Kerl gehangen! Das war ein Spazieren, Auf Dorf und Tanzplatz Fuehren, Musst ueberall die Erste sein, Kurtesiert ihr immer mit Pastetchen und Wein; Bildt sich was auf ihre Schoenheit ein, War doch so ehrlos, sich nicht zu schaemen, Geschenke von ihm anzunehmen. War ein Gekos und ein Geschleck; Da ist denn auch das Bluemchen weg! GRETCHEN: Das arme Ding! LIESCHEN: Bedauerst sie noch gar! Wenn unsereins am Spinnen war, Uns nachts die Mutter nicht hinunterliess, Stand sie bei ihrem Buhlen suess; Auf der Tuerbank und im dunkeln Gang Ward ihnen keine Stunde zu lang. Da mag sie denn sich ducken nun, Im Suenderhemdchen Kirchbuss tun! GRETCHEN: Er nimmt sie gewiss zu seiner Frau. LIESCHEN: Er waer ein Narr! Ein flinker Jung Hat anderwaerts noch Luft genung. Er ist auch fort. GRETCHEN: Das ist nicht schoen! LIESCHEN: Kriegt sie ihn, soll's ihr uebel gehn, Das Kraenzel reissen die Buben ihr, Und Haeckerling streuen wir vor die Tuer! (Ab.) GRETCHEN: (nach Hause gehend): Wie konnt ich sonst so tapfer schmaelen, Wenn taet ein armes Maegdlein fehlen! Wie konnt ich ueber andrer Suenden Nicht Worte gnug der Zunge finden! Wie schien mir's schwarz, und schwaerzt's noch gar, Mir's immer doch nicht schwarz gnug war, Und segnet mich und tat so gross, Und bin nun selbst der Suende bloss! Doch- alles, was dazu mich trieb, Gott! war so gut! ach, war so lieb! Zwinger In der Mauerhoehle ein Andachtsbild der Mater dolorosa, Blumenkruge davor. Gretchen steckt frische Blumen in die Kruge. Ach neige, Du Schmerzenreiche, Dein Antlitz gnaedig meiner Not! Das Schwert im Herzen, Mit tausend Schmerzen Blickst auf zu deines Sohnes Tod. Zum Vater blickst du, Und Seufzer schickst du Hinauf um sein' und deine Not. Wer fuehlet, Wie wuehlet Der Schmerz mir im Gebein? Was mein armes Herz hier banget, Was es zittert, was verlanget, Weisst nur du, nur du allein! Wohin ich immer gehe Wie weh, wie weh, wie wehe Wird mir im Busen hier! Ich bin, ach! kaum alleine, Ich wein, ich wein, ich weine, Das Herz zerbricht in mir. Die Scherben vor meinem Fenster Betaut ich mit Traenen, ach! Als ich am fruehen Morgen Dir diese Blumen brach. Schien hell in meine Kammer Die Sonne frueh herauf, Sass ich in allem Jammer In meinem Bett schon auf. Hilf! rette mich von Schmach und Tod! Ach neige, Du Schmerzenreiche, Dein Antlitz gnaedig meiner Not! Nacht. Strasse vor Gretchens Tuere Valentin, Soldat, Gretchens Bruder. Wenn ich so sass bei einem Gelag, Wo mancher sich beruehmen mag, Und die Gesellen mir den Flor Der Maegdlein laut gepriesen vor, Mit vollem Glas das Lob verschwemmt, Den Ellenbogen aufgestemmt, Sass ich in meiner sichern Ruh, Hoert all dem Schwadronieren zu Und streiche laechelnd meinen Bart Und kriege das volle Glas zur Hand Und sage: »Alles nach seiner Art! Aber ist eine im ganzen Land, Die meiner trauten Gretel gleicht, Die meiner Schwester das Wasser reicht?« Topp! Topp! Kling! Klang! das ging herum; Die einen schrieen: »Er hat recht, Sie ist die Zier vom ganzen Geschlecht.« Da sassen alle die Lober stumm. Und nun!- um's Haar sich auszuraufen Und an den Waenden hinaufzulaufen!- Mit Stichelreden, Naseruempfen Soll jeder Schurke mich beschimpfen! Soll wie ein boeser Schuldner sitzen Bei jedem Zufallswoertchen schwitzen! Und moecht ich sie zusammenschmeissen Koennt ich sie doch nicht Luegner heissen. Was kommt heran? Was schleicht herbei? Irr ich nicht, es sind ihrer zwei. Ist er's, gleich pack ich ihn beim Felle Soll nicht lebendig von der Stelle! Faust. Mephistopheles. FAUST: Wie von dem Fenster dort der Sakristei Aufwaerts der Schein des Ew'gen Laempchens flaemmert Und schwach und schwaecher seitwaerts daemmert, Und Finsternis draengt ringsum bei! So sieht's in meinem Busen naechtig. MEPHISTOPHELES: Und mir ist's wie dem Kaetzlein schmaechtig, Das an den Feuerleitern schleicht, Sich leis dann um die Mauern streicht; Mir ist's ganz tugendlich dabei, Ein bisschen Diebsgeluest, ein bisschen Rammelei. So spukt mir schon durch alle Glieder Die herrliche Walpurgisnacht. Die kommt uns uebermorgen wieder, Da weiss man doch, warum man wacht. FAUST: Rueckt wohl der Schatz indessen in die Hoeh, Den ich dort hinten flimmern seh? MEPHISTOPHELES: Du kannst die Freude bald erleben, Das Kesselchen herauszuheben. Ich schielte neulich so hinein, Sind herrliche Loewentaler drein. FAUST: Nicht ein Geschmeide, nicht ein Ring, Meine liebe Buhle damit zu zieren? MEPHISTOPHELES: Ich sah dabei wohl so ein Ding, Als wie eine Art von Perlenschnueren. FAUST: So ist es recht! Mir tut es weh, Wenn ich ohne Geschenke zu ihr geh. MEPHISTOPHELES: Es sollt Euch eben nicht verdriessen, Umsonst auch etwas zu geniessen. Jetzt, da der Himmel voller Sterne glueht, Sollt Ihr ein wahres Kunststueck hoeren: Ich sing ihr ein moralisch Lied, Um sie gewisser zu betoeren. (Singt zur Zither.) Was machst du mir Vor Liebchens Tuer, Kathrinchen, hier Bei fruehem Tagesblicke? Lass, lass es sein! Er laesst dich ein Als Maedchen ein, Als Maedchen nicht zuruecke. Nehmt euch in acht! Ist es vollbracht, Dann gute Nacht' Ihr armen, armen Dinger! Habt ihr euch lieb, Tut keinem Dieb Nur nichts zulieb Als mit dem Ring am Finger. VALENTIN (tritt vor): Wen lockst du hier? beim Element! Vermaledeiter Rattenfaenger! Zum Teufel erst das Instrument! Zum Teufel hinterdrein den Saenger! MEPHISTOPHELES: Die Zither ist entzwei! an der ist nichts zu halten. VALENTIN: Nun soll es an ein Schaedelspalten! MEPHISTOPHELES (zu Faust): Herr Doktor, nicht gewichen! Frisch! Hart an mich an, wie ich Euch fuehre. Heraus mit Eurem Flederwisch! Nur zugestossen! ich pariere. VALENTIN: Pariere den! MEPHISTOPHELES: Warum denn nicht? VALENTIN: Auch den! MEPHISTOPHELES: Gewiss! VALENTIN: Ich glaub, der Teufel ficht! Was ist denn das? Schon wird die Hand mir lahm. MEPHISTOPHELES (zu Faust): Stoss zu! VALENTIN (faellt): O weh! MEPHISTOPHELES: Nun ist der Luemmel zahm! Nun aber fort! Wir muessen gleich verschwinden Denn schon entsteht ein moerderlich Geschrei. Ich weiss mich trefflich mit der Polizei, Doch mit dem Blutbann schlecht mich abzufinden. MARTHE (am Fenster): Heraus! Heraus! GRETCHEN (am Fenster): Herbei ein Licht! MARTHE (wie oben): Man schilt und rauft, man schreit und ficht. VOLK: Da liegt schon einer tot! MARTHE (heraustretend): Die Moerder, sind sie denn entflohn? GRETCHEN (heraustretend): Wer liegt hier? VOLK: Deiner Mutter Sohn. GRETCHEN: Allmaechtiger! welche Not! VALENTIN: Ich sterbe! das ist bald gesagt Und balder noch getan. Was steht ihr Weiber, heult und klagt? Kommt her und hoert mich an! (Alle treten um ihn.) Mein Gretchen, sieh! du bist noch jung, Bist gar noch nicht gescheit genung, Machst deine Sachen schlecht. Ich sag dir's im Vertrauen nur: Du bist doch nun einmal eine Hur, So sei's auch eben recht! GRETCHEN: Mein Bruder! Gott! Was soll mir das? VALENTIN: Lass unsern Herrgott aus dem Spass! Geschehn ist leider nun geschehn Und wie es gehn kann, so wird's gehn. Du fingst mit einem heimlich an Bald kommen ihrer mehre dran, Und wenn dich erst ein Dutzend hat, So hat dich auch die ganze Stadt. Wenn erst die Schande wird geboren, Wird sie heimlich zur Welt gebracht, Und man zieht den Schleier der Nacht Ihr ueber Kopf und Ohren; Ja, man moechte sie gern ermorden. Waechst sie aber und macht sich gross, Dann geht sie auch bei Tage bloss Und ist doch nicht schoener geworden. Je haesslicher wird ihr Gesicht, Je mehr sucht sie des Tages Licht. Ich seh wahrhaftig schon die Zeit, Dass alle brave Buergersleut, Wie von einer angesteckten Leichen, Von dir, du Metze! seitab weichen. Dir soll das Herz im Leib verzagen, Wenn sie dir in die Augen sehn! Sollst keine goldne Kette mehr tragen! In der Kirche nicht mehr am Altar stehn! In einem schoenen Spitzenkragen Dich nicht beim Tanze wohlbehagen! In eine finstre Jammerecken Unter Bettler und Krueppel dich verstecken, Und, wenn dir dann auch Gott verzeiht, Auf Erden sein vermaledeit! MARTHE: Befehlt Eure Seele Gott zu Gnaden! Wollt Ihr noch Laestrung auf Euch laden? VALENTIN: Koennt ich dir nur an den duerren Leib, Du schaendlich kupplerisches Weib! Da hofft ich aller meiner Suenden Vergebung reiche Mass zu finden. GRETCHEN: Mein Bruder! Welche Hoellenpein! VALENTIN: Ich sage, lass die Traenen sein! Da du dich sprachst der Ehre los, Gabst mir den schwersten Herzensstoss. Ich gehe durch den Todesschlaf Zu Gott ein als Soldat und brav. (Stirbt.) Dom Amt, Orgel und Gesang. Gretchen unter vielem Volke. Boeser Geist hinter Gretchen. BOESER GEIST: Wie anders, Gretchen, war dir's, Als du noch voll Unschuld Hier zum Altar tratst Aus dem vergriffnen Buechelchen Gebete lalltest, Halb Kinderspiele, Halb Gott im Herzen! Gretchen! Wo steht dein Kopf? In deinem Herzen Welche Missetat? Betst du fuer deiner Mutter Seele, die Durch dich zur langen, langen Pein hinueberschlief? Auf deiner Schwelle wessen Blut? - Und unter deinem Herzen Regt sich's nicht quillend schon Und aengstet dich und sich Mit ahnungsvoller Gegenwart? GRETCHEN: Weh! Weh! Waer ich der Gedanken los, Die mir herueber und hinueber gehen Wider mich! CHOR: Dies irae, dies illa Solvet saeclum in favilla. (Orgelton.) BOESER GEIST: Grimm fasst dich! Die Posaune toent! Die Graeber beben! Und dein Herz, Aus Aschenruh Zu Flammenqualen Wieder aufgeschaffen, Bebt auf! GRETCHEN: Waer ich hier weg! Mir ist, als ob die Orgel mir Den Atem versetzte, Gesang mein Herz Im Tiefsten loeste. CHOR: Judex ergo cum sedebit, Quidquid latet adparebit, Nil inultum remanebit. GRETCHEN: Mir wird so eng! Die Mauernpfeiler Befangen mich! Das Gewoelbe Draengt mich!- Luft! BOESER GEIST: Verbirg dich! Suend und Schande Bleibt nicht verborgen. Luft? Licht? Weh dir! CHOR: Quid sum miser tunc dicturus? Quem patronum rogaturus? Cum vix justus sit securus. BOESER GEIST: Ihr Antlitz wenden Verklaerte von dir ab. Die Haende dir zu reichen, Schauert's den Reinen. Weh! CHOR: Quid sum miser tunc dicturus? GRETCHEN: Nachbarin! Euer Flaeschchen! (Sie faellt in Ohnmacht.) Walpurgisnacht Harzgebirg Gegend von Schierke und Elend Faust. Mephistopheles. MEPHISTOPHELES: Verlangst du nicht nach einem Besenstiele? Ich wuenschte mir den allerderbsten Bock. Auf diesem Weg sind wir noch weit vom Ziele. FAUST: Solang ich mich noch frisch auf meinen Beinen fuehle, Genuegt mir dieser Knotenstock. Was hilft's, dass man den Weg verkuerzt!- Im Labyrinth der Taeler hinzuschleichen, Dann diesen Felsen zu ersteigen, Von dem der Quell sich ewig sprudelnd stuerzt, Das ist die Lust, die solche Pfade wuerzt! Der Fruehling webt schon in den Birken, Und selbst die Fichte fuehlt ihn schon; Sollt er nicht auch auf unsre Glieder wirken? MEPHISTOPHELES: Fuerwahr, ich spuere nichts davon! Mir ist es winterlich im Leibe, Ich wuenschte Schnee und Frost auf meiner Bahn. Wie traurig steigt die unvollkommne Scheibe Des roten Monds mit spaeter Glut heran Und leuchtet schlecht, dass man bei jedem Schritte Vor einen Baum, vor einen Felsen rennt! Erlaub, dass ich ein Irrlicht bitte! Dort seh ich eins, das eben lustig brennt. Heda! mein Freund! darf ich dich zu uns fodern? Was willst du so vergebens lodern? Sei doch so gut und leucht uns da hinauf! IRRLICHT: Aus Ehrfurcht, hoff ich, soll es mir gelingen, Mein leichtes Naturell zu zwingen; Nur zickzack geht gewoehnlich unser Lauf. MEPHISTOPHELES: Ei! Ei! Er denkt's den Menschen nachzuahmen. Geh Er nur grad, in 's Teufels Namen! Sonst blas ich ihm sein Flackerleben aus. IRRLICHT: Ich merke wohl, Ihr seid der Herr vom Haus, Und will mich gern nach Euch bequemen. Allein bedenkt! der Berg ist heute zaubertoll Und wenn ein Irrlicht Euch die Wege weisen soll So muesst Ihr's so genau nicht nehmen. FAUST, MEPHISTOPHELES, IRRLICHT (im Wechselgesang): In die Traum- und Zaubersphaere Sind wir, scheint es, eingegangen. Fuehr uns gut und mach dir Ehre Dass wir vorwaerts bald gelangen In den weiten, oeden Raeumen! Seh die Baeume hinter Baeumen, Wie sie schnell vorueberruecken, Und die Klippen, die sich buecken, Und die langen Felsennasen, Wie sie schnarchen, wie sie blasen! Durch die Steine, durch den Rasen Eilet Bach und Baechlein nieder. Hoer ich Rauschen? hoer ich Lieder? Hoer ich holde Liebesklage, Stimmen jener Himmelstage? Was wir hoffen, was wir lieben! Und das Echo, wie die Sage Alter Zeiten, hallet wider. »Uhu! Schuhu!« toent es naeher, Kauz und Kiebitz und der Haeher, Sind sie alle wach geblieben? Sind das Molche durchs Gestraeuche? Lange Beine, dicke Baeuche! Und die Wurzeln, wie die Schlangen, Winden sich aus Fels und Sande, Strecken wunderliche Bande, Uns zu schrecken, uns zu fangen; Aus belebten derben Masern Strecken sie Polypenfasern Nach dem Wandrer. Und die Maeuse Tausendfaerbig, scharenweise, Durch das Moos und durch die Heide! Und die Funkenwuermer fliegen Mit gedraengten Schwaermezuegen Zum verwirrenden Geleite. Aber sag mir, ob wir stehen Oder ob wir weitergehen? Alles, alles scheint zu drehen, Fels und Baeume, die Gesichter Schneiden, und die irren Lichter, Die sich mehren, die sich blaehen. MEPHISTOPHELES: Fasse wacker meinen Zipfel! Hier ist so ein Mittelgipfel Wo man mit Erstaunen sieht, Wie im Berg der Mammon glueht. FAUST: Wie seltsam glimmert durch die Gruende Ein morgenroetlich trueber Schein! Und selbst bis in die tiefen Schluende Des Abgrunds wittert er hinein. Da steigt ein Dampf, dort ziehen Schwaden, Hier leuchtet Glut aus Dunst und Flor Dann schleicht sie wie ein zarter Faden Dann bricht sie wie ein Quell hervor. Hier schlingt sie eine ganze Strecke Mit hundert Adern sich durchs Tal, Und hier in der gedraengten Ecke Vereinzelt sie sich auf einmal. Da spruehen Funken in der Naehe Wie ausgestreuter goldner Sand. Doch schau! in ihrer ganzen Hoehe Entzuendet sich die Felsenwand. MEPHISTOPHELES: Erleuchtet nicht zu diesem Feste Herr Mammon praechtig den Palast? Ein Glueck, dass du's gesehen hast, Ich spuere schon die ungestuemen Gaeste. FAUST: Wie rast die Windsbraut durch die Luft! Mit welchen Schlaegen trifft sie meinen Nacken! MEPHISTOPHELES: Du musst des Felsens alte Rippen packen Sonst stuerzt sie dich hinab in dieser Schluende Gruft. Ein Nebel verdichtet die Nacht. Hoere, wie's durch die Waelder kracht! Aufgescheucht fliegen die Eulen. Hoer, es splittern die Saeulen Ewig gruener Palaeste. Girren und Brechen der Aste! Der Staemme maechtiges Droehnen! Der Wurzeln Knarren und Gaehnen! Im fuerchterlich verworrenen Falle Uebereinander krachen sie alle Und durch die uebertruemmerten Kluefte Zischen und heulen die Luefte. Hoerst du Stimmen in der Hoehe? In der Ferne, in der Naehe? Ja, den ganzen Berg entlang Stroemt ein wuetender Zaubergesang! HEXEN (im Chor): Die Hexen zu dem Brocken ziehn, Die Stoppel ist gelb, die Saat ist gruen. Dort sammelt sich der grosse Hauf, Herr Urian sitzt oben auf. So geht es ueber Stein und Stock, Es farzt die Hexe, es stinkt der Bock. STIMME: Die alte Baubo kommt allein, Sie reitet auf einem Mutterschwein. CHOR: So Ehre denn, wem Ehre gebuehrt! Frau Baubo vor! und angefuehrt! Ein tuechtig Schwein und Mutter drauf, Da folgt der ganze Hexenhauf. STIMME: Welchen Weg kommst du her? STIMME: Uebern Ilsenstein! Da guckt ich der Eule ins Nest hinein, Die macht ein Paar Augen! STIMME: O fahre zur Hoelle! Was reitst du so schnelle! STIMME: Mich hat sie geschunden, Da sieh nur die Wunden! HEXEN, CHOR: Der Weg ist breit, der Weg ist lang, Was ist das fuer ein toller Drang? Die Gabel sticht, der Besen kratzt, Das Kind erstickt, die Mutter platzt. HEXENMEISTER, HALBER CHOR: Wir schleichen wie die Schneck im Haus, Die Weiber alle sind voraus. Denn, geht es zu des Boesen Haus, Das Weib hat tausend Schritt voraus. ANDERE HAELFTE: Wir nehmen das nicht so genau, Mit tausend Schritten macht's die Frau; Doch wie sie sich auch eilen kann, Mit einem Sprunge macht's der Mann. STIMME (oben): Kommt mit, kommt mit, vom Felsensee! STIMMEN (von unten): Wir moechten gerne mit in die Hoeh. Wir waschen, und blank sind wir ganz und gar; Aber auch ewig unfruchtbar. BEIDE CHOERE: Es schweigt der Wind, es flieht der Stern, Der truebe Mond verbirgt sich gern. Im Sausen sprueht das Zauberchor Viel tausend Feuerfunken hervor. STIMME (von unten): Halte! Haltet STIMME (oben): Wer ruft da aus der Felsenspalte? STIMME (von unten): Nehmt mich mit! Nehmt mich mit! Ich steige schon dreihundert Jahr, Und kann den Gipfel nicht erreichen Ich waere gern bei meinesgleichen. BEIDE CHOERE: Es traegt der Besen, traegt der Stock Die Gabel traegt, es traegt der Bock Wer heute sich nicht heben kann Ist ewig ein verlorner Mann. HALBHEXE (unten): Ich tripple nach, so lange Zeit; Wie sind die andern schon so weit! Ich hab zu Hause keine Ruh Und komme hier doch nicht dazu. CHOR DER HEXEN: Die Salbe gibt den Hexen Mut, Ein Lumpen ist zum Segel gut Ein gutes Schiff ist jeder Trog Der flieget nie, der heut nicht flog. BEIDE CHOERE: Und wenn wir um den Gipfel ziehn, So streichet an dem Boden hin Und deckt die Heide weit und breit Mit eurem Schwarm der Hexenheit (Sie lassen sich nieder.) MEPHISTOPHELES: Das draengt und stoesst, das ruscht und klappert! Das zischt und quirlt, das zieht und plappert! Das leuchtet, sprueht und stinkt und brennt! Ein wahres Hexenelement! Nur fest an mir! sonst sind wir gleich getrennt. Wo bist du? FAUST (in der Ferne): Hier! MEPHISTOPHELES: Was! dort schon hingerissen? Da werd ich Hausrecht brauchen muessen. Platz! Junker Voland kommt. Platz! suesser Poebel, Platz! Hier, Doktor, fasse mich! und nun in einem Satz Lass uns aus dem Gedraeng entweichen; Es ist zu toll, sogar fuer meinesgleichen. Dortneben leuchtet was mit ganz besondrem Schein, Es zieht mich was nach jenen Straeuchen. Komm, komm! wir schlupfen da hinein. FAUST: Du Geist des Widerspruchs! Nur zu! du magst mich fuehren. Ich denke doch, das war recht klug gemacht: Zum Brocken wandeln wir in der Walpurgisnacht, Um uns beliebig nun hieselbst zu isolieren. MEPHISTOPHELES: Da sieh nur, welche bunten Flammen! Es ist ein muntrer Klub beisammen. Im Kleinen ist man nicht allein. FAUST: Doch droben moecht ich lieber sein! Schon seh ich Glut und Wirbelrauch. Dort stroemt die Menge zu dem Boesen; Da muss sich manches Raetsel loesen. MEPHISTOPHELES: Doch manches Raetsel knuepft sich auch. Lass du die grosse Welt nur sausen, Wir wollen hier im stillen hausen. Es ist doch lange hergebracht, Dass in der grossen Welt man kleine Welten macht. Da seh ich junge Hexchen, nackt und bloss, Und alte, die sich klug verhuellen. Seid freundlich, nur um meinetwillen; Die Mueh ist klein, der Spass ist gross. Ich hoere was von Instrumenten toenen! Verflucht Geschnarr! Man muss sich dran gewohnen. Komm mit! Komm mit! Es kann nicht anders sein, Ich tret heran und fuehre dich herein, Und ich verbinde dich aufs neue. Was sagst du, Freund? das ist kein kleiner Raum. Da sieh nur hin! du siehst das Ende kaum. Ein Hundert Feuer brennen in der Reihe Man tanzt, man schwatzt, man kocht, man trinkt, man liebt Nun sage mir, wo es was Bessers gibt? FAUST: Willst du dich nun, um uns hier einzufuehren, Als Zaubrer oder Teufel produzieren? MEPHISTOPHELES: Zwar bin ich sehr gewohnt, inkognito zu gehn, Doch laesst am Galatag man seinen Orden sehn. Ein Knieband zeichnet mich nicht aus, Doch ist der Pferdefuss hier ehrenvoll zu Haus. Siehst du die Schnecke da? sie kommt herangekrochen; Mit ihrem tastenden Gesicht Hat sie mir schon was abgerochen. Wenn ich auch will, verleugn ich hier mich nicht. Komm nur! von Feuer gehen wir zu Feuer, Ich bin der Werber, und du bist der Freier. (Zu einigen, die um verglimmende Kohlen sitzen:) Ihr alten Herrn, was macht ihr hier am Ende? Ich lobt euch, wenn ich euch huebsch in der Mitte faende, Von Saus umzirkt und Jugendbraus; Genug allein ist jeder ja zu Haus. GENERAL: Wer mag auf Nationen trauen! Man habe noch so viel fuer sie getan; Denn bei dem Volk wie bei den Frauen Steht immerfort die Jugend oben an. MINISTER: Jetzt ist man von dem Rechten allzu weit, Ich lobe mir die guten Alten; Denn freilich, da wir alles galten, Da war die rechte goldne Zeit. PARVENUE: Wir waren wahrlich auch nicht dumm Und taten oft, was wir nicht sollten; Doch jetzo kehrt sich alles um und um, Und eben da wir's fest erhalten wollten. AUTOR: Wer mag wohl ueberhaupt jetzt eine Schrift Von maessig klugem Inhalt lesen! Und was das liebe junge Volk betrifft, Das ist noch nie so naseweis gewesen. MEPHISTOPHELES (der auf einmal sehr alt erscheint): Zum Juengsten Tag fuehl ich das Volk gereift, Da ich zum letztenmal den Hexenberg ersteige, Und weil mein Faesschen truebe laeuft, So ist die Welt auch auf der Neige. TROEDELHEXE: Ihr Herren, geht nicht so vorbei! Lasst die Gelegenheit nicht fahren! Aufmerksam blickt nach meinen Waren, Es steht dahier gar mancherlei. Und doch ist nichts in meinem Laden, Dem keiner auf der Erde gleicht, Das nicht einmal zum tuecht'gen Schaden Der Menschen und der Welt gereicht. Kein Dolch ist hier, von dem nicht Blut geflossen, Kein Kelch, aus dem sich nicht in ganz gesunden Leib Verzehrend heisses Gift ergossen, Kein Schmuck, der nicht ein liebenswuerdig Weib Verfuehrt, kein Schwert, das nicht den Bund gebrochen, Nicht etwa hinterruecks den Gegenmann durchstochen. MEPHISTOPHELES: Frau Muhme! Sie versteht mir schlecht die Zeiten. Getan, geschehn! Geschehn, getan! Verleg Sie sich auf Neuigkeiten! Nur Neuigkeiten ziehn uns an. FAUST: Dass ich mich nur nicht selbst vergesse! Heiss ich mir das doch eine Messe! MEPHISTOPHELES: Der ganze Strudel strebt nach oben; Du glaubst zu schieben, und du wirst geschoben. FAUST: Wer ist denn das? MEPHISTOPHELES: Betrachte sie genau! Lilith ist das. FAUST: Wer? MEPHISTOPHELES: Adams erste Frau. Nimm dich in acht vor ihren schoenen Haaren, Vor diesem Schmuck, mit dem sie einzig prangt. Wenn sie damit den jungen Mann erlangt, So laesst sie ihn so bald nicht wieder fahren. FAUST: Da sitzen zwei, die Alte mit der Jungen; Die haben schon was Rechts gesprungen! MEPHISTOPHELES: Das hat nun heute keine Ruh. Es geht zum neuen Tanz, nun komm! wir greifen zu. FAUST (mit der Jungen tanzend): Einst hatt ich einen schoenen Traum Da sah ich einen Apfelbaum, Zwei schoene Aepfel glaenzten dran, Sie reizten mich, ich stieg hinan. DIE SCHOENE: Der Aepfelchen begehrt ihr sehr, Und schon vom Paradiese her. Von Freuden fuehl ich mich bewegt, Dass auch mein Garten solche traegt. MEPHISTOPHELES (mit der Alten): Einst hatt ich einen wuesten Traum Da sah ich einen gespaltnen Baum, Der hatt ein ungeheures Loch; So gross es war, gefiel mir's doch. DIE ALTE: Ich biete meinen besten Gruss Dem Ritter mit dem Pferdefuss! Halt Er einen rechten Pfropf bereit, Wenn Er das grosse Loch nicht scheut. PROKTOPHANTASMIST: Verfluchtes Volk! was untersteht ihr euch? Hat man euch lange nicht bewiesen: Ein Geist steht nie auf ordentlichen Fuessen? Nun tanzt ihr gar, uns andern Menschen gleich! DIE SCHOENE (tanzend): Was will denn der auf unserm Ball? FAUST (tanzend): Ei! der ist eben ueberall. Was andre tanzen, muss er schaetzen. Kann er nicht jeden Schritt beschwaetzen, So ist der Schritt so gut als nicht geschehn. Am meisten aergert ihn, sobald wir vorwaerts gehn. Wenn ihr euch so im Kreise drehen wolltet, Wie er's in seiner alten Muehle tut Das hiess' er allenfalls noch gut Besonders wenn ihr ihn darum begruessen solltet. PROKTOPHANTASMIST: Ihr seid noch immer da! nein, das ist unerhoert. Verschwindet doch! Wir haben ja aufgeklaert! Das Teufelspack, es fragt nach keiner Regel Wir sind so klug, und dennoch spukt's in Tegel. Wie lange hab ich nicht am Wahn hinausgekehrt, Und nie wird's rein; das ist doch unerhoert! DIE SCHOENE: So hoert doch auf, uns hier zu ennuyieren! PROKTOPHANTASMIST: Ich sag's euch Geistern ins Gesicht: Den Geistesdespotismus leid ich nicht; Mein Geist kann ihn nicht exerzieren. (Es wird fortgetanzt.) Heut, seh ich, will mir nichts gelingen; Doch eine Reise nehm ich immer mit Und hoffe noch vor meinem letzten Schritt Die Teufel und die Dichter zu bezwingen. MEPHISTOPHELES: Er wird sich gleich in eine Pfuetze setzen, Das ist die Art, wie er sich soulagiert, Und wenn Blutegel sich an seinem Steiss ergetzen, Ist er von Geistern und von Geist kuriert. (Zu Faust, der aus dem Tanz getreten ist.) Was laessest du das schoene Maedchen fahren, Das dir zum Tanz so lieblich sang? FAUST: Ach! mitten im Gesange sprang Ein rotes Maeuschen ihr aus dem Munde. MEPHISTOPHELES: Das ist was Rechts! das nimmt man nicht genau; Genug, die Maus war doch nicht grau. Wer fragt darnach in einer Schaeferstunde? FAUST: Dann sah ich- MEPHISTOPHELES: Was? FAUST: Mephisto, siehst du dort Ein blasses, schoenes Kind allein und ferne stehen? Sie schiebt sich langsam nur vom Ort, Sie scheint mit geschlossnen Fuessen zu gehen. Ich muss bekennen, dass mir deucht, Dass sie dem guten Gretchen gleicht. MEPHISTOPHELES: Lass das nur stehn! dabei wird's niemand wohl. Es ist ein Zauberbild, ist leblos, ein Idol. Ihm zu begegnen, ist nicht gut: Vom starren Blick erstarrt des Menschen Blut, Und er wird fast in Stein verkehrt; Von der Meduse hast du ja gehoert. FAUST: Fuerwahr, es sind die Augen einer Toten, Die eine liebende Hand nicht schloss. Das ist die Brust, die Gretchen mir geboten, Das ist der suesse Leib, den ich genoss. MEPHISTOPHELES: Das ist die Zauberei, du leicht verfuehrter Tor! Denn jedem kommt sie wie sein Liebchen vor. FAUST: Welch eine Wonne! welch ein Leiden! Ich kann von diesem Blick nicht scheiden. Wie sonderbar muss diesen schoenen Hals Ein einzig rotes Schnuerchen schmuecken, Nicht breiter als ein Messerruecken! MEPHISTOPHELES: Ganz recht! ich seh es ebenfalls. Sie kann das Haupt auch unterm Arme tragen, Denn Perseus hat's ihr abgeschlagen. Nur immer diese Lust zum Wahn! Komm doch das Huegelchen heran, Hier ist's so lustig wie im Prater Und hat man mir's nicht angetan, So seh ich wahrlich ein Theater. Was gibt's denn da? SERVIBILIS: Gleich faengt man wieder an. Ein neues Stueck, das letzte Stueck von sieben. So viel zu geben ist allhier der Brauch, Ein Dilettant hat es geschrieben Und Dilettanten spielen's auch. Verzeiht, ihr Herrn, wenn ich verschwinde Mich dilettiert's, den Vorhang aufzuziehn. MEPHISTOPHELES: Wenn ich euch auf dem Blocksberg finde, Das find ich gut; denn da gehoert ihr hin. Walpurgisnachtstraum oder Oberons und Titanias goldne Hochzeit Intermezzo THEATERMEISTER: Heute ruhen wir einmal, Miedings wackre Soehne. Alter Berg und feuchtes Tal, Das ist die ganze Szene! HEROLD: Dass die Hochzeit golden sei, Solln funfzig Jahr sein vorueber; Aber ist der Streit vorbei, Das golden ist mir lieber. OBERON: Seid ihr Geister, wo ich bin, So zeigt's in diesen Stunden; Koenig und die Koenigin, Sie sind aufs neu verbunden. PUCK: Kommt der Puck und dreht sich quer Und schleift den Fuss im Reihen; Hundert kommen hinterher, Sich auch mit ihm zu freuen. ARIEL: Ariel bewegt den Sang In himmlisch reinen Toenen; Viele Fratzen lockt sein Klang, Doch lockt er auch die Schoenen. OBERON: Gatten, die sich vertragen wollen, Lernen's von uns beiden! Wenn sich zweie lieben sollen, Braucht man sie nur zu scheiden. TITANIA: Schmollt der Mann und grillt die Frau, So fasst sie nur behende, Fuehrt mir nach dem Mittag sie, Und ihn an Nordens Ende. ORCHESTER TUTTI (Fortissimo): Fliegenschnauz und Mueckennas Mit ihren Anverwandten, Frosch im Laub und Grill im Gras, Das sind die Musikanten! SOLO: Seht, da kommt der Dudelsack! Es ist die Seifenblase. Hoert den Schneckeschnickeschnack Durch seine stumpfe Nase GEIST, DER SICH ERST BILDET: Spinnenfuss und Kroetenbauch Und Fluegelchen dem Wichtchen! Zwar ein Tierchen gibt es nicht, Doch gibt es ein Gedichtchen. EIN PAERCHEN: Kleiner Schritt und hoher Sprung Durch Honigtau und Duefte Zwar du trippelst mir genung, Doch geh's nicht in die Luefte. NEUGIERIGER REISENDER: Ist das nicht Maskeradenspott? Soll ich den Augen trauen, Oberon, den schoenen Gott, Auch heute hier zu schauen? ORTHODOX: Keine Klauen, keinen Schwanz! Doch bleibt es ausser Zweifel: So wie die Goetter Griechenlands, So ist auch er ein Teufel. NORDISCHER KUENSTLER: Was ich ergreife, das ist heut Fuerwahr nur skizzenweise; Doch ich bereite mich beizeit Zur italien'schen Reise. PURIST: Ach! mein Unglueck fuehrt mich her: Wie wird nicht hier geludert! Und von dem ganzen Hexenheer Sind zweie nur gepudert. JUNGE HEXE Der Puder ist so wie der Rock Fuer alt' und graue Weibchen, Drum sitz ich nackt auf meinem Bock Und zeig ein derbes Leibchen. MATRONE: Wir haben zu viel Lebensart Um hier mit euch zu maulen! Doch hoff ich, sollt ihr jung und zart So wie ihr seid, verfaulen. KAPELLMEISTER: Fliegenschnauz und Mueckennas Umschwaermt mir nicht die Nackte! Frosch im Laub und Grill im Gras, So bleibt doch auch im Takte! WINDFAHNE (nach der einen Seite): Gesellschaft, wie man wuenschen kann: Wahrhaftig lauter Braeute! Und Junggesellen, Mann fuer Mann, Die hoffnungsvollsten Leute! WINDFAHNE (nach der andern Seite): Und tut sich nicht der Boden auf, Sie alle zu verschlingen, So will ich mit behendem Lauf Gleich in die Hoelle springen. XENIEN: Als Insekten sind wir da, Mit kleinen scharfen Scheren, Satan, unsern Herrn Papa, Nach Wuerden zu verehren. HENNINGS: Seht, wie sie in gedraengter Schar Naiv zusammen scherzen! Am Ende sagen sie noch gar, Sie haetten gute Herzen. MUSAGET: Ich mag in diesem Hexenheer Mich gar zu gern verlieren; Denn freilich diese wuesst ich eh'r Als Musen anzufuehren. CI-DEVANT GENIUS DER ZEIT: Mit rechten Leuten wird man was. Komm, fasse meinen Zipfel! Der Blocksberg, wie der deutsche Parnass, Hat gar einen breiten Gipfel. NEUGIERIGER REISENDER: Sagt, wie heisst der steife Mann? Er geht mit stolzen Schritten. Er schnopert, was er schnopern kann. »Er spuert nach Jesuiten.« KRANICH: In dem klaren mag ich gern Und auch im trueben fischen; Darum seht ihr den frommen Herrn Sich auch mit Teufeln mischen. WELTKIND: Ja, fuer die Frommen, glaubet mir, Ist alles ein Vehikel, Sie bilden auf dem Blocksberg hier Gar manches Konventikel. TAENZER: Da kommt ja wohl ein neues Chor? Ich hoere ferne Trommeln. »Nur ungestoert! es sind im Rohr Die unisonen Dommeln.« TANZMEISTER: Wie jeder doch die Beine lupft! Sich, wie er kann, herauszieht! Der Krumme springt, der Plumpe hupft Und fragt nicht, wie es aussieht. FIEDLER: Das hasst sich schwer, das Lumpenpack, Und gaeb sich gern das Restchen; Es eint sie hier der Dudelsack, Wie Orpheus' Leier die Bestjen. DOGMATIKER: Ich lasse mich nicht irre schrein, Nicht durch Kritik noch Zweifel. Der Teufel muss doch etwas sein; Wie gaeb's denn sonst auch Teufel? IDEALIST: Die Phantasie in meinem Sinn Ist diesmal gar zu herrisch. Fuerwahr, wenn ich das alles bin, So bin ich heute naerrisch. REALIST: Das Wesen ist mir recht zur Qual Und muss mich bass verdriessen; Ich stehe hier zum erstenmal Nicht fest auf meinen Fuessen. SUPERNATURALIST: Mit viel Vergnuegen bin ich da Und freue mich mit diesen; Denn von den Teufeln kann ich ja Auf gute Geister schliessen. SKEPTIKER: Sie gehn den Flaemmchen auf der Spur Und glaubn sich nah dem Schatze. Auf Teufel reimt der Zweifel nur; Da bin ich recht am Platze. KAPELLMEISTER: Frosch im Laub und Grill im Gras, Verfluchte Dilettanten! Fliegenschnauz und Mueckennas, Ihr seid doch Musikanten! DIE GEWANDTEN: Sanssouci, so heisst das Heer Von lustigen Geschoepfen; Auf den Fuessen geht's nicht mehr, Drum gehn wir auf den Koepfen. DIE UNBEHILFLICHEN: Sonst haben wir manchen Bissen erschranzt, Nun aber Gott befohlen! Unsere Schuhe sind durchgetanzt, Wir laufen auf nackten Sohlen. IRRLICHTER: Von dem Sumpfe kommen wir, Woraus wir erst entstanden; Doch sind wir gleich im Reihen hier Die glaenzenden Galanten. STERNSCHNUPPE: Aus der Hoehe schoss ich her Im Stern- und Feuerscheine, Liege nun im Grase quer- Wer hilft mir auf die Beine? DIE MASSIVEN: Platz und Platz! und ringsherum! So gehn die Graeschen nieder. Geister kommen, Geister auch, Sie haben plumpe Glieder. PUCK: Tretet nicht so mastig auf Wie Elefantenkaelber, Und der plumpst' an diesem Tag Sei Puck, der derbe, selber. ARIEL: Gab die liebende Natur, Gab der Geist euch Fluegel, Folget meiner leichten Spur, Auf zum Rosenhuegel! ORCHESTER (Pianissimo): Wolkenzug und Nebelflor Erhellen sich von oben. Luft im Laub und Wind im Rohr, Und alles ist zerstoben. Trueber Tag. Feld Faust. Mephistopheles. FAUST: Im Elend! Verzweifelnd! Erbaermlich auf der Erde lange verirrt und nun gefangen! Als Missetaeterin Im Kerker zu entsetzlichen Qualen eingesperrt, das holde unselige Geschoepf! Bis dahin! dahin!- Verraeterischer, nichtswuerdiger Geist, und das hast du mir verheimlicht!- Steh nur, steh! waelze die teuflischen Augen ingrimmend im Kopf herum! Steh und trutze mir durch deine unertraegliche Gegenwart! Gefangen! Im unwiederbringlichen Elend! Boesen Geistern uebergeben und der richtenden gefuehllosen Menschheit! Und mich wiegst du indes in abgeschmackten Zerstreuungen, verbirgst mir ihren wachsenden Jammer und laessest sie hilflos verderben! MEPHISTOPHELES: Sie ist die erste nicht. FAUST: Hund! abscheuliches Untier!- Wandle ihn, du unendlicher Geist! wandle den Wurm wieder in seine Hundsgestalt, wie er sich oft naechtlicherweile gefiel, vor mir herzutrotten, dem harmlosen Wandrer vor die Fuesse zu kollern und sich dem niederstuerzenden auf die Schultern zu haengen. Wandl' ihn wieder in seine Lieblingsbildung, dass er vor mir im Sand auf dem Bauch krieche ich ihn mit Fuessen trete, den Verworfnen!- »Die erste nicht!«- Jammer! Jammer! von keiner Menschenseele zu fassen, dass mehr als ein Geschoepf in die Tiefe dieses Elendes versank, dass nicht das erste genugtat fuer die Schuld aller uebrigen in seiner windenden Todesnot vor den Augen des ewig Verzeihenden! Mir wuehlt es Mark und Leben durch, das Elend dieser einzigen- du grinsest gelassen ueber das Schicksal von Tausenden hin! MEPHISTOPHELES: Nun sind wir schon wieder an der Grenze unsres Witzes, da, wo euch Menschen der Sinn ueberschnappt. Warum machst du Gemeinschaft mit uns wenn du sie nicht durchfuehren kannst? Willst fliegen und bist vorm Schwindel nicht sicher? Drangen wir uns dir auf, oder du dich uns? FAUST: Fletsche deine gefraessigen Zaehne mir nicht so entgegen! Mir ekelt's!- Grosser, herrlicher Geist, der du mir zu erscheinen wuerdigtest, der du mein Herz kennest und meine Seele, warum an den Schandgesellen mich schmieden, der sich am Schaden weidet und am Verderben sich letzt? MEPHISTOPHELES: Endigst du? FAUST: Rette sie! oder weh dir! Den graesslichsten Fluch ueber dich auf Jahrtausende! MEPHISTOPHELES: Ich kann die Bande des Raechers nicht loesen, seine Riegel nicht oeffnen.- »Rette sie!«- Wer war's, der sie ins Verderben stuerzte? Ich oder du? (Faust blickt wild umher.) Greifst du nach dem Donner? Wohl, dass er euch elenden Sterblichen nicht gegeben ward! Den unschuldig Entgegnenden zu zerschmettern, das ist so Tyrannenart, sich in Verlegenheiten Luft zu machen. FAUST: Bringe mich hin! Sie soll frei sein! MEPHISTOPHELES: Und die Gefahr, der du dich aussetzest? Wisse, noch liegt auf der Stadt Blutschuld von deiner Hand. Ueber des Erschlagenen Staette schweben raechende Geister und lauern auf den wiederkehrenden Moerder. FAUST: Noch das von dir? Mord und Tod einer Welt ueber dich Ungeheuer! Fuehre mich hin, sag ich, und befrei sie. MEPHISTOPHELES: Ich fuehre dich, und was ich tun kann, hoere! Habe ich alle Macht im Himmel und auf Erden? Des Tuerners Sinne will ich umnebeln, bemaechtige dich der Schluessel und fuehre sie heraus mit Menschenhand! Ich wache, die Zauberpferde sind bereit, ich entfuehre euch. Das vermag ich. FAUST: Auf und davon! Nacht, offen Feld Faust, Mephistopheles, auf schwarzen Pferden daherbrausend. FAUST: Was weben die dort um den Rabenstein? MEPHISTOPHELES: Weiss nicht, was sie kochen und schaffen. FAUST: Schweben auf, schweben ab, neigen sich, beugen sich. MEPHISTOPHELES: Eine Hexenzunft. FAUST: Sie streuen und weihen. MEPHISTOPHELES: Vorbei! Vorbei! Kerker Faust mit einem Bund Schluessel und einer Lampe, vor einem eisernen Tuerchen. Mich fasst ein laengst entwohnter Schauer, Der Menschheit ganzer Jammer fasst mich an Hier wohnt sie hinter dieser feuchten Mauer Und ihr Verbrechen war ein guter Wahn Du zauderst, zu ihr zu gehen! Du fuerchtest, sie wiederzusehen! Fort! dein Zagen zoegert den Tod heran. (Er ergreift das Schloss. Es singt inwendig.) Meine Mutter, die Hur Die mich umgebracht hat! Mein Vater, der Schelm Der mich gessen hat! Mein Schwesterlein klein Hub auf die Bein An einem kuehlen Ort; Da ward ich ein schoenes Waldvoegelein; Fliege fort, fliege fort! FAUST (aufschliessend): Sie ahnet nicht, dass der Geliebte lauscht, Die Ketten klirren hoert, das Stroh, das rauscht. (Er tritt ein.) MARGARETE (sich auf dem Lager verbergend): Weh! Weh! Sie kommen. Bittrer Tod! FAUST (leise): Still! Still! ich komme, dich zu befreien. MARGARETE (sich vor ihn hinwaelzend): Bist du ein Mensch, so fuehle meine Not. FAUST: Du wirst die Waechter aus dem Schlafe schreien! (Er fasst die Ketten, sie aufzuschliessen.) MARGARETE (auf den Knien): Wer hat dir Henker diese Macht Ueber mich gegeben! Du holst mich schon um Mitternacht. Erbarme dich und lass mich leben! Ist's morgen frueh nicht zeitig genung? (Sie steht auf.) Bin ich doch noch so jung, so jung! Und soll schon sterben! Schoen war ich auch, und das war mein Verderben. Nah war der Freund, nun ist er weit; Zerrissen liegt der Kranz, die Blumen zerstreut. Fasse mich nicht so gewaltsam an! Schone mich! Was hab ich dir getan? Lass mich nicht vergebens flehen, Hab ich dich doch mein Tage nicht gesehen! FAUST: Werd ich den Jammer ueberstehen! MARGARETE: Ich bin nun ganz in deiner Macht. Lass mich nur erst das Kind noch traenken. Ich herzt es diese ganze Nacht; Sie nahmen mir's, um mich zu kraenken, Und sagen nun, ich haett es umgebracht. Und niemals werd ich wieder froh.. Sie singen Lieder auf mich! Es ist boes von den Leuten! Ein altes Maerchen endigt so, Wer heisst sie's deuten? FAUST (wirft sich nieder): Ein Liebender liegt dir zu Fuessen, Die Jammerknechtschaft aufzuschliessen. MARGARETE (wirft sich zu ihm): O lass uns knien, die Heil'gen anzurufen! Sieh! unter diesen Stufen, Unter der Schwelle Siedet die Hoelle! Der Boese, Mit furchtbarem Grimme, Macht ein Getoese! FAUST (lacht): Gretchen! Gretchen! MARGARETE (aufmerksam): Das war des Freundes Stimme! (Sie springt auf. Die Ketten fallen ab.) Wo ist er? ich hab ihn rufen hoeren. Ich bin frei! mir soll niemand wehren. An seinen Hals will ich fliegen, An seinem Busen liegen! Er rief Gretchen! Er stand auf der Schwelle. Mitten durchs Heulen und Klappen der Hoelle, Durch den grimmigen, teuflischen Hohn Erkannt ich den suessen, den liebenden Ton. FAUST: Ich bin's! MARGARETE: Du bist's! O sag es noch einmal! (Ihn fassend.) Er ist's! Er ist's! Wohin ist alle Qual? Wohin die Angst des Kerkers? der Ketten? Du bist's! Kommst, mich zu retten. Ich bin gerettet! Schon ist die Strasse wieder da Auf der ich dich zum ersten Male sah Und der heitere Garten' Wo ich und Marthe deiner warten FAUST (fortstrebend): Komm mit! Komm mit! MARGARETE: O weile Weil ich doch so gern, wo du weilest. (Liebkosend.) FAUST: Eile! Wenn du nicht eilest Werden wir's teuer buessen muessen. MARGARETE: Wie? du kannst nicht mehr kuessen? Mein Freund, so kurz von mir entfernt Und hast's Kuessen verlernt? Warum wird mir an deinem Halse so bang? Wenn sonst von deinen Worten, deinen Blicken Ein ganzer Himmel mich ueberdrang Und du mich kuesstest, als wolltest du mich ersticken. Kuesse mich! Sonst kuess ich dich! (Sie umfasst ihn.) O weh! deine Lippen sind kalt, Sind stumm. Wo ist dein Lieben Geblieben? Wer brachte mich drum? (Sie wendet sich von ihm.) FAUST: Komm! Folge mir! Liebchen, fasse Mut! Ich herze dich mit tausendfacher Glut Nur folge mir! Ich bitte dich nur dies! MARGARETE (zu ihm gewendet): Und bist du's denn? Und bist du's auch gewiss? FAUST: Ich bin's! Komm mit! MARGARETE: Du machst die Fesseln los, Nimmst wieder mich in deinen Schoss. Wie kommt es, dass du dich vor mir nicht scheust? Und weisst du denn, mein Freund, wen du befreist? FAUST: Komm! komm! schon weicht die tiefe Nacht. MARGARETE: Meine Mutter hab ich umgebracht, Mein Kind hab ich ertraenkt. War es nicht dir und mir geschenkt? Dir auch.- Du bist's! ich glaub es kaum. Gib deine Hand! Es ist kein Traum! Deine liebe Hand!- Ach, aber sie ist feucht! Wische sie ab! Wie mich deucht, Ist Blut dran. Ach Gott! was hast du getan! Stecke den Degen ein, Ich bitte dich drum! FAUST: Lass das Vergangne vergangen sein, Du bringst mich um. MARGARETE: Nein, du musst uebrigbleiben! Ich will dir die Graeber beschreiben, Fuer die musst du sorgen Gleich morgen; Der Mutter den besten Platz geben, Meinen Bruder sogleich darneben, Mich ein wenig beiseit', Nur nicht gar zu weit! Und das Kleine mir an die rechte Brust. Niemand wird sonst bei mir liegen!- Mich an deine Seite zu schmiegen, Das war ein suesses, ein holdes Glueck! Aber es will mir nicht mehr gelingen; Mir ist's, als muesst ich mich zu dir zwingen, Als stiessest du mich von dir zurueck; Und doch bist du's und blickst so gut, so fromm. FAUST: Fuehlst du, dass ich es bin, so komm! MARGARETE: Dahinaus? FAUST: Ins Freie. MARGARETE: Ist das Grab drauss, Lauert der Tod, so komm! Von hier ins ewige Ruhebett Und weiter keinen Schritt Du gehst nun fort? O Heinrich, koennt ich mit! FAUST: Du kannst! So wolle nur! Die Tuer steht offen! MARGARETE: Ich darf nicht fort; fuer mich ist nichts zu hoffen. Was hilft es, fliehn? Sie lauern doch mir auf. Es ist so elend, betteln zu muessen Und noch dazu mit boesem Gewissen! Es ist so elend, in der Fremde schweifen Und sie werden mich doch ergreifen! FAUST: Ich bleibe bei dir MARGARETE: Geschwind! Geschwind! Rette dein armes Kind! Fort! immer den Weg Am Bach hinauf, Ueber den Steg, In den Wald hinein, Links, wo die Planke steht, Im Teich. Fass es nur gleich! Es will sich heben, Es zappelt noch! Rette! rette! FAUST: Besinne dich doch! Nur einen Schritt, so bist du frei! MARGARETE: Waeren wir nur den Berg vorbei! Da sitzt meine Mutter auf einem Stein, Es fasst mich kalt beim Schopfe! Da sitzt meine Mutter auf einem Stein Und wackelt mit dem Kopfe Sie winkt nicht, sie nickt nicht, der Kopf ist ihr schwer, Sie schlief so lange, sie wacht nicht mehr. Sie schlief, damit wir uns freuten. Es waren glueckliche Zeiten! FAUST: Hilft hier kein Flehen, hilft kein Sagen, So wag ich's, dich hinwegzutragen. MARGARETE: Lass mich! Nein, ich leide keine Gewalt! Fasse mich nicht so moerderisch an! Sonst hab ich dir ja alles zulieb getan. FAUST: Der Tag graut! Liebchen! Liebchen! MARGARETE: Tag! Ja, es wird Tag! der letzte Tag dringt herein; Mein Hochzeittag sollt es sein! Sag niemand, dass du schon bei Gretchen warst. Weh meinem Kranze! Es ist eben geschehn! Wir werden uns wiedersehn; Aber nicht beim Tanze. Die Menge draengt sich, man hoert sie nicht. Der Platz, die Gassen Koennen sie nicht fassen. Die Glocke ruft, das Staebchen bricht. Wie sie mich binden und packen! Zum Blutstuhl bin ich schon entrueckt. Schon zuckt nach jedem Nacken Die Schaerfe, die nach meinem zueckt. Stumm liegt die Welt wie das Grab! FAUST: O waer ich nie geboren! MEPHISTOPHELES (erscheint draussen): Auf! oder ihr seid verloren. Unnuetzes Zagen! Zaudern und Plaudern! Mein Pferde schaudern, Der Morgen daemmert auf. MARGARETE: Was steigt aus dem Boden herauf? Der! der! Schick ihn fort! Was will der an dem heiligen Ort? Er will mich! FAUST: Du sollst leben! MARGARETE: Gericht Gottes! dir hab ich mich uebergeben! MEPHISTOPHELES (zu Faust): Komm! komm! Ich lasse dich mit ihr im Stich. MARGARETE: Dein bin ich, Vater! Rette mich! Ihr Engel! Ihr heiligen Scharen, Lagert euch umher, mich zu bewahren! Heinrich! Mir graut's vor dir. MEPHISTOPHELES: Sie ist gerichtet! STIMME (von oben): Ist gerettet! MEPHISTOPHELES (zu Faust): Her zu mir! (Verschwindet mit Faust.) STIMME (von innen, verhallend): Heinrich! Heinrich! Der Tragoedie zweiter Teil 1. Anmutige Gegend 2. Hochgewoelbtes enges gotisches Zimmer 3. Vor dem Palaste des Menelas zu Sparta 4. Hochgebirg 5. Offene Gegend Der Tragoedie zweiter Teil 1. Akt Anmutige Gegend ariel Wenn der Blueten Fruehlingsregen ueber alle schwebend sinkt, Wenn der Felder gruener Segen Allen Erdgebornen blinkt, Kleiner Elfen Geistergroesse Eilet, wo sie helfen kann, Ob er heilig, ob er boese, Jammert sie der Ungluecksmann. Die ihr dies Haupt umschwebt im luft'gen Kreise, Erzeigt euch hier nach edler Elfen Weise, Besaenftiget des Herzens grimmen Strauss, Entfernt des Vorwurfs gluehend bittre Pfeile, Sein Innres reinigt von erlebtem Graus. Vier sind die Pausen naechtiger Weile, Nun ohne Saeumen fuellt sie freundlich aus. Erst senkt sein Haupt aufs kuehle Polster nieder, Dann badet ihn in Tau aus Lethes Flut; Gelenk sind bald die krampferstarrten Glieder, Wenn er gestaerkt dem Tag entgegenruht; Vollbringt der Elfen schoenste Pflicht, Gebt ihn zurueck dem heiligen Licht. chor Wenn sich lau die Luefte fuellen Um den gruenumschraenkten Plan, Suesse Duefte, Nebelhuellen Senkt die Daemmerung heran. Lispelt leise suessen Frieden, Wiegt das Herz in Kindesruh; Und den Augen dieses Mueden Schliesst des Tages Pforte zu. Nacht ist schon hereingesunken, Schliesst sich heilig Stern an Stern, Grosse Lichter, kleine Funken Glitzern nah und glaenzen fern; Glitzern hier im See sich spiegelnd, Glaenzen droben klarer Nacht, Tiefsten Ruhens Glueck besiegelnd Herrscht des Mondes volle Pracht. Schon verloschen sind die Stunden, Hingeschwunden Schmerz und Glueck; Fuehl es vor! Du wirst gesunden; Traue neuem Tagesblick. Taeler gruenen, Huegel schwellen, Buschen sich zu Schattenruh; Und in schwanken Silberwellen Wogt die Saat der Ernte zu. Wunsch um Wuensche zu erlangen, Schaue nach dem Glanze dort! Leise bist du nur umfangen, Schlaf ist Schale, wirf sie fort! Saeume nicht, dich zu erdreisten, Wenn die Menge zaudernd schweift; Alles kann der Edle leisten, Der versteht und rasch ergreift. ariel Horchet! horcht dem Sturm der Horen! Toenend wird fuer Geistesohren Schon der neue Tag geboren. Felsentore knarren rasselnd, Phoebus' Raeder rollen prasselnd, Welch Getoese bringt das Licht! Es trommetet, es posaunet, Auge blinzt und Ohr erstaunet, Unerhoertes hoert sich nicht. Schluepfet zu den Blumenkronen, Tiefer, tiefer, still zu wohnen, In die Felsen, unters Laub; Trifft es euch, so seid ihr taub. faust Des Lebens Pulse schlagen frisch lebendig, aetherische Daemmerung milde zu begruessen; Du, Erde, warst auch diese Nacht bestaendig Und atmest neu erquickt zu meinen Fuessen, Beginnest schon, mit Lust mich zu umgeben, Du regst und ruehrst ein kraeftiges Beschliessen, Zum hoechsten Dasein immerfort zu streben. - In Daemmerschein liegt schon die Welt erschlossen, Der Wald ertoent von tausendstimmigem Leben, Tal aus, Tal ein ist Nebelstreif ergossen, Doch senkt sich Himmelsklarheit in die Tiefen, Und Zweig und aeste, frisch erquickt, entsprossen Dem duft'gen Abgrund, wo versenkt sie schliefen; Auch Farb' an Farbe klaert sich los vom Grunde, Wo Blum' und Blatt von Zitterperle triefen - Ein Paradies wird um mich her die Runde. Hinaufgeschaut! - Der Berge Gipfelriesen Verkuenden schon die feierlichste Stunde; Sie duerfen frueh des ewigen Lichts geniessen, Das spaeter sich zu uns hernieder wendet. Jezt zu der Alpe gruengesenkten Wiesen Wird neuer Glanz und Deutlichkeit gespendet, Und stufenweis herab ist es gelungen; - Sie tritt hervor! - und, leider schon geblendet, Kehr' ich mich weg, vom Augenschmerz durchdrungen. So ist es also, wenn ein sehnend Hoffen Dem hoechsten Wunsch sich traulich zugerungen, Erfuellungspforten findet fluegeloffen; Nun aber bricht aus jenen ewigen Gruenden Ein Flammenuebermass, wir stehn betroffen; Des Lebens Fackel wollten wir entzuenden, Ein Feuermeer umschlingt uns, welch ein Feuer! Ist's Lieb'? ist's Hass? die gluehend uns umwinden, Mit Schmerz und Freuden wechselnd ungeheuer, So dass wir wieder nach der Erde blicken, Zu bergen uns in jugendlichstem Schleier. So bleibe denn die Sonne mir im Ruecken! Der Wassersturz, das Felsenriff durchbrausend, Ihn schau' ich an mit wachsendem Entzuecken. Von Sturz zu Sturzen waelzt er jetzt in tausend, Dann abertausend Stroemen sich ergiessend, Hoch in die Luefte Schaum an Schaeume sausend. Allein wie herrlich, diesem Sturm erspriessend, Woelbt sich des bunten Bogens Wechseldauer, Bald rein gezeichnet, bald in Luft zerfliessend, Umher verbreitend duftig kuehle Schauer. Der spiegelt ab das menschliche Bestreben. Ihm sinne nach, und du begreifst genauer: Am farbigen Abglanz haben wir das Leben. Kaiserliche Pfalz. Saal des Thrones kaiser Ich gruesse die Getreuen, Lieben, Versammelt aus der Naeh' und Weite; - Den Weisen seh' ich mir zur Seite, Allein wo ist der Narr geblieben? junker Gleich hinter deiner Mantelschleppe Stuerzt' er zusammen auf der Treppe, Man trug hinweg das Fettgewicht, Tot oder trunken? weiss man nicht. zweiter junker Sogleich mit wunderbarer Schnelle Draengt sich ein andrer an die Stelle. Gar koestlich ist er aufgeputzt, Doch fratzenhaft, dass jeder stutzt; Die Wache haelt ihm an der Schwelle Kreuzweis die Hellebarden vor - Da ist er doch, der kuehne Tor! mephistopheles Was ist verwuenscht und stets willkommen? Was ist ersehnt und stets verjagt? Was immerfort in Schutz genommen? Was hart gescholten und verklagt? Wen darfst du nicht herbeiberufen? Wen hoeret jeder gern genannt? Was naht sich deines Thrones Stufen? Was hat sich selbst hinweggebannt? kaiser Fuer diesmal spare deine Worte! Hier sind die Raetsel nicht am Orte, Das ist die Sache dieser Herrn. - Da loese du! das hoert' ich gern. Mein alter Narr ging, fuercht' ich, weit ins Weite; Nimm seinen Platz und komm an meine Seite. gemurmel der menge Ein neuer Narr - Zu neuer Pein - Wo kommt er her? - Wie kam er ein? - Der alte fiel - Der hat vertan - Es war ein Fass - Nun ist's ein Span - kaiser Und also, ihr Getreuen, Lieben, Willkommen aus der Naeh' und Ferne! Ihr sammelt euch mit guenstigem Sterne, Da droben ist uns Glueck und Heil geschrieben. Doch sagt, warum in diesen Tagen, Wo wir der Sorgen uns entschlagen, Schoenbaerte mummenschaenzlich tragen Und Heitres nur geniessen wollten, Warum wir uns ratschlagend quaelen sollten? Doch weil ihr meint, es ging' nicht anders an, Geschehen ist's, so sei's getan. kanzler Die hoechste Tugend, wie ein Heiligenschein, Umgibt des Kaisers Haupt; nur er allein Vermag sie gueltig auszuueben: Gerechtigkeit! - Was alle Menschen lieben, Was alle fordern, wuenschen, schwer entbehren, Es liegt an ihm, dem Volk es zu gewaehren. Doch ach! Was hilft dem Menschengeist Verstand, Dem Herzen Guete, Willigkeit der Hand, Wenn's fieberhaft durchaus im Staate wuetet Und uebel sich in uebeln ueberbruetet? Wer schaut hinab von diesem hohen Raum Ins weite Reich, ihm scheint's ein schwerer Traum, Wo Missgestalt in Missgestalten schaltet, Das Ungesetz gesetzlich ueberwaltet Und eine Welt des Irrtums sich entfaltet. Der raubt sich Herden, der ein Weib, Kelch, Kreuz und Leuchter vom Altare, Beruehmt sich dessen manche Jahre Mit heiler Haut, mit unverletztem Leib. Jetzt draengen Klaeger sich zur Halle, Der Richter prunkt auf hohem Pfuehl, Indessen wogt in grimmigem Schwalle Des Aufruhrs wachsendes Gewuehl. Der darf auf Schand' und Frevel pochen, Der auf Mitschuldigste sich stuetzt, Und: Schuldig! hoerst du ausgesprochen, Wo Unschuld nur sich selber schuetzt. So will sich alle Welt zerstueckeln, Vernichtigen, was sich gebuehrt; Wie soll sich da der Sinn entwickeln, Der einzig uns zum Rechten fuehrt? Zuletzt ein wohlgesinnter Mann Neigt sich dem Schmeichler, dem Bestecher, Ein Richter, der nicht strafen kann, Gesellt sich endlich zum Verbrecher. Ich malte schwarz, doch dichtern Flor Zoeg' ich dem Bilde lieber vor. Entschluesse sind nicht zu vermeiden; Wenn alle schaedigen, alle leiden, Geht selbst die Majestaet zu Raub. heermeister Wie tobt's in diesen wilden Tagen! Ein jeder schlaegt und wird erschlagen, Und fuers Kommando bleibt man taub. Der Buerger hinter seinen Mauern, Der Ritter auf dem Felsennest Verschwuren sich, uns auszudauern, Und halten ihre Kraefte fest. Der Mietsoldat wird ungeduldig, Mit Ungestuem verlangt er seinen Lohn, Und waeren wir ihm nichts mehr schuldig, Er liefe ganz und gar davon. Verbiete wer, was alle wollten, Der hat ins Wespennest gestoert; Das Reich, das sie beschuetzen sollten, Es liegt gepluendert und verheert. Man laesst ihr Toben wuetend hausen, Schon ist die halbe Welt vertan; Es sind noch Koenige da draussen, Doch keiner denkt, es ging' ihn irgend an. schatzmeister Wer wird auf Bundsgenossen pochen! Subsidien, die man uns versprochen, Wie Roehrenwasser bleiben aus. Auch, Herr, in deinen weiten Staaten An wen ist der Besitz geraten? Wohin man kommt, da haelt ein Neuer Haus, Und unabhaengig will er leben, Zusehen muss man, wie er's treibt; Wir haben so viel Rechte hingegeben, Dass uns auf nichts ein Recht mehr uebrigbleibt. Auch auf Parteien, wie sie heissen, Ist heutzutage kein Verlass; Sie moegen schelten oder preisen, Gleichgueltig wurden Lieb' und Hass. Die Ghibellinen wie die Guelfen Verbergen sich, um auszuruhn; Wer jetzt will seinem Nachbar helfen? Ein jeder hat fuer sich zu tun. Die Goldespforten sind verrammelt, Ein jeder kratzt und scharrt und sammelt, Und unsre Kassen bleiben leer. marschalk Welch Unheil muss auch ich erfahren! Wir wollen alle Tage sparen Und brauchen alle Tage mehr, Und taeglich waechst mir neue Pein. Den Koechen tut kein Mangel wehe; Wildschweine, Hirsche, Hasen, Rehe, Welschhuehner, Huehner, Gaens' und Enten, Die Deputate, sichre Renten, Sie gehen noch so ziemlich ein. Jedoch am Ende fehlt's an Wein. Wenn sonst im Keller Fass an Fass sich haeufte, Der besten Berg' und Jahreslaeufte, So schluerft unendliches Gesaeufte Der edlen Herrn den letzten Tropfen aus. Der Stadtrat muss sein Lager auch verzapfen, Man greift zu Humpen, greift zu Napfen, Und unterm Tische liegt der Schmaus. Nun soll ich zahlen, alle lohnen; Der Jude wird mich nicht verschonen, Der schafft Antizipationen, Die speisen Jahr um Jahr voraus. Die Schweine kommen nicht zu Fette, Verpfaendet ist der Pfuehl im Bette, Und auf den Tisch kommt vorgegessen Brot. kaiser Sag, weisst du Narr nicht auch noch eine Not? mephistopheles Ich? Keineswegs. Den Glanz umher zu schauen, Dich und die Deinen! - Mangelte Vertrauen, Wo Majestaet unweigerlich gebeut, Bereite Macht Feindseliges zerstreut? Wo guter Wille, kraeftig durch Verstand, Und Taetigkeit, vielfaeltige, zur Hand? Was koennte da zum Unheil sich vereinen, Zur Finsternis, wo solche Sterne scheinen? gemurmel Das ist ein Schalk - Der's wohl versteht - Er luegt sich ein - So lang' es geht - Ich weiss schon - Was dahinter steckt - Und was denn weiter? - Ein Projekt - mephistopheles Wo fehlt's nicht irgendwo auf dieser Welt? Dem dies, dem das, hier aber fehlt das Geld. Vom Estrich zwar ist es nicht aufzuraffen; Doch Weisheit weiss das Tiefste herzuschaffen. In Bergesadern, Mauergruenden Ist Gold gemuenzt und ungemuenzt zu finden, Und fragt ihr mich, wer es zutage schafft: Begabten Manns Natur- und Geisteskraft. kanzler Natur und Geist - so spricht man nicht zu Christen. Deshalb verbrennt man Atheisten, Weil solche Reden hoechst gefaehrlich sind. Natur ist Suende, Geist ist Teufel, Sie hegen zwischen sich den Zweifel, Ihr missgestaltet Zwitterkind. Uns nicht so! - Kaisers alten Landen Sind zwei Geschlechter nur entstanden, Sie stuetzen wuerdig seinen Thron: Die Heiligen sind es und die Ritter; Sie stehen jedem Ungewitter Und nehmen Kirch' und Staat zum Lohn. Dem Poebelsinn verworrner Geister Entwickelt sich ein Widerstand: Die Ketzer sind's! die Hexenmeister! Und sie verderben Stadt und Land. Die willst du nun mit frechen Scherzen In diese hohen Kreise schwaerzen; Ihr hegt euch an verderbtem Herzen, Dem Narren sind sie nah verwandt. mephistopheles Daran erkenn' ich den gelehrten Herrn! Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern, Was ihr nicht fasst, das fehlt euch ganz und gar, Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr, sei nicht wahr, Was ihr nicht waegt, hat fuer euch kein Gewicht, Was ihr nicht muenzt, das, meint ihr, gelte nicht. kaiser Dadurch sind unsre Maengel nicht erledigt, Was willst du jetzt mit deiner Fastenpredigt? Ich habe satt das ewige Wie und Wenn; Es fehlt an Geld, nun gut, so schaff es denn. mephistopheles Ich schaffe, was ihr wollt, und schaffe mehr; Zwar ist es leicht, doch ist das Leichte schwer; Es liegt schon da, doch um es zu erlangen, Das ist die Kunst, wer weiss es anzufangen? Bedenkt doch nur: in jenen Schreckenslaeuften, Wo Menschenfluten Land und Volk ersaeuften, Wie der und der, so sehr es ihn erschreckte, Sein Liebstes da- und dortwohin versteckte. So war's von je in maechtiger Roemer Zeit, Und so fortan, bis gestern, ja bis heut. Das alles liegt im Boden still begraben, Der Boden ist des Kaisers, der soll's haben. schatzmeister Fuer einen Narren spricht er gar nicht schlecht, Das ist fuerwahr des alten Kaisers Recht. kanzler Der Satan legt euch goldgewirkte Schlingen: Es geht nicht zu mit frommen rechten Dingen. marschalk Schafft' er uns nur zu Hof willkommne Gaben, Ich wollte gern ein bisschen Unrecht haben. heermeister Der Narr ist klug, verspricht, was jedem frommt; Fragt der Soldat doch nicht, woher es kommt. mephistopheles Und glaubt ihr euch vielleicht durch mich betrogen, Hier steht ein Mann! da, fragt den Astrologen! In Kreis' um Kreise kennt er Stund' und Haus; So sage denn: wie sieht's am Himmel aus? gemurmel Zwei Schelme sind's - Verstehn sich schon - Narr und Phantast - So nah dem Thron - Ein mattgesungen - Alt Gedicht - Der Tor blaest ein - Der Weise spricht - astrolog Die Sonne selbst, sie ist ein lautres Gold, Merkur, der Bote, dient um Gunst und Sold, Frau Venus hat's euch allen angetan, So frueh als spat blickt sie euch lieblich an; Die keusche Luna launet grillenhaft; Mars, trifft er nicht, so draeut euch seine Kraft. Und Jupiter bleibt doch der schoenste Schein, Saturn ist gross, dem Auge fern und klein. Ihn als Metall verehren wir nicht sehr, An Wert gering, doch im Gewichte schwer. Ja! wenn zu Sol sich Luna fein gesellt, Zum Silber Gold, dann ist es heitre Welt; Das uebrige ist alles zu erlangen: Palaeste, Gaerten, bruestlein, rote Wangen, Das alles schafft der hochgelahrte Mann, Der das vermag, was unser keiner kann. kaiser Ich hoere doppelt, was er spricht, Und dennoch ueberzeugt's mich nicht. gemurmel Was soll uns das? - Gedroschner Spass - Kalenderei - Chymisterei - Das hoert' ich oft - Und falsch gehofft - Und kommt er auch - So ist's ein Gauch - mephistopheles Da stehen sie umher und staunen, Vertrauen nicht dem hohen Fund, Der eine faselt von Alraunen, Der andre von dem schwarzen Hund. Was soll es, dass der eine witzelt, Ein andrer Zauberei verklagt, Wenn ihm doch auch einmal die Sohle kitzelt, Wenn ihm der sichre Schritt versagt. Ihr alle fuehlt geheimes Wirken Der ewig waltenden Natur, Und aus den untersten Bezirken Schmiegt sich herauf lebend'ge Spur. Wenn es in allen Gliedern zwackt, Wenn es unheimlich wird am Platz, Nur gleich entschlossen grabt und hackt, Da liegt der Spielmann, liegt der Schatz! gemurmel Mir liegt's im Fuss wie Bleigewicht - Mir krampft's im Arme - Das ist Gicht - Mir krabbelt's an der grossen Zeh' - Mir tut der ganze Ruecken weh - Nach solchen Zeichen waere hier Das allerreichste Schatzrevier. kaiser Nur eilig! du entschluepfst nicht wieder, Erprobe deine Luegenschaeume Und zeig uns gleich die edlen Raeume. Ich lege Schwert und Zepter nieder Und will mit eignen hohen Haenden, Wenn du nicht luegst, das Werk vollenden, Dich, wenn du luegst, zur Hoelle senden! mephistopheles Den Weg dahin wuesst' allenfalls zu finden - Doch kann ich nicht genug verkuenden, Was ueberall besitzlos harrend liegt. Der Bauer, der die Furche pfluegt, Hebt einen Goldtopf mit der Scholle, Salpeter hofft er von der Leimenwand Und findet golden-goldne Rolle Erschreckt, erfreut in kuemmerlicher Hand. Was fuer Gewoelbe sind zu sprengen, In welchen Klueften, welchen Gaengen Muss sich der Schatzbewusste draengen, Zur Nachbarschaft der Unterwelt! In weiten, altverwahrten Kellern Von goldnen Humpen, Schuesseln, Tellern Sieht er sich Reihen aufgestellt; Pokale stehen aus Rubinen, Und will er deren sich bedienen, Daneben liegt uraltes Nass. Doch - werdet ihr dem Kundigen glauben - Verfault ist laengst das Holz der Dauben, Der Weinstein schuf dem Wein ein Fass. Essenzen solcher edlen Weine, Gold und Juwelen nicht alleine Umhuellen sich mit Nacht und Graus. Der Weise forscht hier unverdrossen; Am Tag erkennen, das sind Possen, Im Finstern sind Mysterien zu Haus. kaiser Die lass' ich dir! Was will das Duestre frommen? Hat etwas Wert, es muss zu Tage kommen. Wer kennt den Schelm in tiefer Nacht genau? Schwarz sind die Kuehe, so die Katzen grau. Die Toepfe drunten, voll von Goldgewicht - Zieh deinen Pflug und ackre sie ans Licht. mephistopheles Nimm Hack' und Spaten, grabe selber, Die Bauernarbeit macht dich gross, Und eine Herde goldner Kaelber, Sie reissen sich vom Boden los. Dann ohne Zaudern, mit Entzuecken Kannst du dich selbst, wirst die Geliebte schmuecken; Ein leuchtend Farb- und Glanzgestein erhoeht Die Schoenheit wie die Majestaet. kaiser Nur gleich, nur gleich! Wie lange soll es waehren! astrolog Herr, maessige solch dringendes Begehren, Lass erst vorbei das bunte Freudenspiel; Zerstreutes Wesen fuehrt uns nicht zum Ziel. Erst muessen wir in Fassung uns versuehnen, Das Untre durch das Obere berdienen. Wer Gutes will, der sei erst gut; Wer Freude will, besaenftige sein Blut; Wer Wein verlangt, der keltre reife Trauben; Wer Wunder hofft, der staerke seinen Glauben. kaiser So sei die Zeit in Froehlichkeit vertan! Und ganz erwuenscht kommt Aschermittwoch an. Indessen feiern wir, auf jeden Fall, Nur lustiger das wilde Karneval. mephistopheles Wie sich Verdienst und Glueck verketten, Das faellt den Toren niemals ein; Wenn sie den Stein der Weisen haetten, Der Weise mangelte dem Stein. Weitlaeufiger Saal mit Nebengemaechern herold Denkt nicht, ihr seid in deutschen Grenzen Von Teufels-, Narren- und Totentaenzen; Ein heitres Fest erwartet euch. Der Herr, auf seinen Roemerzuegen, Hat, sich zu Nutz, euch zum Vergnuegen, Die hohen Alpen ueberstiegen, Gewonnen sich ein heitres Reich. Der Kaiser, er, an heiligen Sohlen Erbat sich erst das Recht zur Macht, Und als er ging, die Krone sich zu holen, Hat er uns auch die Kappe mitgebracht. Nun sind wir alle neugeboren; Ein jeder weltgewandte Mann Zieht sie behaglich ueber Kopf und Ohren; Sie aehnelt ihn verrueckten Toren, Er ist darunter weise, wie er kann. Ich sehe schon, wie sie sich scharen, Sich schwankend sondern, traulich paaren; Zudringlich schliesst sich Chor an Chor. Herein, hinaus, nur unverdrossen; Es bleibt doch endlich nach wie vor Mit ihren hunderttausend Possen Die Welt ein einzig grosser Tor. gaertnerinnen Euren Beifall zu gewinnen, Schmueckten wir uns diese Nacht, Junge Florentinerinnen Folgten deutschen Hofes Pracht; Tragen wir in braunen Locken Mancher heitern Blume Zier; Seidenfaeden, Seidenflocken Spielen ihre Rolle hier. Denn wir halten es verdienstlich, Lobenswuerdig ganz und gar, Unsere Blumen, glaenzend kuenstlich, Bluehen fort das ganze Jahr. Allerlei gefaerbten Schnitzeln Ward symmetrisch Recht getan; Moegt ihr Stueck fuer Stueck bewitzeln, Doch das Ganze zieht euch an. Niedlich sind wir anzuschauen, Gaertnerinnen und galant; Denn das Naturell der Frauen Ist so nah mit Kunst verwandt. herold Lasst die reichen Koerbe sehen, Die ihr auf den Haeupten traget, Die sich bunt am Arme blaehen, Jeder waehle, was behaget. Eilig, dass in Laub und Gaengen Sich ein Garten offenbare! Wuerdig sind sie zu umdraengen, Kraemerinnen wie die Ware. gaertnerinnen Feilschet nun am heitern Orte, Doch kein Markten finde statt! Und mit sinnig kurzem Worte Wisse jeder, was er hat. olivenzweig mit fruechten Keinen Blumenflor beneid' ich, Allen Widerstreit vermeid' ich; Mir ist's gegen die Natur: Bin ich doch das Mark der Lande Und, zum sichern Unterpfande, Friedenszeichen jeder Flur. Heute, hoff' ich, soll mir's gluecken, Wuerdig schoenes Haupt zu schmuecken. aehrenkranz Ceres' Gaben, euch zu putzen, Werden hold und lieblich stehn: Das Erwuenschteste dem Nutzen Sei als eure Zierde schoen. phantasiekranz Bunte Blumen, Malven aehnlich, Aus dem Moos ein Wunderflor! Der Natur ist's nicht gewoehnlich, Doch die Mode bringt's hervor. phantasiestrauss Meinen Namen euch zu sagen, Wuerde Theophrast nicht wagen; Und doch hoff' ich, wo nicht allen, Aber mancher zu gefallen, Der ich mich wohl eignen moechte, Wenn sie mich ins Haar verfloechte, Wenn sie sich entschliessen koennte, Mir am Herzen Platz vergoennte. rosenknospen Moegen bunte Phantasieen Fuer des Tages Mode bluehen, Wunderseltsam sein gestaltet, Wie Natur sich nie entfaltet; Gruene Stiele, goldne Glocken, Blickt hervor aus reichen Locken! - Doch wir - halten uns versteckt: Gluecklich, wer uns frisch entdeckt. Wenn der Sommer sich verkuendet, Rosenknospe sich entzuendet, Wer mag solches Glueck entbehren? Das Versprechen, das Gewaehren, Das beherrscht in Florens Reich Blick und Sinn und Herz zugleich. gaertner Blumen sehet ruhig spriessen, Reizend euer Haupt umzieren; Fruechte wollen nicht verfuehren, Kostend mag man sie geniessen. Bieten braeunliche Gesichter Kirschen, Pfirschen, Koenigspflaumen, Kauft! denn gegen Zung' und Gaumen Haelt sich Auge schlecht als Richter. Kommt, von allerreifsten Fruechten Mit Geschmack und Lust zu speisen! ueber Rosen laesst sich dichten, In die aepfel muss man beissen. Sei's erlaubt, uns anzupaaren Eurem reichen Jugendflor, Und wir putzen reifer Waren Fuelle nachbarlich empor. Unter lustigen Gewinden, In geschmueckter Lauben Bucht, Alles ist zugleich zu finden: Knospe, Blaetter, Blume, Frucht. mutter Maedchen, als du kamst ans Licht, Schmueckt' ich dich im Haeubchen; Warst so lieblich von Gesicht Und so zart am Leibchen. Dachte dich sogleich als Braut, Gleich dem Reichsten angetraut, Dachte dich als Weibchen. Ach! Nun ist schon manches Jahr Ungenuetzt verflogen, Der Sponsierer bunte Schar Schnell vorbeigezogen; Tanztest mit dem einen flink, Gabst dem andern feinen Wink Mit dem Ellenbogen. Welches Fest man auch ersann, Ward umsonst begangen, Pfaenderspiel und dritter Mann Wollten nicht verfangen; Heute sind die Narren los, Liebchen, oeffne deinen Schoss, Bleibt wohl einer hangen. holzhauer Nur Platz! nur Bloesse! Wir brauchen Raeume, Wir faellen Baeume, Die krachen, schlagen; Und wenn wir tragen, Da gibt es Stoesse. Zu unserm Lobe Bringt dies ins reine; Denn wirkten Grobe Nicht auch im Lande, Wie kaemen Feine Fuer sich zustande, So sehr sie witzten? Des seid belehret! Denn ihr erfroeret, Wenn wir nicht schwitzten. pulcinelle Ihr seid die Toren, Gebueckt geboren. Wir sind die Klugen, Die nie was trugen; Denn unsre Kappen, Jacken und Lappen Sind leicht zu tragen; Und mit Behagen Wir immer muessig, Pantoffelfuessig, Durch Markt und Haufen Einherzulaufen, Gaffend zu stehen, Uns anzukraehen; Auf solche Klaenge Durch Drang und Menge Aalgleich zu schluepfen, Gesamt zu huepfen, Vereint zu toben. Ihr moegt uns loben, Ihr moegt uns schelten, Wir lassen's gelten. parasiten Ihr wackern Traeger Und eure Schwaeger, Die Kohlenbrenner, Sind unsre Maenner. Denn alles Buecken, Bejahndes Nicken, Gewundne Phrasen, Das Doppelblasen, Das waermt und kuehlet, Wie's einer fuehlet, Was koennt' es frommen? Es moechte Feuer Selbst ungeheuer Vom Himmel kommen, Gaeb' es nicht Scheite Und Kohlentrachten, Die Herdesbreite Zur Glut entfachten. Da braet's und prudelt's, Da kocht's und strudelt's. Der wahre Schmecker, Der Tellerlecker, Er riecht den Braten, Er ahnet Fische; Das regt zu Taten An Goenners Tische. trunkner Sei mir heute nichts zuwider! Fuehle mich so frank und frei; Frische Lust und heitre Lieder, Holt' ich selbst sie doch herbei. Und so trink' ich! Trinke, trinke! Stosset an, ihr! Tinke, Tinke! Du dorthinten, komm heran! Stosset an, so ist's getan. Schrie mein Weibchen doch entruestet, Ruempfte diesem bunten Rock, Und, wie sehr ich mich gebruestet, Schalt mich einen Maskenstock. Doch ich trinke! Trinke, trinke! Angeklungen! Tinke, Tinke! Maskenstoecke, stosset an! Wenn es klingt, so ist's getan. Saget nicht, dass ich verirrt bin, Bin ich doch, wo mir's behagt. Borgt der Wirt nicht, borgt die Wirtin, Und am Ende borgt die Magd. Immer trink' ich! Trinke, trinke! Auf, ihr andern! Tinke, Tinke! Jeder jedem! so fortan! Duenkt mich's doch, es sei getan. Wie und wo ich mich vergnuege, Mag es immerhin geschehn; Lass mich liegen, wo ich liege, Denn ich mag nicht laenger stehn. chor Jeder Bruder trinke, trinke! Toastet frisch ein Tinke, Tinke! Sitzet fest auf Bank und Span! Unterm Tisch dem ist's getan. satiriker Wisst ihr, was mich Poeten Erst recht erfreuen sollte? Duerft' ich singen und reden, Was niemand hoeren wollte. aglaia Anmut bringen wir ins Leben; Leget Anmut in das Geben. hegemone Leget Anmut ins Empfangen, Lieblich ist's, den Wunsch erlangen. euphrosyne Und in stiller Tage Schranken Hoechst anmutig sei das Danken. atropos Mich, die aelteste, zum Spinnen Hat man diesmal eingeladen; Viel zu denken, viel zu sinnen Gibt's beim zarten Lebensfaden. Dass er euch gelenk und weich sei, Wusst' ich feinsten Flachs zu sichten; Dass er glatt und schlank und gleich sei, Wird der kluge Finger schlichten. Wolltet ihr bei Lust und Taenzen Allzu ueppig euch erweisen, Denkt an dieses Fadens Grenzen, Huetet euch! Er moechte reissen. klotho Wisst, in diesen letzten Tagen Ward die Schere mir vertraut; Denn man war von dem Betragen Unsrer Alten nicht erbaut. Zerrt unnuetzeste Gespinste Lange sie an Licht und Luft, Hoffnung herrlichster Gewinste Schleppt sie schneidend zu der Gruft. Doch auch ich im Jugendwalten Irrte mich schon hundertmal; Heute mich im Zaum zu halten, Schere steckt im Futteral. Und so bin ich gern gebunden, Blicke freundlich diesem Ort; Ihr in diesen freien Stunden Schwaermt nur immer fort und fort. lachesis Mir, die ich allein verstaendig, Blieb das Ordnen zugeteilt; Meine Weife, stets lebendig, Hat noch nie sich uebereilt. Faeden kommen, Faeden weifen, Jeden lenk' ich seine Bahn, Keinen lass' ich ueberschweifen, Fueg' er sich im Kreis heran. Koennt' ich einmal mich vergessen, Waer' es um die Welt mir bang; Stunden zaehlen, Jahre messen, Und der Weber nimmt den Strang. herold Die jetzo kommen, werdet ihr nicht kennen, Waert ihr noch so gelehrt in alten Schriften; Sie anzusehn, die so viel uebel stiften, Ihr wuerdet sie willkommne Gaeste nennen. Die Furien sind es, niemand wird uns glauben, Huebsch, wohlgestaltet, freundlich, jung von Jahren; Lasst euch mit ihnen ein, ihr sollt erfahren, Wie schlangenhaft verletzen solche Tauben. Zwar sind sie tueckisch, doch am heutigen Tage, Wo jeder Narr sich ruehmet seiner Maengel, Auch sie verlangen nicht den Ruhm als Engel, Bekennen sich als Stadt- und Landesplage. alekto Was hilft es euch? ihr werdet uns vertrauen, Denn wir sind huebsch und jung und Schmeichelkaetzchen; Hat einer unter euch ein Liebeschaetzchen, Wir werden ihm so lang die Ohren krauen, Bis wir ihm sagen duerfen, Aug' in Auge: Dass sie zugleich auch dem und jenem winke, Im Kopfe dumm, im Ruecken krumm, und hinke Und, wenn sie seine Braut ist, gar nichts tauge. So wissen wir die Braut auch zu bedraengen: Es hat sogar der Freund, vor wenig Wochen, Veraechtliches von ihr zu der gesprochen! - Versoehnt man sich, so bleibt doch etwas haengen. megaera Das ist nur Spass! denn, sind sie erst verbunden, Ich nehm' es auf und weiss; in allen Faellen, Das schoenste Glueck durch Grille zu vergaellen; Der Mensch ist ungleich, ungleich sind die Stunden. Und niemand hat Erwuenschtes fest in Armen, Der sich nicht nach Erwuenschterem toerig sehnte, Vom hoechsten Glueck, woran er sich gewoehnte; Die Sonne flieht er, will den Frost erwarmen. Mit diesem allen weiss ich zu gebaren Und fuehre her Asmodi, den Getreuen, Zu rechter Zeit Unseliges auszustreuen, Verderbe so das Menschenvolk in Paaren. tisiphone Gift und Dolch statt boeser Zungen Misch' ich, schaerf' ich dem Verraeter; Liebst du andre, frueher, spaeter Hat Verderben dich durchdrungen. Muss der Augenblicke Suesstes Sich zu Gischt und Galle wandeln! Hier kein Markten, hier kein Handeln - Wie er es beging', er buesst es. Singe keiner vom Vergeben! Felsen klag' ich meine Sache, Echo! horch! erwidert: Rache! Und wer wechselt, soll nicht leben. herold Belieb' es euch, zur Seite wegzuweichen, Denn was jetzt kommt, ist nicht von euresgleichen. Ihr seht, wie sich ein Berg herangedraengt, Mit bunten Teppichen die Weichen stolz behaengt, Ein Haupt mit langen Zaehnen, Schlangenruessel, Geheimnisvoll, doch zeig' ich euch den Schluessel. Im Nacken sitzt ihm zierlich-zarte Frau, Mit feinem Staebchen lenkt sie ihn genau; Die andre, droben stehend herrlich-hehr, Umgibt ein Glanz, der blendet mich zu sehr. Zur Seite gehn gekettet edle Frauen, Die eine bang, die andre froh zu schauen; Die eine wuenscht, die andre fuehlt sich frei. Verkuende jede, wer sie sei. furcht Dunstige Fackeln, Lampen, Lichter Daemmern durchs verworrne Fest; Zwischen diese Truggesichter Bannt mich, ach! die Kette fest. Fort, ihr laecherlichen Lacher! Euer Grinsen gibt Verdacht; Alle meine Widersacher Draengen mich in dieser Nacht. Hier! ein Freund ist Feind geworden, Seine Maske kenn' ich schon; Jener wollte mich ermorden, Nun entdeckt schleicht er davon. Ach wie gern in jeder Richtung Floeh' ich zu der Welt hinaus; Doch von drueben droht Vernichtung, Haelt mich zwischen Dunst und Graus. hoffnung Seid gegruesst, ihr lieben Schwestern! Habt ihr euch schon heut' und gestern In Vermummungen gefallen, Weiss ich doch gewiss von allen: Morgen wollt ihr euch enthuellen. Und wenn wir bei Fackelscheine Uns nicht sonderlich behagen, Werden wir in heitern Tagen Ganz nach unserm eignen Willen Bald gesellig, bald alleine Frei durch schoene Fluren wandeln, Nach Belieben ruhn und handeln Und in sorgenfreiem Leben Nie entbehren, stets erstreben; ueberall willkommne Gaeste, Treten wir getrost hinein: Sicherlich, es muss das Beste Irgendwo zu finden sein. klugheit Zwei der groessten Menschenfeinde, Furcht und Hoffnung, angekettet, Halt' ich ab von der Gemeinde; Platz gemacht! ihr seid gerettet. Den lebendigen Kolossen Fuehr' ich, seht ihr, turmbeladen, Und er wandelt unverdrossen Schritt vor Schritt auf steilen Pfaden. Droben aber auf der Zinne Jene Goettin, mit behenden Breiten Fluegeln, zum Gewinne Allerseits sich hinzuwenden. Rings umgibt sie Glanz und Glorie, Leuchtend fern nach allen Seiten; Und sie nennet sich Viktorie, Goettin aller Taetigkeiten. zoilo-thersites Hu! Hu! da komm' ich eben recht, Ich schelt' euch allzusammen schlecht! Doch was ich mir zum Ziel ersah, Ist oben Frau Viktoria. Mit ihrem weissen Fluegelpaar Sie duenkt sich wohl, sie sei ein Aar, Und wo sie sich nur hingewandt, Gehoer' ihr alles Volk und Land; Doch, wo was Ruehmliches gelingt, Es mich sogleich in Harnisch bringt. Das Tiefe hoch, das Hohe tief, Das Schiefe grad, das Grade schief, Das ganz allein macht mich gesund, So will ich's auf dem Erdenrund. herold So treffe dich, du Lumpenhund, Des frommen Stabes Meisterstreich! Da kruemm und winde dich sogleich! - Wie sich die Doppelzwerggestalt So schnell zum eklen Klumpen ballt! - - Doch Wunder! - Klumpen wird zum Ei, Das blaeht sich auf und platzt entzwei. Nun faellt ein Zwillingspaar heraus, Die Otter und die Fledermaus; Die eine fort im Staube kriecht, Die andre schwarz zur Decke fliegt. Sie eilen draussen zum Verein; Da moecht' ich nicht der dritte sein. gemurmel Frisch! dahinten tanzt man schon - Nein! Ich wollt', ich waer' davon - Fuehlst du, wie uns das umflicht, Das gespenstische Gezuecht? - Saust es mir doch uebers Haar - Ward ich's doch am Fuss gewahr - Keiner ist von uns verletzt - Alle doch in Furcht gesetzt - Ganz verdorben ist der Spass - Und die Bestien wollten das. herold Seit mir sind bei Maskeraden Heroldspflichten aufgeladen, Wach' ich ernstlich an der Pforte, Dass euch hier am lustigen Orte Nichts Verderbliches erschleiche, Weder wanke, weder weiche. Doch ich fuerchte, durch die Fenster Ziehen luftige Gespenster, Und von Spuk und Zaubereien Wuesst' ich euch nicht zu befreien. Machte sich der Zwerg verdaechtig, Nun! dort hinten stroemt es maechtig. Die Bedeutung der Gestalten Moecht' ich amtsgemaess entfalten. Aber was nicht zu begreifen, Wuesst' ich auch nicht zu erklaeren; Helfet alle mich belehren! - Seht ihr's durch die Menge schweifen? Vierbespannt ein praechtiger Wagen Wird durch alles durchgetragen; Doch er teilet nicht die Menge, Nirgend seh' ich ein Gedraenge. Farbig glitzert's in der Ferne, Irrend leuchten bunte Sterne Wie von magischer Laterne, Schnaubt heran mit Sturmgewalt. Platz gemacht! Mich schaudert's! + knabe wagenlenker Halt! Rosse, hemmet eure Fluegel, Fuehlet den gewohnten Zuegel, Meistert euch, wie ich euch meistre, Rauschet hin, wenn ich begeistre - Diese Raeume lasst uns ehren! Schaut umher, wie sie sich mehren, Die Bewundrer, Kreis um Kreise. Herold auf! nach deiner Weise, Ehe wir von euch entfliehen, Uns zu schildern, uns zu nennen; Denn wir sind Allegorien, Und so solltest du uns kennen. herold Wuesste nicht, dich zu benennen; Eher koennt' ich dich beschreiben. knabe lenker So probier's! + herold Man muss gestehn: Erstlich bist du jung und schoen. Halbwuechsiger Knabe bist du; doch die Frauen, Sie moechten dich ganz ausgewachsen schauen. Du scheinest mir ein kuenftiger Sponsierer, Recht so von Haus aus ein Verfuehrer. knabe lenker Das laesst sich hoeren! fahre fort, Erfinde dir des Raetsels heitres Wort. herold Der Augen schwarzer Blitz, die Nacht der Locken, Erheitert von juwelnem Band! Und welch ein zierliches Gewand Fliesst dir von Schultern zu den Socken, Mit Purpursaum und Glitzertand! Man koennte dich ein Maedchen schelten; Doch wuerdest du, zu Wohl und Weh, Auch jetzo schon bei Maedchen gelten, Sie lehrten dich das ABC. knabe lenker Und dieser, der als Prachtgebilde Hier auf dem Wagenthrone prangt? herold Er scheint ein Koenig reich und milde, Wohl dem, der seine Gunst erlangt! Er hat nichts weiter zu erstreben, Wo's irgend fehlte, spaeht sein Blick, Und seine reine Lust zu geben Ist groesser als Besitz und Glueck. knabe lenker Hiebei darfst du nicht stehen bleiben, Du musst ihn recht genau beschreiben. herold Das Wuerdige beschreibt sich nicht. Doch das gesunde Mondgesicht, Ein voller Mund, erbluehte Wangen, Die unterm Schmuck des Turbans prangen; Im Faltenkleid ein reich Behagen! Was soll ich von dem Anstand sagen? Als Herrscher scheint er mir bekannt. knabe lenker Plutus, des Reichtums Gott genannt! Derselbe kommt in Prunk daher, Der hohe Kaiser wuenscht ihn sehr. herold Sag von dir selber auch das Was und Wie! knabe lenker Bin die Verschwendung, bin die Poesie; Bin der Poet, der sich vollendet, Wenn er sein eigenst Gut verschwendet. Auch ich bin unermesslich reich Und schaetze mich dem Plutus gleich, Beleb' und schmueck' ihm Tanz und Schmaus, Das, was ihm fehlt, das teil' ich aus. herold Das Prahlen steht dir gar zu schoen, Doch lass uns deine Kuenste sehn. knabe lenker Hier seht mich nur ein Schnippchen schlagen, Schon glaenzt's und glitzert's um den Wagen. Da springt eine Perlenschnur hervor! Nehmt goldne Spange fuer Hals und Ohr; Auch Kamm und Kroenchen ohne Fehl, In Ringen koestlichstes Juwel; Auch Flaemmchen spend' ich dann und wann, Erwartend, wo es zuenden kann. herold Wie greift und hascht die liebe Menge! Fast kommt der Geber ins Gedraenge. Kleinode schnippt er wie ein Traum, Und alles hascht im weiten Raum. Doch da erleb' ich neue Pfiffe: Was einer noch so emsig griffe, Des hat er wirklich schlechten Lohn, Die Gabe flattert ihm davon. Es loest sich auf das Perlenband, Ihm krabbeln Kaefer in der Hand, Er wirft sie weg, der arme Tropf, Und sie umsummen ihm den Kopf. Die andern statt solider Dinge Erhaschen frevle Schmetterlinge. Wie doch der Schelm so viel verheisst Und nur verleiht, was golden gleisst! knabe lenker Zwar Masken, merk' ich, weisst du zu verkuenden, Allein der Schale Wesen zu ergruenden, Sind Herolds Hofgeschaefte nicht; Das fordert schaerferes Gesicht. Doch huet' ich mich vor jeder Fehde; An dich, Gebieter, wend' ich Frag' und Rede. Hast du mir nicht die Windesbraut Des Viergespannes anvertraut? Lenk' ich nicht gluecklich, wie du leitest? Bin ich nicht da, wohin du deutest? Und wusst' ich nicht auf kuehnen Schwingen Fuer dich die Palme zu erringen? Wie oft ich auch fuer dich gefochten, Mir ist es jederzeit geglueckt: Wenn Lorbeer deine Stirne schmueckt, Hab' ich ihn nicht mit Sinn und Hand geflochten? plutus Wenn's noetig ist, dass ich dir Zeugnis leiste, So sag' ich gern: Bist Geist von meinem Geiste. Du handelst stets nach meinem Sinn, Bist reicher, als ich selber bin. Ich schaetze, deinen Dienst zu lohnen, Den gruenen Zweig vor allen meinen Kronen. Ein wahres Wort verkuend' ich allen: Mein lieber Sohn, an dir hab' ich Gefallen. knabe lenker Die groessten Gaben meiner Hand, Seht! hab' ich rings umher gesandt. Auf dem und jenem Kopfe glueht Ein Flaemmchen, das ich angesprueht; Von einem zu dem andern huepft's, An diesem haelt sich's, dem entschluepft's, Gar selten aber flammt's empor, Und leuchtet rasch in kurzem Flor; Doch vielen, eh' man's noch erkannt, Verlischt es, traurig ausgebrannt. weibergeklatsch Da droben auf dem Viergespann Das ist gewiss ein Scharlatan; Gekauzt da hintendrauf Hanswurst, Doch abgezehrt von Hunger und Durst, Wie man ihn niemals noch erblickt; Er fuehlt wohl nicht, wenn man ihn zwickt. der abgemagerte Vom Leibe mir, ekles Weibsgeschlecht! Ich weiss, dir komm' ich niemals recht. - Wie noch die Frau den Herd versah, Da hiess ich Avaritia; Da stand es gut um unser Haus: Nur viel herein und nichts hinaus! Ich eiferte fuer Kist' und Schrein; Das sollte wohl gar ein Laster sein. Doch als in allerneusten Jahren Das Weib nicht mehr gewohnt zu sparen, Und, wie ein jeder boeser Zahler, Weit mehr Begierden hat als Taler, Da bleibt dem Manne viel zu dulden, Wo er nur hinsieht, da sind Schulden. Sie wendet's, kann sie was erspulen, An ihren Leib, an ihren Buhlen; Auch speist sie besser, trinkt noch mehr Mit der Sponsierer leidigem Heer; Das steigert mir des Goldes Reiz: Bin maennlichen Geschlechts, der Geiz! hauptweib Mit Drachen mag der Drache geizen; Ist's doch am Ende Lug und Trug! Er kommt, die Maenner aufzureizen, Sie sind schon unbequem genug. weiber in masse Der Strohmann! Reich ihm eine Schlappe! Was will das Marterholz uns draeun? Wir sollen seine Fratze scheun! Die Drachen sind von Holz und Pappe, Frisch an und dringt auf ihn hinein! herold Bei meinem Stabe! Ruh gehalten! - Doch braucht es meiner Huelfe kaum; Seht, wie die grimmen Ungestalten, Bewegt im rasch gewonnenen Raum, Das Doppel-Fluegelpaar entfalten. Entruestet schuetteln sich der Drachen Umschuppte, feuerspeiende Rachen; Die Menge flieht, rein ist der Platz. herold Er tritt herab, wie koeniglich! Er winkt, die Drachen ruehren sich, Die Kiste haben sie vom Wagen Mit Gold und Geiz herangetragen, Sie steht zu seinen Fuessen da: Ein Wunder ist es, wie's geschah. plutus Nun bist du los der allzulaestigen Schwere, Bist frei und frank, nun frisch zu deiner Sphaere! Hier ist sie nicht! Verworren, scheckig, wild Umdraengt uns hier ein fratzenhaft Gebild. Nur wo du klar ins holde Klare schaust, Dir angehoerst und dir allein vertraust, Dorthin, wo Schoenes, Gutes nur gefaellt, Zur Einsamkeit! - Da schaffe deine Welt. knabe lenker So acht' ich mich als werten Abgesandten, So lieb' ich dich als naechsten Anverwandten. Wo du verweilst, ist Fuelle; wo ich bin, Fuehlt jeder sich im herrlichsten Gewinn. Auch schwankt er oft im widersinnigen Leben: Soll er sich dir? soll er sich mir ergeben? Die Deinen freilich koennen muessig ruhn, Doch wer mir folgt, hat immer was zu tun. Nicht insgeheim vollfuehr' ich meine Taten, Ich atme nur, und schon bin ich verraten. So lebe wohl! Du goennst mir ja mein Glueck; Doch lisple leis', und gleich bin ich zurueck. plutus Nun ist es Zeit, die Schaetze zu entfesseln! Die Schloesser treff' ich mit des Herolds Rute. Es tut sich auf! schaut her! in ehrnen Kesseln Entwickelt sich's und wallt von goldnem Blute, Zunaechst der Schmuck von Kronen, Ketten, Ringen; Es schwillt und droht, ihn schmelzend zu verschlingen. wechselgeschrei der menge Seht hier, o hin! wie's reichlich quillt, Die Kiste bis zum Rande fuellt. - Gefaesse, goldne, schmelzen sich, Gemuenzte Rollen waelzen sich. - Dukaten huepfen wie gepraegt, O wie mir das den Busen regt - Wie schau' ich alle mein Begehr! Da kollern sie am Boden her. - Man bietet's euch, benutzt's nur gleich Und bueckt euch nur und werdet reich. - Wir andern, ruestig wie der Blitz, Wir nehmen den Koffer in Besitz. herold Was soll's, ihr Toren? soll mir das? Es ist ja nur ein Maskenspass. Heut abend wird nicht mehr begehrt; Glaubt ihr, man geb' euch Gold und Wert? Sind doch fuer euch in diesem Spiel Selbst Rechenpfennige zuviel. Ihr Taeppischen! ein artiger Schein Soll gleich die plumpe Wahrheit sein. Was soll euch Wahrheit? - Dumpfen Wahn Packt ihr an allen Zipfeln an. - Vermummter Plutus, Maskenheld, Schlag dieses Volk mir aus dem Feld. plutus Dein Stab ist wohl dazu bereit, Verleih ihn mir auf kurze Zeit. - Ich tauch' ihn rasch in Sud und Glut. - Nun, Masken, seid auf eurer Hut! Wie's blitzt und platzt, in Funken sprueht! Der Stab, schon ist er angeglueht. Wer sich zu nah herangedraengt, Ist unbarmherzig gleich versengt. - Jetzt fang' ich meinen Umgang an. geschrei und gedraeng O weh! Es ist um uns getan. - Entfliehe, wer entfliehen kann! - Zurueck, zurueck, du Hintermann! - Mir sprueht er heiss ins Angesicht. - Mich drueckt des gluehenden Stabs Gewicht - Verloren sind wir all' und all'. - Zurueck, zurueck, du Maskenschwall! Zurueck, zurueck, unsinniger Hauf'! - O haett' ich Fluegel, floeg' ich auf. - plutus Schon ist der Kreis zurueckgedraengt, Und niemand, glaub' ich, ist versengt. Die Menge weicht, Sie ist verscheucht. - Doch solcher Ordnung Unterpfand Zieh' ich ein unsichtbares Band. herold Du hast ein herrlich Werk vollbracht, Wie dank' ich deiner klugen Macht! plutus Noch braucht es, edler Freund, Geduld: Es droht noch mancherlei Tumult. geiz So kann man doch, wenn es beliebt, Vergnueglich diesen Kreis beschauen; Denn immerfort sind vornenan die Frauen, Wo's was zu gaffen, was zu naschen gibt. Noch bin ich nicht so voellig eingerostet! Ein schoenes Weib ist immer schoen; Und heute, weil es mich nichts kostet, So wollen wir getrost sponsieren gehn. Doch weil am ueberfuellten Orte Nicht jedem Ohr vernehmlich alle Worte, Versuch' ich klug und hoff', es soll mir gluecken, Mich pantomimisch deutlich auszudruecken. Hand, Fuss, Gebaerde reicht mir da nicht hin, Da muss ich mich um einen Schwank bemuehn. Wie feuchten Ton will ich das Gold behandeln, Denn dies Metall laesst sich in alles wandeln. herold Was faengt der an, der magre Tor! Hat so ein Hungermann Humor? Er knetet alles Gold zu Teig, Ihm wird es untern Haenden weich; Wie er es drueckt und wie es ballt, Bleibt's immer doch nur ungestalt. Er wendet sich zu den Weibern dort, Sie schreien alle, moechten fort, Gebaerden sich gar widerwaertig; Der Schalk erweist sich uebelfertig. Ich fuerchte, dass er sich ergetzt, Wenn er die Sittlichkeit verletzt. Dazu darf ich nicht schweigsam bleiben, Gib meinen Stab, ihn zu vertreiben. plutus Er ahnet nicht, was uns von aussen droht; Lass ihn die Narrenteidung treiben! Ihm wird kein Raum fuer seine Possen bleiben; Gesetz ist maechtig, maechtiger ist die Not. getuemmel und gesang Das wilde Heer, es kommt zumal Von Bergeshoeh' und Waldestal, Unwiderstehlich schreitet's an: Sie feiren ihren grossen Pan. Sie wissen doch, was keiner weiss, Und draengen in den leeren Kreis. plutus Ich kenn' euch wohl und euren grossen Pan! Zusammen habt ihr kuehnen Schritt getan. Ich weiss recht gut, was nicht ein jeder weiss, Und oeffne schuldig diesen engen Kreis. Mag sie ein gut Geschick begleiten! Das Wunderlichste kann geschehn; Sie wissen nicht, wohin sie schreiten, Sie haben sich nicht vorgesehn. wildgesang Geputztes Volk du, Flitterschau! Sie kommen roh, sie kommen rauh, In hohem Sprung, in raschem Lauf, Sie treten derb und tuechtig auf. faunen Die Faunenschar Im lustigen Tanz, Den Eichenkranz Im krausen Haar, Ein feines zugespitztes Ohr Dringt an dem Lockenkopf hervor, Ein stumpfes Naeschen, ein breit Gesicht, Das schadet alles bei Frauen nicht: Dem Faun, wenn er die Patsche reicht, Versagt die Schoenste den Tanz nicht leicht. satyr Der Satyr huepft nun hinterdrein Mit Ziegenfuss und duerrem Bein, Ihm sollen sie mager und sehnig sein, Und gemsenartig auf Bergeshoehn Belustigt er sich, umherzusehn. In Freiheitsluft erquickt alsdann, Verhoehnt er Kind und Weib und Mann, Die tief in Tales Dampf und Rauch Behaglich meinen, sie lebten auch, Da ihm doch rein und ungestoert Die Welt dort oben allein gehoert. gnomen Da trippelt ein die kleine Schar, Sie haelt nicht gern sich Paar und Paar; Im moosigen Kleid mit Laemplein hell Bewegt sich's durcheinander schnell, Wo jedes fuer sich selber schafft, Wie Leucht-Ameisen wimmelhaft; Und wuselt emsig hin und her, Beschaeftigt in die Kreuz und Quer. Den frommen Guetchen nah verwandt, Als Felschirurgen wohlbekannt; Die hohen Berge schroepfen wir, Aus vollen Adern schoepfen wir; Metalle stuerzen wir zuhauf, Mit Gruss getrost: Glueck auf! Glueck auf! Das ist von Grund aus wohlgemeint: Wir sind der guten Menschen Freund. Doch bringen wir das Gold zu Tag, Damit man stehlen und kuppeln mag, Nicht Eisen fehle dem stolzen Mann, Der allgemeinen Mord ersann. Und wer die drei Gebot' veracht't, Sich auch nichts aus den andern macht. Das alles ist nicht unsre Schuld; Drum habt so fort, wie wir, Geduld. riesen Die wilden Maenner sind s' genannt, Am Harzgebirge wohlbekannt; Natuerlich nackt in aller Kraft, Sie kommen saemtlich riesenhaft. Den Fichtenstamm in rechter Hand Und um den Leib ein wulstig Band, Den derbsten Schurz von Zweig und Blatt, Leibwacht, wie der Papst nicht hat. nymphen im chor Auch kommt er an! - Das All der Welt Wird vorgestellt Im grossen Pan. Ihr Heitersten, umgebet ihn, Im Gaukeltanz umschwebet ihn: Denn weil er ernst und gut dabei, So will er, dass man froehlich sei. Auch unterm blauen Woelbedach Verhielt' er sich bestaendig wach; Doch rieseln ihm die Baeche zu, Und Lueftlein wiegen ihn mild in Ruh. Und wenn er zu Mittage schlaeft, Sich nicht das Blatt am Zweige regt; Gesunder Pflanzen Balsamduft Erfuellt die schweigsam stille Luft; Die Nymphe darf nicht munter sein, Und wo sie stand, da schlaeft sie ein. Wenn unerwartet mit Gewalt Dann aber seine Stimm' erschallt, Wie Blitzes Knattern, Meergebraus, Dann niemand weiss, wo ein noch aus, Zerstreut sich tapfres Heer im Feld, Und im Getuemmel bebt der Held. So Ehre dem, dem Ehre gebuehrt, Und Heil ihm, der uns hergefuehrt! deputation der gnomen Wenn das glaenzend reiche Gute Fadenweis durch Kluefte streicht, Nur der klugen Wuenschelrute Seine Labyrinthe zeigt, Woelben wir in dunklen Grueften Troglodytisch unser Haus, Und an reinen Tageslueften Teilst du Schaetze gnaedig aus. Nun entdecken wir hieneben Eine Quelle wunderbar, Die bequem verspricht zu geben, Was kaum zu erreichen war. Dies vermagst du zu vollenden, Nimm es, Herr, in deine Hut: Jeder Schatz in deinen Haenden Kommt der ganzen Welt zugut. plutus Wir muessen uns im hohen Sinne fassen Und, was geschieht, getrost geschehen lassen, Du bist ja sonst des staerksten Mutes voll. Nun wird sich gleich ein Greulichstes eraeugnen, Hartnaeckig wird es Welt und Nachwelt leugnen: Du schreib es treulich in dein Protokoll. herold Die Zwerge fuehren den grossen Pan Zur Feuerquelle sacht heran; Sie siedet auf vom tiefsten Schlund, Dann sinkt sie wieder hinab zum Grund, Und finster steht der offne Mund; Wallt wieder auf in Glut und Sud, Der grosse Pan steht wohlgemut, Freut sich des wundersamen Dings, Und Perlenschaum sprueht rechts und links. Wie mag er solchem Wesen traun? Er bueckt sich tief hineinzuschaun. - Nun aber faellt sein Bart hinein! - Wer mag das glatte Kinn wohl sein? Die Hand verbirgt es unserm Blick. - Nun folgt ein grosses Ungeschick: Der Bart entflammt und fliegt zurueck, Entzuendet Kranz und Haupt und Brust, Zu Leiden wandelt sich die Lust. - Zu loeschen laeuft die Schar herbei, Doch keiner bleibt von Flammen frei, Und wie es patscht und wie es schlaegt, Wird neues Flammen aufgeregt; Verflochten in das Element, Ein ganzer Maskenklump verbrennt. Was aber, hoer' ich wird uns kund Von Ohr zu Ohr, von Mund zu Mund! O ewig ungluecksel'ge Nacht, Was hast du uns fuer Leid gebracht! Verkuenden wird der naechste Tag, Was niemand willig hoeren mag; Doch hoer' ich aller Orten schrein: "Der Kaiser leidet solche Pein." O waere doch ein andres wahr! Der Kaiser brennt und seine Schar. Sie sei verflucht, die ihn verfuehrt, In harzig Reis sich eingeschnuert, Zu toben her mit Bruellgesang Zu allerseitigem Untergang. O Jugend, Jugend, wirst du nie Der Freude reines Mass bezirken? O Hoheit, Hoheit, wirst du nie Vernuenftig wie allmaechtig wirken? Schon geht der Wald in Flammen auf, Sie zuengeln leckend spitz hinauf Zum holzverschraenkten Deckenband; Uns droht ein allgemeiner Brand. Des Jammers Mass ist uebervoll, Ich weiss nicht, wer uns retten soll. Ein Aschenhaufen einer Nacht Liegt morgen reiche Kaiserpracht. plutus Schrecken ist genug verbreitet, Hilfe sei nun eingeleitet! - Schlage, heil'gen Stabs Gewalt, Dass der Boden bebt und schallt! Du, geraeumig weite Luft, Fuelle dich mit kuehlem Duft! Zieht heran, umherzuschweifen, Nebelduenste, schwangre Streifen, Deckt ein flammendes Gewuehl! Rieselt, saeuselt, Woelkchen kraeuselt, Schluepfet wallend, leise daempfet, Loeschend ueberall bekaempfet, Ihr, die lindernden, die feuchten, Wandelt in ein Wetterleuchten Solcher eitlen Flamme Spiel! - Drohen Geister, uns zu schaedigen, Soll sich die Magie betaetigen. Lustgarten faust Verzeihst du, Herr, das Flammengaukelspiel? kaiser Ich wuensche mir dergleichen Scherze viel. - Auf einmal sah ich mich in gluehnder Sphaere, Es schien mir fast, als ob ich Pluto waere. Aus Nacht und Kohlen lag ein Felsengrund, Von Flaemmchen gluehend. Dem und jenem Schlund Aufwirbelten viel tausend wilde Flammen Und flackerten in ein Gewoelb' zusammen. Zum hoechsten Dome zuengelt' es empor, Der immer ward und immer sich verlor. Durch fernen Raum gewundner Feuersaeulen Sah ich bewegt der Voelker lange Zeilen, Sie draengten sich im weiten Kreis heran Und huldigten, wie sie es stets getan. Vom meinem Hof erkannt' ich ein und andern, Ich schien ein Fuerst von tausend Salamandern. mephistopheles Das bist du, Herr! weil jedes Element Die Majestaet als unbedingt erkennt. Gehorsam Feuer hast du nun erprobt; Wirf dich ins Meer, wo es am wildsten tobt, Und kaum betrittst du perlenreichen Grund, So bildet wallend sich ein herrlich Rund; Siehst auf und ab lichtgruene schwanke Wellen, Mit Purpursaum, zur schoensten Wohnung schwellen Um dich, den Mittelpunkt. Bei jedem Schritt, Wohin du gehst, gehn die Palaeste mit. Die Waende selbst erfreuen sich des Lebens, Pfeilschnellen Wimmlens, Hin- und Widerstrebens. Meerwunder draengen sich zum neuen milden Schein, Sie schiessen an, und keines darf herein. Da spielen farbig goldbeschuppte Drachen, Der Haifisch klafft, du lachst ihm in den Rachen. Wie sich auch jetzt der Hof um dich entzueckt, Hast du doch nie ein solch Gedraeng' erblickt. Doch bleibst du nicht vom Lieblichsten geschieden: Es nahen sich neugierige Nereiden Der praecht'gen Wohnung in der ew'gen Frische, Die juengsten scheu und luestern wie die Fische, Die spaetern klug. Schon wird es Thetis kund, Dem zweiten Peleus reicht sie Hand und Mund. - Den Sitz alsdann auf des Olymps Revier. . . kaiser Die luft'gen Raeume, die erlass' ich dir: Noch frueh genug besteigt man jenen Thron. mephistopheles Und, hoechster Herr! die Erde hast du schon. kaiser Welch gut Geschick hat dich hieher gebracht, Unmittelbar aus Tausend Einer Nacht? Gleichst du an Fruchtbarkeit Scheherazaden, Versichr' ich dich der hoechsten aller Gnaden. Sei stets bereit, wenn eure Tageswelt, Wie's oft geschieht, mir widerlichst missfaellt. marschalk Durchlauchtigster, ich dacht' in meinem Leben Vom schoensten Glueck Verkuendung nicht zu geben Als diese, die mich hoch beglueckt, In deiner Gegenwart entzueckt: Rechnung fuer Rechnung ist berichtigt, Die Wucherklauen sind beschwichtigt, Los bin ich solcher Hoellenpein; Im Himmel kann's nicht heitrer sein. heermeister Abschlaeglich ist der Sold entrichtet, Das ganze Heer aufs neu' verpflichtet, Der Landsknecht fuehlt sich frisches Blut, Und Wirt und Dirnen haben's gut. kaiser Wie atmet eure Brust erweitert! Das faltige Gesicht erheitert! Wie eilig tretet ihr heran! schatzmeister Befrage diese, die das Werk getan. faust Dem Kanzler ziemt's, die Sache vorzutragen. kanzler Beglueckt genug in meinen alten Tagen. - So hoert und schaut das schicksalschwere Blatt, Das alles Weh in Wohl verwandelt hat. "Zu wissen sei es jedem, der's begehrt: Der Zettel hier ist tausend Kronen wert. Ihm liegt gesichert, als gewisses Pfand, Unzahl vergrabnen Guts im Kaiserland. Nun ist gesorgt, damit der reiche Schatz, Sogleich gehoben, diene zum Ersatz." kaiser Ich ahne Frevel, ungeheuren Trug! Wer faelschte hier des Kaisers Namenszug? Ist solch Verbrechen ungestraft geblieben? schatzmeister Erinnre dich! hast selbst es unterschrieben; Erst heute nacht. Du standst als grosser Pan, Der Kanzler sprach mit uns zu dir heran: "Gewaehre dir das hohe Festvergnuegen, Des Volkes Heil, mit wenig Federzuegen." Du zogst sie rein, dann ward's in dieser Nacht Durch Tausendkuenstler schnell vertausendfacht. Damit die Wohltat allen gleich gedeihe, So stempelten wir gleich die ganze Reihe, Zehn, Dreissig, Funfzig, Hundert sind parat. Ihr denkt euch nicht, wie wohl's dem Volke tat. Seht eure Stadt, sonst halb im Tod verschimmelt, Wie alles lebt und lustgeniessend wimmelt! Obschon dein Name laengst die Welt beglueckt, Man hat ihn nie so freundlich angeblickt. Das Alphabet ist nun erst ueberzaehlig, In diesem Zeichen wird nun jeder selig. kaiser Und meinen Leuten gilt's fuer gutes Gold? Dem Heer, dem Hofe gnuegt's zu vollem Sold? So sehr mich's wundert, muss ich's gelten lassen. marschalk Unmoeglich waer's, die Fluechtigen einzufassen; Mit Blitzeswink zerstreute sich's im Lauf. Die Wechslerbaenke stehen sperrig auf: Man honoriert daselbst ein jedes Blatt Durch Gold und Silber, freilich mit Rabatt. Nun geht's von da zum Fleischer, Baecker, Schenken; Die halbe Welt scheint nur an Schmaus zu denken, Wenn sich die andre neu in Kleidern blaeht. Der Kraemer schneidet aus, der Schneider naeht. Bei "Hoch dem Kaiser!" sprudelt's in den Kellern, Dort kocht's und braet's und klappert mit den Tellern. mephistopheles Wer die Terrassen einsam abspaziert, Gewahrt die Schoenste, herrlich aufgeziert, Ein Aug' verdeckt vom stolzen Pfauenwedel, Sie schmunzelt uns und blickt nach solcher Schedel; Und hurt'ger als durch Witz und Redekunst Vermittelt sich die reichste Liebesgunst. Man wird sich nicht mit Boers' und Beutel plagen, Ein Blaettchen ist im Busen leicht zu tragen, Mit Liebesbrieflein paart's bequem sich hier. Der Priester traegt's andaechtig im Brevier, Und der Soldat, um rascher sich zu wenden, Erleichtert schnell den Guertel seiner Lenden. Die Majestaet verzeihe, wenn ins Kleine Das hohe Werk ich zu erniedern scheine. faust Das uebermass der Schaetze, das, erstarrt, In deinen Landen tief im Boden harrt, Liegt ungenutzt. Der weiteste Gedanke Ist solchen Reichtums kuemmerlichste Schranke; Die Phantasie, in ihrem hoechsten Flug, Sie strengt sich an und tut sich nie genug. Doch fassen Geister, wuerdig, tief zu schauen, Zum Grenzenlosen grenzenlos Vertrauen. mephistopheles Ein solch Papier, an Gold und Perlen Statt, Ist so bequem, man weiss doch, was man hat; Man braucht nicht erst zu markten, noch zu tauschen, Kann sich nach Lust in Lieb' und Wein berauschen. Will man Metall, ein Wechsler ist bereit, Und fehlt es da, so graebt man eine Zeit. Pokal und Kette wird verauktioniert, Und das Papier, sogleich amortisiert, Beschaemt den Zweifler, der uns frech verhoehnt. Man will nichts anders, ist daran gewoehnt. So bleibt von nun an allen Kaiserlanden An Kleinod, Gold, Papier genug vorhanden. kaiser Das hohe Wohl verdankt euch unser Reich; Wo moeglich sei der Lohn dem Dienste gleich. Vertraut sei euch des Reiches innrer Boden, Ihr seid der Schaetze wuerdigste Kustoden. Ihr kennt den weiten, wohlverwahrten Hort, Und wenn man graebt, so sei's auf euer Wort. Vereint euch nun, ihr Meister unsres Schatzes, Erfuellt mit Lust die Wuerden eures Platzes, Wo mit der obern sich die Unterwelt, In Einigkeit beglueckt, zusammenstellt. schatzmeister Soll zwischen uns kein fernster Zwist sich regen, Ich liebe mir den Zaubrer zum Kollegen. kaiser Beschenk' ich nun bei Hofe Mann fuer Mann, Gesteh' er mir, wozu er's brauchen kann. page Ich lebe lustig, heiter, guter Dinge. ein andrer Ich schaffe gleich dem Liebchen Kett' und Ringe. kaemmerer Von nun an trink' ich doppelt bessre Flasche. ein andrer Die Wuerfel jucken mich schon in der Tasche. bannerherr Mein Schloss und Feld, ich mach' es schuldenfrei. ein andrer Es ist ein Schatz, den leg' ich Schaetzen bei. kaiser Ich hoffte Lust und Mut zu neuen Taten; Doch wer euch kennt, der wird euch leicht erraten. Ich merk' es wohl: bei aller Schaetze Flor, Wie ihr gewesen, bleibt ihr nach wie vor. narr Ihr spendet Gnaden, goennt auch mir davon! kaiser Und lebst du wieder, du vertrinkst sie schon. narr Die Zauberblaetter! ich versteh's nicht recht. kaiser Das glaub' ich wohl, denn du gebrauchst sie schlecht. narr Da fallen andere; weiss nicht, was ich tu'. kaiser Nimm sie nur hin, sie fielen dir ja zu. narr Fuenftausend Kronen waeren mir zu Handen! mephistopheles Zweibeiniger Schlauch, bist wieder auferstanden? narr Geschieht mir oft, doch nicht so gut als jetzt. mephistopheles Du freust dich so, dass dich's in Schweiss versetzt. narr Da seht nur her, ist das wohl Geldes wert? mephistopheles Du hast dafuer, was Schlund und Bauch begehrt. narr Und kaufen kann ich Acker, Haus und Vieh? mephistopheles Versteht sich! Biete nur, das fehlt dir nie. narr Und Schloss, mit Wald und Jagd und Fischbach? + mephistopheles Traun! Ich moechte dich gestrengen Herrn wohl schaun! narr Heut abend wieg' ich mich im Grundbesitz! - mephistopheles Wer zweifelt noch an unsres Narren Witz! Finstere Galerie mephistopheles Was ziehst du mich in diese duestern Gaenge? Ist nicht da drinnen Lust genug, Im dichten, bunten Hofgedraenge Gelegenheit zu Spass und Trug? faust Sag mir das nicht, du hast's in alten Tagen Laengst an den Sohlen abgetragen; Doch jetzt dein Hin- und Widergehn Ist nur, um mir nicht Wort zu stehn. Ich aber bin gequaelt zu tun: Der Marschalk und der Kaemmrer treibt mich nun. Der Kaiser will, es muss sogleich geschehn, Will Helena und Paris vor sich sehn; Das Musterbild der Maenner so der Frauen In deutlichen Gestalten will er schauen. Geschwind ans Werk! ich darf mein Wort nicht brechen. mephistopheles Unsinnig war's, leichtsinnig zu versprechen. faust Du hast, Geselle, nicht bedacht, Wohin uns deine Kuenste fuehren; Erst haben wir ihn reich gemacht, Nun sollen wir ihn amuesieren. mephistopheles Du waehnst, es fuege sich sogleich; Hier stehen wir vor steilern Stufen, Greifst in ein fremdestes Bereich, Machst frevelhaft am Ende neue Schulden, Denkst Helenen so leicht hervorzurufen Wie das Papiergespenst der Gulden. - Mit Hexen-Fexen, mit Gespenst-Gespinsten, Kielkroepfigen Zwergen steh' ich gleich zu Diensten; Doch Teufels-Liebchen, wenn auch nicht zu schelten, Sie koennen nicht fuer Heroinen gelten. faust Da haben wir den alten Leierton! Bei dir geraet man stets ins Ungewisse. Der Vater bist du aller Hindernisse, Fuer jedes Mittel willst du neuen Lohn. Mit wenig Murmeln, weiss ich, ist's getan; Wie man sich umschaut, bringst du sie zur Stelle. mephistopheles Das Heidenvolk geht mich nichts an, Es haust in seiner eignen Hoelle; Doch gibt's ein Mittel. + faust Sprich, und ohne Saeumnis! mephistopheles Ungern entdeck' ich hoeheres Geheimnis. Goettinnen thronen hehr in Einsamkeit, Um sie kein Ort, noch weniger eine Zeit; Von ihnen sprechen ist Verlegenheit. Die Muetter sind es! + faust Muetter! + mephistopheles Schaudert's dich? faust Die Muetter! Muetter! - 's klingt so wunderlich! mephistopheles Das ist es auch. Goettinnen, ungekannt Euch Sterblichen, von uns nicht gern genannt. Nach ihrer Wohnung magst ins Tiefste schuerfen; Du selbst bist schuld, dass ihrer wir beduerfen. faust Wohin der Weg? + mephistopheles Kein Weg! Ins Unbetretene, Nicht zu Betretende; ein Weg ans Unerbetene, Nicht zu Erbittende. Bist du bereit? - Nicht Schloesser sind, nicht Riegel wegzuschieben, Von Einsamkeiten wirst umhergetrieben. Hast du Begriff von oed' und Einsamkeit? faust Du spartest, daecht' ich, solche Sprueche; Hier wittert's nach der Hexenkueche, Nach einer laengst vergangnen Zeit. Musst' ich nicht mit der Welt verkehren? Das Leere lernen, Leeres lehren? - Sprach ich vernuenftig, wie ich's angeschaut, Erklang der Widerspruch gedoppelt laut; Musst' ich sogar vor widerwaertigen Streichen Zur Einsamkeit, zur Wildernis entweichen Und, um nicht ganz versaeumt, allein zu leben, Mich doch zuletzt dem Teufel uebergeben. mephistopheles Und haettest du den Ozean durchschwommen, Das Grenzenlose dort geschaut, So saehst du dort doch Well' auf Welle kommen, Selbst wenn es dir vorm Untergange graut. Du saehst doch etwas. Saehst wohl in der Gruene Gestillter Meere streichende Delphine; Saehst Wolken ziehen, Sonne, Mond und Sterne - Nichts wirst du sehn in ewig leerer Ferne, Den Schritt nicht hoeren, den du tust, Nichts Festes finden, wo du ruhst. faust Du sprichst als erster aller Mystagogen, Die treue Neophyten je betrogen; Nur umgekehrt. Du sendest mich ins Leere, Damit ich dort so Kunst als Kraft vermehre; Behandelst mich, dass ich, wie jene Katze, Dir die Kastanien aus den Gluten kratze. Nur immer zu! wir wollen es ergruenden, In deinem Nichts hoff' ich das All zu finden. mephistopheles Ich ruehme dich, eh' du dich von mir trennst, Und sehe wohl, dass du den Teufel kennst; Hier diesen Schluessel nimm. + faust Das kleine Ding! mephistopheles Erst fass ihn an und schaetz ihn nicht gering. faust Er waechst in meiner Hand! er leuchtet, blitzt! mephistopheles Merkst du nun bald, was man an ihm besitzt? Der Schluessel wird die rechte Stelle wittern, Folg ihm hinab, er fuehrt dich zu den Muettern. faust Den Muettern! Trifft's mich immer wie ein Schlag! Was ist das Wort, das ich nicht hoeren mag? mephistopheles Bist du beschraenkt, dass neues Wort dich stoert? Willst du nur hoeren, was du schon gehoert? Dich stoere nichts, wie es auch weiter klinge, Schon laengst gewohnt der wunderbarsten Dinge. faust Doch im Erstarren such' ich nicht mein Heil, Das Schaudern ist der Menschheit bestes Teil; Wie auch die Welt ihm das Gefuehl verteure, Ergriffen, fuehlt er tief das Ungeheure. mephistopheles Versinke denn! Ich koennt' auch sagen: steige! 's ist einerlei. Entfliehe dem Entstandnen In der Gebilde losgebundne Reiche! Ergetze dich am laengst nicht mehr Vorhandnen; Wie Wolkenzuege schlingt sich das Getreibe, Den Schluessel schwinge, halte sie vom Leibe! faust Wohl! fest ihn fassend fuehl' ich neue Staerke, Die Brust erweitert, hin zum grossen Werke. mephistopheles Ein gluehnder Dreifuss tut dir endlich kund, Du seist im tiefsten, allertiefsten Grund. Bei seinem Schein wirst du die Muetter sehn, Die einen sitzen, andre stehn und gehn, Wie's eben kommt. Gestaltung, Umgestaltung, Des ewigen Sinnes ewige Unterhaltung. Umschwebt von Bildern aller Kreatur; Sie sehn dich nicht, denn Schemen sehn sie nur. Da fass ein Herz, denn die Gefahr ist gross, Und gehe grad' auf jenen Dreifuss los, Beruehr ihn mit dem Schluessel! + mephistopheles So ist's recht! Er schliesst sich an, er folgt als treuer Knecht; Gelassen steigst du, dich erhebt das Glueck, Und eh' sie's merken, bist mit ihm zurueck. Und hast du ihn einmal hierher gebracht, So rufst du Held und Heldin aus der Nacht, Der erste, der sich jener Tat erdreistet; Sie ist getan, und du hast es geleistet. Dann muss fortan, nach magischem Behandeln, Der Weihrauchsnebel sich in Goetter wandeln. faust Und nun was jetzt? + mephistopheles Dein Wesen strebe nieder; Versinke stampfend, stampfend steigst du wieder. mephistopheles Wenn ihm der Schluessel nur zum besten frommt! Neugierig bin ich, ob er wiederkommt. Hell erleuchtete Saele kaemmerer [Ihr seid uns noch die Geisterszene schuldig; Macht Euch daran! der Herr ist ungeduldig. marschalk Soeben fragt der Gnaedigste darnach; [Ihr! zaudert nicht der Majestaet zur Schmach. mephistopheles Ist mein Kumpan doch deshalb weggegangen; Er weiss schon, wie es anzufangen, Und laboriert verschlossen still, Muss ganz besonders sich befleissen; Denn wer den Schatz, das Schoene, heben will, Bedarf der hoechsten Kunst, Magie der Weisen. marschalk Was ihr fuer Kuenste braucht, ist einerlei: Der Kaiser will, dass alles fertig sei. blondine Ein Wort, mein Herr! Ihr seht ein klar Gesicht, Jedoch so ist's im leidigen Sommer nicht! Da sprossen hundert braeunlich rote Flecken, Die zum Verdruss die weisse Haut bedecken. Ein Mittel! + mephistopheles Schade! so ein leuchtend Schaetzchen Im Mai getupft wie eure Pantherkaetzchen. Nehmt Froschlaich, Kroetenzungen, kohobiert, Im vollsten Mondlicht sorglich distilliert Und, wenn er abnimmt, reinlich aufgestrichen, Der Fruehling kommt, die Tupfen sind entwichen. braune Die Menge draengt heran, Euch zu umschranzen. Ich bitt' um Mittel! Ein erfrorner Fuss Verhindert mich am Wandeln wie am Tanzen, Selbst ungeschickt beweg' ich mich zum Gruss. mephistopheles Erlaubet einen Tritt von meinem Fuss. braune Nun, das geschieht wohl unter Liebesleuten. mephistopheles Mein Fusstritt, Kind! hat Groessres zu bedeuten. Zu Gleichem Gleiches, was auch einer litt; Fuss heilet Fuss, so ist's mit allen Gliedern. Heran! Gebt acht! Ihr sollt es nicht erwidern. braune Weh! Weh! das brennt! das war ein harter Tritt, + Wie Pferdehuf. mephistopheles Die Heilung nehmt Ihr mit. Du kannst nunmehr den Tanz nach Lust verueben, Bei Tafel schwelgend fuessle mit dem Lieben. dame Lasst mich hindurch! Zu gross sind meine Schmerzen, Sie wuehlen siedend mir im tiefsten Herzen; Bis gestern sucht' Er Heil in meinen Blicken, Er schwatzt mit ihr und wendet mir den Ruecken. mephistopheles Bedenklich ist es, aber hoere mich. An ihn heran musst du dich leise druechen; Nimm diese Kohle, streich ihm einen Strich Auf aermel, Mantel, Schulter, wie sich's macht; Er fuehlt im Herzen holden Reuestich. Die Kohle doch musst du sogleich verschlingen, Nicht Wein, nicht Wasser an die Lippen bringen; Er seufzt vor deiner Tuer noch heute nacht. dame Ist doch kein Gift? + mephistopheles Respekt, wo sich's gebuehrt! Weit muesstet Ihr nach solcher Kohle laufen; Sie kommt von einem Scheiterhaufen, Den wir sonst emsiger angeschuert. page Ich bin verliebt, man haelt mich nicht fuer voll. mephistopheles Ich weiss nicht mehr, wohin ich hoeren soll. Muesst Euer Glueck nicht auf die Juengste setzen. Die Angejahrten wissen Euch zu schaetzen. - Schon wieder Neue! Welch ein harter Strauss! Ich helfe mir zuletzt mit Wahrheit aus; Der schlechteste Behelf! Die Not ist gross. - O Muetter, Muetter! Lasst nur Fausten los! Die Lichter brennen truebe schon im Saal, Der ganze Hof bewegt sich auf einmal. Anstaendig seh' ich sie in Folge ziehn Durch lange Gaenge, ferne Galerien. Nun! sie versammeln sich im weiten Raum Des alten Rittersaals, er fasst sie kaum. Auf breite Waende Teppiche spendiert, Mit Ruestung Eck' und Nischen ausgeziert. Hier braucht es, daecht' ich, keine Zauberworte; Die Geister finden sich von selbst zum Orte. Rittersaal herold Mein alt Geschaeft, das Schauspiel anzukuenden, Verkuemmert mir der Geister heimlich Walten; Vergebens wagt man, aus verstaendigen Gruenden Sich zu erklaeren das verworrene Schalten. Die Sessel sind, die Stuehle schon zur Hand; Den Kaiser setzt man grade vor die Wand; Auf den Tapeten mag er da die Schlachten Der grossen Zeit bequemlichstens betrachten. Hier sitzt nun alles, Herr und Hof im Runde, Die Baenke draengen sich im Hintergrunde; Auch Liebchen hat, in duestern Geisterstunden, Zur Seite Liebchens lieblich Raum gefunden. Und so, da alle schicklich Platz genommen, Sind wir bereit; die Geister moegen kommen! astrolog Beginne gleich das Drama seinen Lauf, Der Herr befiehlt's, ihr Waende tut euch auf! Nichts hindert mehr, hier ist Magie zur Hand: Die Teppiche schwinden, wie gerollt vom Brand; Die Mauer spaltet sich, sie kehrt sich um, Ein tief Theater scheint sich aufzustellen, Geheimnisvoll ein Schein uns zu erhellen, Und ich besteige das Proszenium. mephistopheles Von hier aus hoff' ich allgemeine Gunst, Einblaesereien sind des Teufels Redekunst. Du kennst den Takt, in dem die Sterne gehn, Und wirst mein Fluestern meisterlich verstehn. astrolog Durch Wunderkraft erscheint allhier zur Schau, Massiv genug, ein alter Tempelbau. Dem Atlas gleich, der einst den Himmel trug, Stehn reihenweis der Saeulen hier genug; Sie moegen wohl der Felsenlast genuegen, Da zweie schon ein gross Gebaeude truegen. architekt Das waer' antik! Ich wuesst' es nicht zu preisen, Es sollte plump und ueberlaestig heissen. Roh nennt man edel, unbehuelflich gross. Schmalpfeiler lieb' ich, strebend, grenzenlos; Spitzboegiger Zenit erhebt den Geist; Solch ein Gebaeu erbaut uns allermeist. astrolog Empfangt mit Ehrfurcht sterngegoennte Stunden; Durch magisch Wort sei die Vernunft gebunden; Dagegen weit heran bewege frei Sich herrliche verwegne Phantasei. Mit Augen schaut nun, was ihr kuehn begehrt, Unmoeglich ist's, drum eben glaubenswert. astrolog Im Priesterkleid, bekraenzt, ein Wundermann, Der nun vollbringt, was er getrost begann. Ein Dreifuss steigt mit ihm aus hohler Gruft, Schon ahn' ich aus der Schale Weihrauchduft. Er ruestet sich, das hohe Werk zu segnen; Es kann fortan nur Glueckliches begegnen. faust In eurem Namen, Muetter, die ihr thront Im Grenzenlosen, ewig einsam wohnt, Und doch gesellig. Euer Haupt umschweben Des Lebens Bilder, regsam, ohne Leben. Was einmal war, in allem Glanz und Schein, Es regt sich dort; denn es will ewig sein. Und ihr verteilt es, allgewaltige Maechte, Zum Zelt des Tages, zum Gewoelb der Naechte. Die einen fasst des Lebens holder Lauf, Die andern sucht der kuehne Magier auf; In reicher Spende laesst er, voll Vertrauen, Was jeder wuenscht, das Wunderwuerdige schauen. astrolog Der gluehnde Schluessel ruehrt die Schale kaum, Ein dunstiger Nebel deckt sogleich den Raum; Er schleicht sich ein, er wogt nach Wolkenart, Gedehnt, geballt, verschraenkt, geteilt, gepaart. Und nun erkennt ein Geister-Meisterstueck! So wie sie wandeln, machen sie Musik. Aus luft'gen Toenen quillt ein Weissnichtwie, Indem sie ziehn, wird alles Melodie. Der Saeulenschaft, auch die Triglyphe klingt, Ich glaube gar, der ganze Tempel singt. Das Dunstige senkt sich; aus dem leichten Flor Ein schoener Juengling tritt im Takt hervor. Hier schweigt mein Amt, ich brauch' ihn nicht zu nennen, Wer sollte nicht den holden Paris kennen! dame O! welch ein Glanz aufbluehender Jugendkraft! zweite Wie eine Pfirsche frisch und voller Saft! dritte Die fein gezognen, suess geschwollnen Lippen! vierte Du moechtest wohl an solchem Becher nippen? fuenfte Er ist gar huebsch, wenn auch nicht eben fein. sechste Ein bisschen koennt' er doch gewandter sein. ritter Den Schaeferknecht glaub' ich allhier zu spueren, Vom Prinzen nichts und nichts von Hofmanieren. andrer Eh nun! halb nackt ist wohl der Junge schoen, Doch muessten wir ihn erst im Harnisch sehn! dame Er setzt sich nieder, weichlich, angenehm. ritter Auf seinem Schosse waer' Euch wohl bequem? andre Er lehnt den Arm so zierlich uebers Haupt. kaemmerer Die Flegelei! Das find' ich unerlaubt! dame Ihr Herren wisst an allem was zu maekeln. derselbe In Kaisers Gegenwart sich hinzuraekeln! dame Er stellt's nur vor! Er glaubt sich ganz allein. derselbe Das Schauspiel selbst, hier sollt' es hoeflich sein. dame Sanft hat der Schlaf den Holden uebernommen. derselbe Er schnarcht nun gleich; natuerlich ist's, vollkommen! junge dame Zum Weihrauchsdampf was duftet so gemischt, Das mir das Herz zum innigsten erfrischt? aeltere Fuerwahr! Es dringt ein Hauch tief ins Gemuete, Er kommt von ihm! + aelteste Es ist des Wachstums Bluete, Im Juengling als Ambrosia bereitet Und atmosphaerisch ringsumher verbreitet. mephistopheles Das waer' sie denn! Vor dieser haett' ich Ruh'; Huebsch ist sie wohl, doch sagt sie mir nicht zu. astrolog Fuer mich ist diesmal weiter nichts zu tun, Als Ehrenmann gesteh', bekenn' ich's nun. Die Schoene kommt, und haett' ich Feuerzungen! - Von Schoenheit ward von jeher viel gesungen - Wem sie erscheint, wird aus sich selbst entrueckt, Wem sie gehoerte, ward zu hoch beglueckt. faust Hab' ich noch Augen? Zeigt sich tief im Sinn Der Schoenheit Quelle reichlichstens ergossen? Mein Schreckensgang bringt seligsten Gewinn. Wie war die Welt mir nichtig, unerschlossen! Was ist sie nun seit meiner Priesterschaft? Erst wuenschenswert, gegruendet, dauerhaft! Verschwinde mir des Lebens Atemkraft, Wenn ich mich je von dir zurueckgewoehne! - Die Wohlgestalt, die mich voreinst entzueckte, In Zauberspiegelung beglueckte, War nur ein Schaumbild solcher Schoene! - Du bist's, der ich die Regung aller Kraft, Den Inbegriff der Leidenschaft, Dir Neigung, Lieb', Anbetung, Wahnsinn zolle. mephistopheles So fasst Euch doch und fallt nicht aus der Rolle! aeltere dame Gross, wohlgestaltet, nur der Kopf zu klein. juengere Seht nur den Fuss! Wie koennt' er plumper sein! diplomat Fuerstinnen hab' ich dieser Art gesehn, Mich deucht, sie ist vom Kopf zum Fusse schoen. hofmann Sie naehert sich dem Schlaefer listig mild. dame Wie haesslich neben jugendreinem Bild! poet Von ihrer Schoenheit ist er angestrahlt. dame Endymion und Luna! wie gemalt! derselbe Ganz recht! Die Goettin scheint herabzusinken, Sie neigt sich ueber, seinen Hauch zu trinken; Beneidenswert! - Ein Kuss! - Das Mass ist voll. duenna Vor allen Leuten! Das ist doch zu toll! faust Furchtbare Gunst dem Knaben! - + mephistopheles Ruhig! still! Lass das Gespenst doch machen was es will. hofmann Sie schleicht sich weg, leichtfuessig; er erwacht. dame Sie sieht sich um! Das hab' ich wohl gedacht. hofmann Er staunt! Ein Wunder ist's, was ihm geschieht. dame Ihr ist kein Wunder, was sie vor sich sieht. hofmann Mit Anstand kehrt sie sich zu ihm herum. dame Ich merke schon, sie nimmt ihn in die Lehre; In solchem Fall sind alle Maenner dumm, Er glaubt wohl auch, dass er der erste waere. ritter Lasst mir sie gelten! Majestaetisch fein! - dame Die Buhlerin! Das nenn' ich doch gemein! page Ich moechte wohl an seiner Stelle sein! hofmann Wer wuerde nicht in solchem Netz gefangen? dame Das Kleinod ist durch manche Hand gegangen, Auch die Verguldung ziemlich abgebraucht. andre Vom zehnten Jahr an hat sie nichts getaugt. ritter Gelegentlich nimmt jeder sich das Beste; Ich hielte mich an diese schoenen Reste. gelahrter Ich seh' sie deutlich, doch gesteh' ich frei: Zu zweiflen ist, ob sie die rechte sei. Die Gegenwart verfuehrt ins uebertriebne, Ich halte mich vor allem ans Geschriebne. Da les' ich denn, sie habe wirklich allen Graubaerten Trojas sonderlich gefallen; Und wie mich duenkt, vollkommen passt das hier: Ich bin nicht jung, und doch gefaellt sie mir. astrolog Nicht Knabe mehr! Ein kuehner Heldenmann, Umfasst er sie, die kaum sich wehren kann. Gestaerkten Arms hebt er sie hoch empor, Entfuehrt er sie wohl gar? + faust Verwegner Tor! Du wagst! Du hoerst nicht! halt! das ist zu viel! emphistopheles Machst du's doch selbst, das Fratzengeisterspiel! astrolog Nur noch ein Wort! Nach allem, was geschah, Nenn' ich das Stueck den Raub der Helena. faust Was Raub! Bin ich fuer nichts an dieser Stelle! Ist dieser Schluessel nicht in meiner Hand! Er fuehrte mich, durch Graus und Wog' und Welle Der Einsamkeiten, her zum festen Strand. Hier fass' ich Fuss! Hier sind es Wirklichkeiten, Von hier aus darf der Geist mit Geistern streiten, Das Doppelreich, das grosse, sich bereiten. So fern sie war, wie kann sie naeher sein! Ich rette sie, und sie ist doppelt mein. Gewagt! Ihr Muetter! Muetter! muesst's gewaehren! Wer sie erkannt, der darf sie nicht entbehren. astrolog Was tust du, Fauste! Fauste! - Mit Gewalt Fasst er sie an, schon truebt sich die Gestalt. Den Schluessel kehrt er nach dem Juengling zu, Beruehrt ihn! - Weh uns, Wehe! Nu! im Nu! mephistopheles Da habt ihr's nun! mit Narren sich beladen, Das kommt zuletzt dem Teufel selbst zu Schaden. 2. Akt Hochgewoelbtes enges gotisches Zimmer mephistopheles Hier lieg, Unseliger! verfuehrt Zu schwergeloestem Liebesbande! Wen Helena paralysiert, Der kommt so leicht nicht zu Verstande. Blick' ich hinauf, hierher, hinueber, Allunveraendert ist es, unversehrt; Die bunten Scheiben sind, so duenkt mich, trueber, Die Spinneweben haben sich vermehrt; Die Tinte starrt, vergilbt ist das Papier; Doch alles ist am Platz geblieben; Sogar die Feder liegt noch hier, Mit welcher Faust dem Teufel sich verschrieben. Ja! tiefer in dem Rohre stockt Ein Troepflein Blut, wie ich's ihm abgelockt. Zu einem solchen einzigen Stueck Wuenscht' ich dem groessten Sammler Glueck. Auch haengt der alte Pelz am alten Haken, Erinnert mich an jene Schnaken, Wie ich den Knaben einst belehrt, Woran er noch vielleicht als Juengling zehrt. Es kommt mir wahrlich das Geluesten, Rauchwarme Huelle, dir vereint Mich als Dozent noch einmal zu erbruesten, Wie man so voellig recht zu haben meint. Gelehrte wissen's zu erlangen, Dem Teufel ist es laengst vergangen. chor der insekten Willkommen! willkommen, Du alter Patron! Wir schweben und summen Und kennen dich schon. Nur einzeln im stillen Du hast uns gepflanzt; Zu Tausenden kommen wir, Vater, getanzt. Der Schalk in dem Busen Verbirgt sich so sehr, Vom Pelze die Laeuschen Enthuellen sich eh'r. mephistopheles Wie ueberraschend mich die junge Schoepfung freut! Man saee nur, man erntet mit der Zeit. Ich schuettle noch einmal den alten Flaus, Noch eines flattert hier und dort hinaus. - Hinauf! umher! in hunderttausend Ecken Eilt euch, ihr Liebchen, zu verstecken. Dort, wo die alten Schachteln stehn, Hier im bebraeunten Pergamen, In staubigen Scherben alter Toepfe, Dem Hohlaug' jener Totenkoepfe. In solchem Wust und Moderleben Muss es fuer ewig Grillen geben. Komm, decke mir die Schultern noch einmal! Heut bin ich wieder Prinzipal. Doch hilft es nichts, mich so zu nennen; Wo sind die Leute, die mich anerkennen? famulus Welch ein Toenen! welch ein Schauer! Treppe schwankt, es bebt die Mauer; Durch der Fenster buntes Zittern Seh' ich wetterleuchtend Wittern. Springt das Estrich, und von oben Rieselt Kalk und Schutt verschoben. Und die Tuere, fest verriegelt, Ist durch Wunderkraft entsiegelt. - Dort! Wie fuerchterlich! Ein Riese Steht in Faustens altem Vliese! Seinen Blicken, seinem Winken Moecht' ich in die Kniee sinken. Soll ich fliehen? Soll ich stehn? Ach, wie wird es mir ergehn! mephistopheles Heran, mein Freund! - Ihr heisset Nikodemus. famulus Hochwuerdiger Herr! so ist mein Nam' - Oremus. mephistopheles Das lassen wir! + famulus Wie froh, dass Ihr mich kennt! mephistopheles Ich weiss es wohl, bejahrt und noch Student, Bemooster Herr! Auch ein gelehrter Mann Studiert so fort, weil er nicht anders kann. So baut man sich ein maessig Kartenhaus, Der groesste Geist baut's doch nicht voellig aus. Doch Euer Meister, das ist ein Beschlagner: Wer kennt ihn nicht, den edlen Doktor Wagner, Den Ersten jetzt in der gelehrten Welt! Er ist's allein, der sie zusammenhaelt, Der Weisheit taeglicher Vermehrer. Allwissbegierige Horcher, Hoerer Versammeln sich um ihn zuhauf. Er leuchtet einzig vom Katheder; Die Schluessel uebt er wie Sankt Peter, Das Untre so das Obre schliesst er auf. Wie er vor allen glueht und funkelt, Kein Ruf, kein Ruhm haelt weiter stand; Selbst Faustus' Name wird verdunkelt, Er ist es, der allein erfand. famulus Verzeiht, hochwuerdiger Herr! wenn ich Euch sage, Wenn ich zu widersprechen wage: Von allem dem ist nicht die Frage; Bescheidenheit ist sein beschieden Teil. Ins unbegreifliche Verschwinden Des hohen Manns weiss er sich nicht zu finden; Von dessen Wiederkunft erfleht er Trost und Heil. Das Zimmer, wie zu Doktor Faustus' Tagen, Noch unberuehrt seitdem er fern, Erwartet seinen alten Herrn. Kaum wag' ich's, mich hereinzuwagen. Was muss die Sternenstunde sein? - Gemaeuer scheint mir zu erbangen; Tuerpfosten bebten, Riegel sprangen, Sonst kamt Ihr selber nicht herein. mephistopheles Wo hat der Mann sich hingetan? Fuehrt mich zu ihm, bringt ihn heran! famulus Ach! sein Verbot ist gar zu scharf, Ich weiss nicht, ob ich's wagen darf. Monatelang, des grossen Werkes willen, Lebt' er im allerstillsten Stillen. Der zarteste gelehrter Maenner, Er sieht aus wie ein Kohlenbrenner, Geschwaerzt vom Ohre bis zur Nasen, Die Augen rot vom Feuerblasen, So lechzt er jedem Augenblick; Geklirr der Zange gibt Musik. mephistopheles Sollt' er den Zutritt mir verneinen? Ich bin der Mann, das Glueck ihm zu beschleunen. Kaum hab' ich Posto hier gefasst, Regt sich dort hinten, mir bekannt, ein Gast. Doch diesmal ist er von den Neusten, Er wird sich grenzenlos erdreusten. baccalaureus Tor und Tuere find' ich offen! Nun, da laesst sich endlich hoffen, Dass nicht, wie bisher, im Moder Der Lebendige wie ein Toter Sich verkuemmere, sich verderbe Und am Leben selber sterbe. Diese Mauern, diese Waende Neigen, senken sich zum Ende, Und wenn wir nicht bald entweichen, Wird uns Fall und Sturz erreichen. Bin verwegen, wie nicht einer, Aber weiter bringt mich keiner. Doch was soll ich heut erfahren! War's nicht hier, vor so viel Jahren, Wo ich, aengstlich und beklommen, War als guter Fuchs gekommen? Wo ich diesen Baertigen traute, Mich an ihrem Schnack erbaute? Aus den alten Buecherkrusten Logen sie mir, was sie wussten, Was sie wussten, selbst nicht glaubten, Sich und mir das Leben raubten. Wie? - Dort hinten in der Zelle Sitzt noch einer dunkel-helle! Nahend seh' ich's mit Erstaunen, Sitzt er noch im Pelz, dem braunen, Wahrlich, wie ich ihn verliess, Noch gehuellt im rauhen Vlies! Damals schien er zwar gewandt, Als ich ihn noch nicht verstand. Heute wird es nichts verfangen, Frisch an ihn herangegangen! Wenn, alter Herr, nicht Lethes truebe Fluten Das schiefgesenkte, kahle Haupt durchschwommen, Seht anerkennend hier den Schueler kommen, Entwachsen akademischen Ruten. Ich find' Euch noch, wie ich Euch sah; Ein anderer bin ich wieder da. mephistopheles Mich freut, dass ich Euch hergelaeutet. Ich schaetzt' Euch damals nicht gering; Die Raupe schon, die Chrysalide deutet Den kuenftigen bunten Schmetterling. Am Lockenkopf und Spitzenkragen Empfandet Ihr ein kindliches Behagen. - Ihr trugt wohl niemals einen Zopf? - Heut schau' ich Euch im Schwedenkopf. Ganz resolut und wacker seht Ihr aus; Kommt nur nicht absolut nach Haus. baccalaureus Mein alter Herr! Wir sind am alten Orte; Bedenkt jedoch erneuter Zeiten Lauf Und sparet doppelsinnige Worte; Wir passen nun ganz anders auf. Ihr haenseltet den guten treuen Jungen; Das ist Euch ohne Kunst gelungen, Was heutzutage niemand wagt. mephistopheles Wenn man der Jugend reine Wahrheit sagt, Die gelben Schnaebeln keineswegs behagt, Sie aber hinterdrein nach Jahren Das alles derb an eigner Haut erfahren, Dann duenkeln sie, es kaem' aus eignem Schopf; Da heisst es denn: der Meister war ein Tropf. baccalaureus Ein Schelm vielleicht! - denn welcher Lehrer spricht Die Wahrheit uns direkt ins Angesicht? Ein jeder weiss zu mehren wie zu mindern, Bald ernst, bald heiter klug zu frommen Kindern. mephistopheles Zum Lernen gibt es freilich eine Zeit; Zum Lehren seid Ihr, merk' ich, selbst bereit. Seit manchen Monden, einigen Sonnen Erfahrungsfuelle habt Ihr wohl gewonnen. baccalaureus Erfahrungswesen! Schaum und Dust! Und mit dem Geist nicht ebenbuertig. Gesteht! was man von je gewusst, Es ist durchaus nicht wissenswuerdig. mephistopheles Mich deucht es laengst. Ich war ein Tor, Nun komm' ich mir recht schal und albern vor. bacc Das freut mich sehr! Da hoer' ich doch Verstand; Der erste Greis, den ich vernuenftig fand! mephistopheles Ich suchte nach verborgen-goldnem Schatze, Und schauerliche Kohlen trug ich fort. baccalaureus Gesteht nur, Euer Schaedel, Eure Glatze Ist nicht mehr wert als jene hohlen dort? mephistopheles Du weisst wohl nicht, mein Freund, wie grob du bist? baccalaureus Im Deutschen luegt man, wenn man hoeflich ist. mephistopheles Hier oben wird mir Licht und Luft benommen; Ich finde wohl bei euch ein Unterkommen? baccalaureus Anmasslich find' ich, dass zur schlechtsten Frist Man etwas sein will, wo man nichts mehr ist. Des Menschen Leben lebt im Blut, und wo Bewegt das Blut sich wie im Juengling so? Das ist lebendig Blut in frischer Kraft, Das neues Leben sich aus Leben schafft. Da regt sich alles, da wird was getan, Das Schwache faellt, das Tuechtige tritt heran. Indessen wir die halbe Welt gewonnen, Was habt Ihr denn getan? genickt, gesonnen, Getraeumt, erwogen, Plan und immer Plan. Gewiss! das Alter ist ein kaltes Fieber Im Frost von grillenhafter Not. Hat einer dreissig Jahr vorueber, So ist er schon so gut wie tot. Am besten waer's, euch zeitig totzuschlagen. mephistopheles Der Teufel hat hier weiter nichts zu sagen. bacc Wenn ich nicht will, so darf kein Teufel sein. mephistopheles Der Teufel stellt dir naechstens doch ein Bein. baccalaureus Dies ist der Jugend edelster Beruf! Die Welt, sie war nicht, eh' ich sie erschuf; Die Sonne fuehrt' ich aus dem Meer herauf; Mit mir begann der Mond des Wechsels Lauf; Da schmueckte sich der Tag auf meinen Wegen, Die Erde gruente, bluehte mir entgegen. Auf meinen Wink, in jener ersten Nacht, Entfaltete sich aller Sterne Pracht. Wer, ausser mir, entband euch aller Schranken Philisterhaft einklemmender Gedanken? Ich aber frei, wie mir's im Geiste spricht, Verfolge froh mein innerliches Licht, Und wandle rasch, im eigensten Entzuecken, Das Helle vor mir, Finsternis im Ruecken. mephistopheles Original, fahr hin in deiner Pracht! - Wie wuerde dich die Einsicht kraenken: Wer kann was Dummes, wer was Kluges denken, Das nicht die Vorwelt schon gedacht? - Doch sind wir auch mit diesem nicht gefaehrdet, In wenig Jahren wird es anders sein: Wenn sich der Most auch ganz absurd gebaerdet, Es gibt zuletzt doch noch e' Wein. [Ihr bleibt bei meinem Worte kalt, [Euch guten Kindern lass ich's gehen; Bedenkt: der Teufel, der ist alt, So werdet alt, ihn zu verstehen! Laboratorium wagner Die Glocke toent, die fuerchterliche, Durchschauert die berussten Mauern. Nicht laenger kann das Ungewisse Der ernstesten Erwartung dauern. Schon hellen sich die Finsternisse; Schon in der innersten Phiole Erglueht es wie lebendige Kohle, Ja wie der herrlichste Karfunkel, Verstrahlend Blitze durch das Dunkel. Ein helles weisses Licht erscheint! O dass ich's diesmal nicht verliere! - Ach Gott! was rasselt an der Tuere? mephistopheles Willkommen! es ist gut gemeint. wagner Willkommen zu dem Stern der Stunde! Doch haltet Wort und Atem fest im Munde, Ein herrlich Werk ist gleich zustand gebracht. mephistopheles Was gibt es denn? + wagner Es wird ein Mensch gemacht. mephistopheles Ein Mensch? Und welch verliebtes Paar Habt ihr ins Rauchloch eingeschlossen? wagner Behuete Gott! wie sonst das Zeugen Mode war, Erklaeren wir fuer eitel Possen. Der zarte Punkt, aus dem das Leben sprang, Die holde Kraft, die aus dem Innern drang Und nahm und gab, bestimmt sich selbst zu zeichnen, Erst Naechstes, dann sich Fremdes anzueignen, Die ist von ihrer Wuerde nun entsetzt; Wenn sich das Tier noch weiter dran ergetzt, So muss der Mensch mit seinen grossen Gaben Doch kuenftig hoehern, hoehern Ursprung haben. Es leuchtet! seht! - Nun laesst sich wirklich hoffen, Dass, wenn wir aus viel hundert Stoffen Durch Mischung - denn auf Mischung kommt es an - Den Menschenstoff gemaechlich komponieren, In einen Kolben verlutieren Und ihn gehoerig kohobieren, So ist das Werk im stillen abgetan. Es wird! die Masse regt sich klarer! Die ueberzeugung wahrer, wahrer: Was man an der Natur Geheimnisvolles pries, Das wagen wir verstaendig zu probieren, Und was sie sonst organisieren liess, Das lassen wir kristallisieren. mephistopheles Wer lange lebt, hat viel erfahren, [Nichts Neues kann fuer ihn auf dieser Welt geschehn. Ich habe schon in meinen Wanderjahren Kristallisiertes Menschenvolk gesehn. wagner Es steigt, es blitzt, es haeuft sich an, Im Augenblick ist es getan. Ein grosser Vorsatz scheint im Anfang toll; Doch wollen wir des Zufalls kuenftig lachen, Und so ein Hirn, das trefflich denken soll, Wird kuenftig auch ein Denker machen. Das Glas erklingt von lieblicher Gewalt, Es truebt, es klaert sich; also muss es werden! Ich seh' in zierlicher Gestalt Ein artig Maennlein sich gebaerden. Was wollen wir, was will die Welt nun mehr? Denn das Geheimnis liegt am Tage. Gebt diesem Laute nur Gehoer, Er wird zur Stimme, wird zur Sprache. homunculus Nun Vaeterchen! wie steht's? es war kein Scherz. Komm, druecke mich recht zaertlich an dein Herz! Doch nicht zu fest, damit das Glas nicht springe. Das ist die Eigenschaft der Dinge: Natuerlichem genuegt das Weltall kaum, Was kuenstlich ist, verlangt geschlossnen Raum. Du aber, Schalk, Herr Vetter, bist du hier Im rechten Augenblick? ich danke dir. Ein gut Geschick fuehrt dich zu uns herein; Dieweil ich bin, muss ich auch taetig sein. Ich moechte mich sogleich zur Arbeit schuerzen. Du bist gewandt, die Wege mir zu kuerzen. wagner Nur noch ein Wort! Bisher musst' ich mich schaemen, Denn alt und jung bestuermt mich mit Problemen. Zum Beispiel nur: noch niemand konnt' es fassen, Wie Seel' und Leib so schoen zusammenpassen, So fest sich halten, als um nie zu scheiden, Und doch den Tag sich immerfort verleiden. Sodann - + mephistopheles Halt ein! ich wollte lieber fragen: Warum sich Mann und Frau so schlecht vertragen? Du kommst, mein Freund, hierueber nie ins reine. Hier gibt's zu tun, das eben will der Kleine. homunculus Was gibt's zu tun? + mephistopheles Hier zeige deine Gabe! wagner Fuerwahr, du bist ein allerliebster Knabe! homunculus Bedeutend! - + Schoen umgeben! - Klar Gewaesser Im dichten Haine! Fraun, die sich entkleiden, Die allerliebsten! - Das wird immer besser. Doch eine laesst sich glaenzend unterscheiden, Aus hoechstem Helden-, wohl aus Goetterstamme. Sie setzt den Fuss in das durchsichtige Helle; Des edlen Koerpers holde Lebensflamme Kuehlt sich im schmiegsamen Kristall der Welle. - Doch welch Getoese rasch bewegter Fluegel, Welch Sausen, Plaetschern wuehlt im glatten Spiegel? Die Maedchen fliehn verschuechtert; doch allein Die Koenigin, sie blickt gelassen drein Und sieht mit stolzem weiblichem Vergnuegen Der Schwaene Fuersten ihrem Knie sich schmiegen, Zudringlich-zahm. Er scheint sich zu gewoehnen. - Auf einmal aber steigt ein Dunst empor Und deckt mit dichtgewebtem Flor Die lieblichste von allen Szenen. mephistopheles Was du nicht alles zu erzaehlen hast! So klein du bist, so gross bist du Phantast. Ich sehe nichts - + homunculus Das glaub' ich. Du aus Norden, Im Nebelalter jung geworden, Im Wust von Rittertum und Pfaefferei, Wo waere da dein Auge frei! Im Duestern bist du nur zu Hause. Verbraeunt Gestein, bemodert, widrig, Spitzboegig, schnoerkelhaftest, niedrig! - Erwacht uns dieser, gibt es neue Not, Er bleibt gleich auf der Stelle tot. Waldquellen, Schwaene, nackte Schoenen, Das war sein ahnungsvoller Traum; Wie wollt' er sich hierher gewoehnen! Ich, der Bequemste, duld' es kaum. Nun fort mit ihm! + mephistopheles Der Ausweg soll mich freuen. homunculus Befiehl den Krieger in die Schlacht, Das Maedchen fuehre du zum Reihen, So ist gleich alles abgemacht. Jetzt eben, wie ich schnell bedacht, Ist klassische Walpurgisnacht; Das Beste, was begegnen koennte. Bringt ihn zu seinem Elemente! mephistopheles Dergleichen hab' ich nie vernommen. homunculus Wie wollt' es auch zu euren Ohren kommen? Romantische Gespenster kennt ihr nur allein; Ein echt Gespenst, auch klassisch hat's zu sein. mephistopheles Wohin denn aber soll die Fahrt sich regen? Mich widern schon antikische Kollegen. homunculus Nordwestlich, Satan, ist dein Lustrevier, Suedoestlich diesmal aber segeln wir - An grosser Flaeche fliesst Peneios frei, Umbuscht, umbaumt, in still- und feuchten Buchten; Die Ebne dehnt sich zu der Berge Schluchten, Und oben liegt Pharsalus, alt und neu. mephistopheles O weh! hinweg! und lasst mir jene Streite Von Tyrannei und Sklaverei beiseite. Mich langeweilt's; denn kaum ist's abgetan, So fangen sie von vorne wieder an; Und keiner merkt: er ist doch nur geneckt Vom Asmodeus, der dahinter steckt. Sie streiten sich, so heisst's, um Freiheitsrechte; Genau besehn, sind's Knechte gegen Knechte. homunculus Den Menschen lass ihr widerspenstig Wesen, Ein jeder muss sich wehren, wie er kann, Vom Knaben auf, so wird's zuletzt ein Mann. Hier fragt sich's nur, wie dieser kann genesen. Hast du ein Mittel, so erprob' es hier, Vermagst du's nicht, so ueberlass es mir. mephistopheles Manch Brockenstueckchen waere durchzuproben, Doch Heidenriegel find' ich vorgeschoben. Das Griechenvolk, es taugte nie recht viel! Doch blendet's euch mit freiem Sinnenspiel, Verlockt des Menschen Brust zu heitern Suenden; Die unsern wird man immer duester finden. Und nun, was soll's? + homunculus Du bist ja sonst nicht bloede; Und wenn ich von thessalischen Hexen rede, So denk' ich, hab' ich was gesagt. mephistopheles Thessalische Hexen! Wohl! das sind Personen, Nach denen hab' ich lang' gefragt. Mit ihnen Nacht fuer Nacht zu wohnen, Ich glaube nicht, dass es behagt; Doch zum Besuch, Versuch - + homunculus Den Mantel her, Und um den Ritter umgeschlagen! Der Lappen wird euch, wie bisher, Den einen mit dem andern tragen; Ich leuchte vor. + wagner Und ich? + homunculus Eh nun, Du bleibst zu Hause, Wichtigstes zu tun. Entfalte du die alten Pergamente, Nach Vorschrift sammle Lebenselemente Und fuege sie mit Vorsicht eins ans andre. Das Was bedenke, mehr bedenke Wie. Indessen ich ein Stueckchen Welt durchwandre, Entdeck' ich wohl das Tuepfchen auf das i. Dann ist der grosse Zweck erreicht; Solch einen Lohn verdient ein solches Streben: Gold, Ehre, Ruhm, gesundes langes Leben, Und Wissenschaft und Tugend - auch vielleicht. Leb wohl! + wagner Leb wohl! Das drueckt das Herz mir nieder. Ich fuerchte schon, ich seh' dich niemals wieder. mephistopheles Nun zum Peneios frisch hinab! Herr Vetter ist nicht zu verachten. Am Ende haengen wir doch ab Von Kreaturen, die wir machten. Klassische Walpurgisnacht. Pharsalische Felder erichtho Zum Schauderfeste dieser Nacht, wie oefter schon, Tret' ich einher, Erichtho, ich, die duestere; Nicht so abscheulich, wie die leidigen Dichter mich Im uebermass verlaestern. . . Endigen sie doch nie In Lob und Tadel. . . ueberbleicht erscheint mir schon Von grauer Zelten Woge weit das Tal dahin, Als Nachgesicht der sorg- und grauenvollsten Nacht. Wie oft schon wiederholt' sich's! wird sich immerfort Ins Ewige wiederholen. . . Keiner goennt das Reich Dem andern; dem goennt's keiner, der's mit Kraft erwarb Und kraeftig herrscht. Denn jeder, der sein innres Selbst Nicht zu regieren weiss, regierte gar zu gern Des Nachbars Willen, eignem stolzem Sinn gemaess. . . Hier aber ward ein grosses Beispiel durchgekaempft: Wie sich Gewalt Gewaltigerem entgegenstellt, Der Freiheit holder, tausendblumiger Kranz zerreisst, Der starre Lorbeer sich ums Haupt des Herrschers biegt. Hier traeumte Magnus frueher Groesse Bluetentag, Dem schwanken Zuenglein lauschend wachte Caesar dort! Das wird sich messen. Weiss die Welt doch, wem's gelang. Wachfeuer gluehen, rote Flammen spendende, Der Boden haucht vergossnen Blutes Widerschein, Und angelockt von seltnem Wunderglanz der Nacht, Versammelt sich hellenischer Sage Legion. Um alle Feuer schwankt unsicher oder sitzt Behaglich alter Tage fabelhaft Gebild. . . Der Mond, zwar unvollkommen, aber leuchtend hell, Erhebt sich, milden Glanz verbreitend ueberall; Der Zelten Trug verschwindet, Feuer brennen blau. Doch ueber mir! welch unerwartet Meteor? Es leuchtet und beleuchtet koerperlichen Ball. Ich wittre Leben. Da geziemen will mir's nicht, Lebendigem zu nahen, dem ich schaedlich bin; Das bringt mir boesen Ruf und frommt mir nicht. Schon sinkt es nieder. Weich' ich aus mit Wohlbedacht! homunculus Schwebe noch einmal die Runde ueber Flamm- und Schaudergrauen; Ist es doch in Tal und Grunde Gar gespenstisch anzuschauen. mephistopheles Seh' ich, wie durchs alte Fenster In des Nordens Wust und Graus, Ganz abscheuliche Gespenster, Bin ich hier wie dort zu Haus. homunculus Sieh! da schreitet eine Lange Weiten Schrittes vor uns hin. mephistopheles Ist es doch, als waer' ihr bange; Sah uns durch die Luefte ziehn. homunculus Lass sie schreiten! setz ihn nieder, Deinen Ritter, und sogleich Kehret ihm das Leben wieder, Denn er sucht's im Fabelreich. faust Wo ist sie?- + homunculus Wuessten's nicht zu sagen, Doch hier wahrscheinlich zu erfragen. In Eile magst du, eh' es tagt, Von Flamm' zu Flamme spuerend gehen: Wer zu den Muettern sich gewagt, Hat weiter nichts zu ueberstehen. mephistopheles Auch ich bin hier an meinem Teil; Doch wuesst' ich Besseres nicht zu unserm Heil, Als: jeder moege durch die Feuer Versuchen sich sein eigen Abenteuer. Dann, um uns wieder zu vereinen, Lass deine Leuchte, Kleiner, toenend scheinen. homunculus So soll es blitzen, soll es klingen. Nun frisch zu neuen Wunderdingen! faust Wo ist sie?- Frage jetzt nicht weiter nach. . . Waer's nicht die Scholle, die sie trug, Die Welle nicht, die ihr entgegenschlug, So ist's die Luft, die ihre Sprache sprach. Hier! durch ein Wunder, hier in Griechenland! Ich fuehlte gleich den Boden, wo ich stand; Wie mich, den Schlaefer, frisch ein Geist durchgluehte, So steh' ich, ein Antaeus an Gemuete. Und find' ich hier das Seltsamste beisammen, Durchforsch' ich ernst dies Labyrinth der Flammen. Am oberen Peneios mephistopheles Und wie ich diese Feuerchen durchschweife, So find' ich mich doch ganz und gar entfremdet, Fast alles nackt, nur hie und da behemdet: Die Sphinxe schamlos, unverschaemt die Greife, Und was nicht alles, lockig und befluegelt, Von vorn und hinten sich im Auge spiegelt. . . Zwar sind auch wir von Herzen unanstaendig, Doch das Antike find' ich zu lebendig; Das muesste man mit neustem Sinn bemeistern Und mannigfaltig modisch ueberkleistern. . . Ein widrig Volk! Doch darf mich's nicht verdriessen, Als neuer Gast anstaendig sie zu gruessen. . . Gluechzu den schoenen Fraun, den klugen Greisen! greif Nicht Greisen! Greifen! - Niemand hoert es gern, Dass man ihn Greis nennt. Jedem Worte klingt Der Ursprung nach, wo es sich her bedingt: Grau, graemlich, griesgram, greulich, Graeber, grimmig, Etymologisch gleicherweise stimmig, + Verstimmen uns. mephistopheles Und doch, nicht abzuschweifen, Gefaeallt das Grei im Ehrentitel Greifen. greif Natuerlich! Die Verwandtschaft ist erprobt, Zwar oft gescholten, mehr jedoch gelobt; Man greife nun nach Maedchen, Kronen, Gold, Dem Greifenden ist meist Fortuna hold. ameisen Ihr sprecht von Gold, wir hatten viel gesammelt, In Fels- und Hoehlen heimlich eingerammelt; Das Arimaspen-Volk hat's ausgespuert, Sie lachen dort, wie weit sie's weggefuehrt. greife Wir wollen sie schon zum Gestaendnis bringen. arimaspen Nur nicht zur freien Jubelnacht. Bis morgen ist's alles durchgebracht, Es wird uns diesmal wohl gelingen. mephistopheles Wie leicht und gern ich mich hierher gewoehne, Denn ich verstehe Mann fuer Mann. sphinx Wir hauchen unsre Geistertoene, Und ihr verkoerpert sie alsdann. Jetzt nenne dich, bis wir dich weiter kennen. mephistopheles Mit vielen Namen glaubt man mich zu nennen - Sind Briten hier? Sie reisen sonst so viel, Schlachtfeldern nachzuspueren, Wasserfaellen, Gestuerzten Mauern, klassisch dumpfen Stellen; Das waere hier fuer sie ein wuerdig Ziel. Sie zeugten auch: Im alten Buehnenspiel Sah man mich dort als old Iniquity. sphinx Wie kam man drauf? + mephistopheles Ich weiss es selbst nicht wie. sphinx Mag sein! Hast du von Sternen einige Kunde? Was sagst du zu der gegenwaert'gen Stunde? mephistopheles Stern schiesst nach Stern, beschnittner Mond scheint helle, Und mir ist wohl an dieser trauten Stelle, Ich waerme mich an deinem Loewenfelle. Hinauf sich zu versteigen, waer' zum Schaden; Gib Raetsel auf, gib allenfalls Scharaden. sphinx Sprich nur dich selbst aus, wird schon Raetsel sein. Versuch einmal, dich innigst aufzuloesen: "Dem frommen Manne noetig wie dem boesen, Dem ein Plastron, aszetisch zu rapieren, Kumpan dem andern, Tolles zu vollfuehren, Und beides nur, um Zeus zu amuesieren." erster greif Den mag ich nicht! + zweiter greif Was will uns der? beide Der Garstige gehoeret nicht hierher! mephistopheles Du glaubst vielleicht, des Gastes Naegel krauen Nicht auch so gut wie deine scharfen Klauen? Versuch's einmal! + sphinx Du magst nur immer bleiben, Wird dich's doch selbst aus unsrer Mitte treiben; In deinem Lande tust dir was zugute, Doch, irr' ich nicht, hier ist dir schlecht zumute. mephistopheles Du bist recht appetitlich oben anzuschauen, Doch unten hin die Bestie macht mir Grauen. sphinx Du Falscher kommst zu deiner bittern Busse, Denn unsre Tatzen sind gesund; Dir mit verschrumpftem Pferdefusse Behagt es nicht in unserem Bund. mephistopheles Wer sind die Voegel, in den aesten Des Pappelstromes hingewiegt? sphinx Gewahrt euch nur! Die Allerbesten Hat solch ein Singsang schon besiegt. sirenen Ach was wollt ihr euch verwoehnen In dem Haesslich-Wunderbaren! Horcht, wir kommen hier zu Scharen Und in wohlgestimmten Toenen; So geziemet es Sirenen. sphinxe Noetigt sie, herabzusteigen! Sie verbergen in den Zweigen Ihre garstigen Habichtskrallen, Euch verderblich anzufallen, Wenn ihr euer Ohr verleiht. sirenen Weg das Hassen! weg das Neiden! Sammeln wir die klarsten Freuden, Unterm Himmel ausgestreut! Auf dem Wasser, auf der Erde Sei's die heiterste Gebaerde, Die man dem Willkommnen beut. mephistipheles Das sind die saubern Neuigkeiten, Wo aus der Kehle, von den Saiten Ein Ton sich um den andern flicht. Das Trallern ist bei mir verloren: Es krabbelt wohl mir um die Ohren, Allein zum Herzen dringt es nicht. sphinxe Sprich nicht vom Herzen! das ist eitel; Ein lederner verschrumpfter Beutel, Das passt dir eher zu Gesicht. faust Wie wunderbar! das Anschaun tut mir Gnuege, Im Widerwaertigen grosse, tuechtige Zuege. Ich ahne schon ein guenstiges Geschick; Wohin versetzt mich dieser ernste Blick? Vor solchen hat einst oedipus gestanden; Vor solchen kruemmte sich Ulyss in haenfnen Banden; Von solchen ward der hoechste Schatz gespart, Von diesen treu und ohne Fehl bewahrt. Vom frischen Geiste fuehl' ich mich durchdrungen; Gestalten gross, gross die Erinnerungen. mephistopheles Sonst haettest du dergleichen weggeflucht, Doch jetzo scheint es dir zu frommen; Denn wo man die Geliebte sucht, Sind Ungeheuer selbst willkommen. faust Ihr Frauenbilder muesst mir Rede stehn: Hat eins der Euren Helena gesehn? sphinxe Wir reichen nicht hinauf zu ihren Tagen, Die letztesten hat Herkules erschlagen. Von Chiron koenntest du's erfragen; Der sprengt herum in dieser Geisternacht; Wenn er dir steht, so hast du's weit gebracht. sirenen Sollte dir's doch auch nicht fehlen!. . . Wie Ulyss bei uns verweilte, Schmaehend nicht voruebereilte, Wusst' er vieles zu erzaehlen; Wuerden alles dir vertrauen, Wolltest du zu unsern Gauen Dich ans gruene Meer verfuegen. sphinx Lass dich, Elder, nicht betruegen. Statt dass Ulyss sich binden liess, Lass unsern guten Rat dich binden; Kannst du den hohen Chiron finden, Erfaehrst du, was ich dir verhiess. mephistopheles Was kraechzt vorbei mit Fluegelschlag? So schnell, dass man's nicht sehen mag, Und immer eins dem andern nach, Den Jaeger wuerden sie ermueden. sphinx Dem Sturm des Winterwinds vergleichbar, Alcides' Pfeilen kaum erreichbar; Es sind die raschen Stymphaliden, Und wohlgemeint ihr Kraechzegruss, Mit Geierschnabel und Gaensefuss. Sie moechten gern in unsern Kreisen Als Stammverwandte sich erweisen. mephistopheles Noch andres Zeug zischt zwischen drein. sphinx Vor diesen sei Euch ja nicht bange! Es sind die Koepfe der lernaeischen Schlange, Vom Rumpf getrennt, und glauben was zu sein. Doch sagt, was soll nur aus Euch werden? Was fuer unruhige Gebaerden? Wo wollt Ihr hin? Begebt Euch fort!. . . Ich sehe, jener Chorus dort Macht Euch zum Wendehals. Bezwingt Euch nicht, Geht hin! begruesst manch reizendes Gesicht! Die Lamien sind's, lustfeine Dirnen, Mit Laechelmund und frechen Stirnen, Wie sie dem Satyrvolk behagen; Ein Bocksfuss darf dort alles wagen. mephistopheles Ihr bleibt doch hier? dass ich euch wiederfinde. sphinxe Ja! Mische dich zum luftigen Gesinde. Wir, von aegypten her, sind laengst gewohnt, Dass unsereins in tausend Jahre thront. Und respektiert nur unsre Lage, So regeln wir die Mond- und Sonnentage. Sitzen vor den Pyramiden, Zu der Voelker Hochgericht; ueberschwemmung, Krieg und Frieden - Und verziehen kein Gesicht. Am untern Peneios peneios Rege dich, du Schilfgefluester! Hauche leise, Rohregeschwister, Saeuselt, leichte Weidenstraeuche, Lispelt, Pappelzitterzweige, Unterbrochnen Traeumen zu!. . . Weckt mich doch ein grauslich Wittern, Heimlich allbewegend Zittern Aus dem Wallestrom und Ruh'. faust Hoer' ich recht, so muss ich glauben: Hinter den verschraenkten Lauben Dieser Zweige, dieser Stauden Toent ein menschenaehnlichs Lauten. Scheint die Welle doch ein Schwaetzen, Lueftein wie - ein Scherzergetzen. nymphen Am besten geschaeh' dir, Du legtest dich nieder, Erholtest im Kuehlen Ermuedete Glieder, Genoessest der immer Dich meidenden Ruh; Wir saeuseln, wir rieseln, Wir fluestern dir zu. faust Ich wache ja! O lasst sie walten, Die unvergleichlichen Gestalten, Wie sie dorthin mein Auge schickt. So wunderbar bin ich durchdrungen! Sind'd Traeume? Sind's Erinnerungen? Schon einmal warst du so beglueckt. Gewaesser schleichen durch die Frische Der dichten, sanft bewegten Buesche, Nicht rauschen sie, sie rieseln kaum; Von allen Seiten hundert Quellen Vereinen sich im reinlich hellen, Zum Bade flach vertieften Raum. Gesunde junge Frauenglieder, Vom feuchten Spiegel doppelt wieder Ergetztem Auge zugebracht! Gesellig dann und froehlich badend, Erdreistet schwimmend, furchtsam watend; Geschrei zuletzt und Wasserschlacht. Begnuegen sollt' ich mich an diesen, Mein Auge sollte hier geniessen, Doch immer weiter strebt mein Sinn. Der Blick dringt scharf nach jener Huelle, Das reiche Laub der gruenen Fuelle Verbirgt die hohe Koenigin. Wundersam! auch Schwaene kommen Aus den Buchten hergeschwommen, Majestaetisch rein bewegt. Ruhig schwebend, zart gesellig, Aber stolz und selbstgefaellig, Wie sich Haupt und Schnabel regt. . . Einer aber scheint vor allen Bruestend kuehn sich zu gefallen, Segelnd rasch durch alle fort; Sein Gefieder blaeht sich schwellend, Welle selbst, auf Wogen wellend, Dringt er zu dem heiligen Ort. . .. Die andern schwimmen hin und wider Mit ruhig glaenzendem Gefieder, Bald auch in regem praechtigen Streit, Die scheuen Maedchen abzulenken, Dass sie an ihren Dienst nicht denken, Nur an die eigne Sicherheit. nymphen Leget, Schwestern, euer Ohr An des Ufers gruene Stufe; Hoer' ich recht, so kommt mir's vor Als der Schall von Pferdes Hufe. Wuesst' ich nur, wer dieser Nacht Schnelle Botschaft zugebracht. faust Ist mir doch, als droehnt' die Erde, Schallend unter eiligem Pferde. Dorthin mein Blick! Ein guenstiges Geschick, Soll es mich schon erreichen? O Wunder ohnegleichen! Ein Reuter kommt herangetrabt, Er scheint von Geist und Mut begabt, Von blendend-weissem Pferd getragen . . . Ich irre nicht, ich kenn' ihn schon, Der Philyra beruehmter Sohn! - Halt, Chiron! halt! Ich habe dir zu sagen . . . chiron Was gibt's? Was ist's? + faust Bezaehme deinen Schritt! chiron Ich raste nicht. + faust So bitte! nimm mich mit! chiron Sitz auf! so kann ich nach Belieben fragen: Wohin des Wegs? Du stehst am Ufer hier, Ich bin bereit, dich durch den Fluss zu tragen. faust Wohin du willst. Fuer ewig dank' ich's dir . . . Der grosse Mann, der edle Paedagog, Der, sich zum Ruhm, ein Heldenvolk erzog, Den schoenen Kreis der edlen Argonauten Und alle, die des Dichters Welt erbauten. chiron Das lassen wir an seinem Ort! Selbst Pallas kommt als Mentor nicht zu Ehren; Am Ende treiben sie's nach ihrer Weise fort, Als wenn sie nicht erzogen waeren. faust Den Arzt, der jede Pflanze nennt, Die Wurzeln bis ins tiefste kennt, Dem Kranken Heil, dem Wunden Linderung schafft, Umarm' ich hier in Geist- und Koerperkraft! chiron Ward neben mir ein Held verletzt, Da wusst' ich Huelf' und Rat zu schaffen; Doch liess ich meine Kunst zuletzt Den Wurzelweibern und den Pfaffen. faust Du bist der wahre grosse Mann, Der Lobeswort nicht hoeren kann. Er sucht bescheiden auszuweichen Und tut, als gaeb' es seinesgleichen. chiron Du scheinest mir geschickt zu heucheln, Dem Fuersten wie dem Volk zu schmeicheln. faust So wirst du mir denn doch gestehn: Du hast die Groessten deiner Zeit gesehn, Dem Edelsten in Taten nachgestrebt, Halbgoettlich ernst die Tage durchgelebt. Doch unter den heroischen Gestalten Wen hast du fuer den Tuechtigsten gehalten? chiron Im hehren Argonautenkreise War jeder brav nach seiner eignen Weise, Und nach der Kraft, die ihn beseelte, Konnt' er genuegen, wo's den andern fehlte. Die Dioskuren haben stets gesiegt, Wo Jugendfuell' und Schoenheit ueberwiegt. Entschluss und schnelle Tat zu andrer Heil, Den Boreaden ward's zum schoensten Teil. Nachsinnend, kraeftig, klug, im Rat bequem, So herrschte Jason, Frauen angenehm. Dann Orpheus: zart und immer still bedaechtig, Schlug er die Leier allen uebermaechtig. Scharfsichtig Lynceus, der bei Tag und Nacht Das heil'ge Schiff durch Klipp' und Strand gebracht . . . Gesellig nur laesst sich Gefahr erproben: Wenn einer wirkt, die andern alle loben . . . faust Von Herkules willst nichts erwaehnen? chiron O weh! errege nicht mein Sehnen . . . Ich hatte Phoebus nie gesehn, Noch Ares, Hermes, wie sie heissen; Da sah ich mir vor Augen stehn, Was alle Menschen goettlich preisen. So war er ein geborner Koenig, Als Juengling herrlichst anzuschaun; Dem aeltern Bruder untertaenig Und auch den allerliebsten Fraun. Den zweiten zeugt nicht Gaea wieder, Nicht fuehrt ihn Hebe himmelein; Vergebens muehen sich die Lieder, Vergebens quaelen sie den Stein. faust So sehr auch Bildner auf ihn pochen, So herrlich kam er nie zur Schau. Vom schoensten Mann hast du gesprochen, Nun sprich auch von der schoensten Frau! chiron Was! . . . Frauenschoenheit will nichts heissen, Ist gar zu oft ein starres Bild; Nur solch ein Wesen kann ich preisen, Das froh und lebenslustig quillt. Die Schoene bleibt sich selber selig; Die Anmut macht unwiderstehlich, Wie Helena, da ich sie trug. faust Du trugst sie? + chiron Ja, auf diesem Ruecken. faust Bin ich nicht schon verwirrt genug? Und solch ein Sitz muss mich begluecken! chiron Sie fasste so mich in das Haar, Wie du es tust. + faust O ganz und gar Verlier' ich mich! Erzaehle, wie? Sie ist mein einziges Begehren! Woher, wohin, ach, trugst du sie? chiron Die Frage laesst sich leicht gewaehren. Die Dioskuren hatten jener Zeit Das Schwesterchen aus Raeuberfaust befreit. Doch diese, nicht gewohnt, besiegt zu sein, Ermannten sich urd stuermten hintendrein. Da hielten der Geschwister eiligen Lauf Die Suempfe bei Eleusis auf; Die Brueder wateten, ich patschte, schwamm hinueber; Da sprang sie ab und streichelte Die feuchte Maehne, schmeichelte Und dankte lieblich-klug und selbstbewusst. Wie war sie reizend! jung, des Alten Lust! faust Erst zehen Jahr! . . . + chiron Ich seh', die Philologen, Sie haben dich so wie sich selbst betrogen. Ganz eigen ist's mit mythologischer Frau, Der Dichter bringt sie, wie er's braucht, zur Schau: Nie wird sie muendig, wird nicht alt, Stets appetitlicher Gestalt, Wird jung entfuehrt, im Alter noch umfreit; Gnug, den Poeten bindet keine Zeit. faust So sei auch sie durch keine Zeit gebunden! Hat doch Achill auf Pherae sie gefunden, Selbst ausser aller Zeit. Welch seltnes Glueck: Errungen Liebe gegen das Geschick! Und sollt' ich nicht, sehnsuechtigster Gewalt, Ins Leben ziehn die einzigste Gestalt? Das ewige Wesen, Goettern ebenbuertig, So gross als zart, so hehr als liebenswuerdig? Du sahst sie einst; heut hab' ich sie gesehn, So schoen wie reizend, wie ersehnt so schoen. Nun ist mein Sinn, mein Wesen streng umfangen; Ich lebe nicht, kann ich sie nicht erlangen. chiron Mein fremder Mann! als Mensch bist du entzueckt; Doch unter Geistern scheinst du wohl verrueckt. Nun trifft sich's hier zu deinem Gluecke; Denn alle Jahr, nur wenig Augenblicke, Pfleg' ich bei Manto vorzutreten, Der Tochter aeskulaps; im stillen Beten Fleht sie zum Vater, dass, zu seiner Ehre, Er endlich doch der aerzte Sinn verklaere Und vom verwegnen Totschlag sie bekehre . . . Die liebste mir aus der Sibyllengilde, Nicht fratzenhaft bewegt, wohltaetig milde; Ihr glueckt es wohl, bei einigem Verweilen, Mit Wurzelkraeften dich von Grund zu heilen. faust Geheilt will ich nicht sein, mein Sinn ist maechtig; Da waer' ich ja wie andre niedertraechtig. chiron Versaeume nicht das Heil der edlen Quelle! Geschwind herab! Wir sind zur Stelle. faust Sag an! Wohin hast du, in grauser Nacht, Durch Kiesgewaesser mich ans Land gebracht? chiron Hier trotzten Rom und Griechenland im Streite, Peneios rechts, links den Olymp zur Seite, Das groesste Reich, das sich im Sand verliert; Der Koenig flieht, der Buerger triumphiert. Blick auf! hier steht, bedeutend nah, Im Mondenschein der ewige Tempel da. manto Von Pferdes Hufe Erklingt die heilige Stufe, Halbgoetter treten heran. chiron Ganz recht! Nur die Augen aufgetan! manto Willkommen! ich seh', du bleibst nicht aus. chiron Steht dir doch auch dein Tempelhaus! manto Streiftst du noch immer unermuedet? chiron Wohnst du doch immer still umfriedet, Indes zu kreisen mich erfreut. manto Ich harre, mich umkreist die Zeit. Und dieser? + chiron Die verrufene Nacht Hat strudelnd ihn hierher gebracht. Helenen, mit verrueckten Sinnen, Helenen will er sich gewinnen Und weiss nicht, wie und wo beginnen; Asklepischer Kur vor andern wert. manto Den lieb' ich, der Unmoegliches begehrt. manto Tritt ein, Verwegner, sollst dich freuen! Der dunkle Gang fuehrt zu Persephoneien. In des Olympus hohlem Fuss Lauscht sie geheim verbotnem Gruss. Hier hab' ich einst den Orpheus eingeschwaerzt; Benutz es besser! frisch! beherzt! Am obern Peneios sirenen Stuerzt euch in Peneios' Flut! Plaetschernd ziemt es da zu schwimmen, Lied um Lieder anzustimmen, Dem unseligen Volk zugut. Ohne Wasser ist kein Heil! Fuehren wir mit hellem Heere Eilig zum aegaeischen Meere, Wuerd' uns jede Lust zuteil. sirenen Schaeumend kehrt die Welle wieder, Fliesst nicht mehr im Bett darnieder; Grund erbebt, das Wasser staucht, Kies und Ufer berstend raucht. Fluechten wir! Kommt alle, kommt! Niemand, dem das Wunder frommt. Fort! ihr edlen frohen Gaeste, Zu dem seeisch heitern Feste, Blinkend, wo die Zitterwellen, Ufernetzend, leise schwellen; Da, wo Luna doppelt leuchtet, Uns mit heil'gem Tau befeuchtet. Dort ein freibewegtes Leben, Hier ein aengstlich Erdebeben; Eile jeder Kluge fort! Schauderhaft ist's um den Ort. seismos Einmal noch mit Kraft geschoben, Mit den Schultern brav gehoben! So gelangen wir nach oben, Wo uns alles weichen muss. sphinxe Welch ein widerwaertig Zittern, Haesslich grausenhaftes Wittern! Welch ein Schwanken, welches Beben, Schaukelnd Hin- und Widerstreben! Welch unleidlicher Verdruss! Doch wir aendern nicht die Stelle, Braeche los die ganze Hoelle. Nun erhebt sich ein Gewoelbe Wundersam. Es ist derselbe, Jener Alte, laengst Ergraute, Der die Insel Delos baute, Einer Kreissenden zulieb' Aus der Wog' empor sie trieb. Er, mit Streben, Draengen, Druecken, Arme straff, gekruemmt den Ruecken, Wie ein Atlas an Gebaerde, Hebt er Boden, Rasen, Erde, Kies und Griess und Sand und Letten, Unsres Ufers stille Betten. So zerreisst er eine Strecke Quer des Tales ruhige Decke. Angestrengtest, nimmer muede, Kolossale Karyatide, Traegt ein furchtbar Steingerueste, Noch im Boden bis zur Bueste; Weiter aber soll's nicht kommen, Sphinxe haben Platz genommen. seismos Das hab' ich ganz allein vermittelt, Man wird mir's endlich zugestehn; Und haett' ich nicht geschuettelt und geruettelt, Wie waere diese Welt so schoen? - Wie staenden eure Berge droben In praechtig-reinem aetherblau, Haett' ich sie nicht hervorgeschoben Zu malerisch-entzueckter Schau? Als, angesichts der hoechsten Ahnen, Der Nacht, des Chaos, ich mich stark betrug Und, in Gesellschaft von Titanen, Mit Pelion und Ossa als mit Ballen schlug, Wir tollten fort in jugendlicher Hitze, Bis ueberdruessig noch zuletzt Wir dem Parnass, als eine Doppelmuetze, Die beiden Berge frevelnd aufgesetzt . . . Apollen haelt ein froh Verweilen Dort nun mit seliger Musen Chor. Selbst Jupitern und seinen Donnerkeilen Hob ich den Sessel hoch empor. Jetzt so, mit ungeheurem Streben, Drang aus dem Abgrund ich herauf Und fordre laut, zu neuem Leben, Mir froehliche Bewohner auf. sphinxe Uralt, muesste man gestehen, Sei das hier Emporgebuergte, Haetten wir nicht selbst gesehen, Wie sich's aus dem Boden wuergte. Bebuschter Wald verbreitet sich hinan, Noch draengt sich Fels auf Fels bewegt heran; Ein Sphinx wird sich daran nicht kehren: Wir lassen uns im heiligen Sitz nicht stoeren. greife Gold in Blaettchen, Gold in Flittern Durch die Ritzen seh ich zittern. Lasst euch solchen Schatz nicht rauben, Imsen, auf! es auszuklauben. chor der ameisen Wie ihn die Riesigen Emporgehoben, Ihr Zappelfuessigen, Geschwind nach oben! Behendest aus und ein! In solchen Ritzen Ist jedes Broeselein Wert zu besitzen. Das Allermindeste Muesst ihr entdecken Auf das geschwindeste In allen Ecken. Allemsig muesst ihr sein, Ihr Wimmelscharen; Nur mit dem Gold herein! Den Berg lasst fahren. greife Herein! Herein! Nur Gold zu Hauf! Wir legen unsre Klauen drauf; Sind Riegel von der besten Art, Der groesste Schatz ist wohlverwahrt. pygmaeen Haben wirklich Platz genommen, Wissen nicht, wie es geschah. Fraget nicht, woher wir kommen, Denn wir sind nun einmal da! Zu des Lebens lustigem Sitze Eignet sich ein jedes Land; Zeigt sich eine Felsenritze, Ist auch schon der Zwerg zur Hand. Zwerg und Zwergin, rasch zum Fleisse, Musterhaft ein jedes Paar; Weiss nicht, ob es gleicher Weise Schon im Paradiese war. Doch wir finden's hier zum besten, Segnen dankbar unsern Stern; Denn im Osten wie im Westen Zeugt die Mutter Erde gern. daktyle Hat sie in einer Nacht Die Kleinen hervorgebracht, Sie wird die Kleinsten erzeugen; Finden auch ihresgleichen. pygmaeen-aelteste Eilet, bequemen Sitz einzunehmen! Eilig zum Werke! Schnelle fuer Staerke! Noch ist es Friede; Baut euch die Schmiede, Harnisch und Waffen Dem Heer zu schaffen. Ihr Imsen alle, Ruehrige im Schwalle, Schafft uns Metalle! Und ihr Daktyle, Kleinste, so viele, Euch sei befohlen, Hoelzer zu holen! Schlichtet zusammen Heimliche Flammen, Schaffet uns Kohlen. generalissimus Mit Pfeil und Bogen Frisch ausgezogen! An jenem Weiher Schiesst mir die Reiher, Unzaehlig nistende, Hochmuetig bruestende, Auf einen Ruck, Alle wie einen! Dass wir erscheinen Mit Helm und Schmuck. imsen und daktyle Wer wird uns retten! Wir schaffen 's Eisen, Sie schmieden Ketten. Uns loszureissen, Ist noch nicht zeitig, Drum seid geschmeidig. die kraniche des ibykus Mordgeschrei und Sterbeklagen! aengstlich Fluegelflatterschlagen! Welch ein aechzen, welch Gestoehn Dringt herauf zu unsern Hoehn! Alle sind sie schon ertoetet, See von ihrem Blut geroetet, Missgestaltete Begierde Raubt des Reihers edle Zierde. Weht sie doch schon auf dem Helme Dieser Fettbauch-Krummbein-Schelme. Ihr Genossen unsres Heeres, Reihenwanderer des Meeres, Euch berufen wir zur Rache In so nahverwandter Sache. Keiner spare Kraft und Blut! Ewige Feindschaft dieser Brut! mephistopheles Die nordischen Hexen wusst' ich wohl zu meistern, Mir wird's nicht just mit diesen fremden Geistern. Der Blocksberg bleibt ein gar bequem Lokal, Wo man auch sei, man findet sich zumal. Frau Ilse wacht fuer uns auf ihrem Stein, Auf seiner Hoeh' wird Heinrich munter sein, Die Schnarcher schnauzen zwar das Elend an, Doch alles ist fuer tausend Jahr getan. Wer weiss denn hier nur, wo er geht und steht, Ob unter ihm sich nicht der Boden blaeht? . . . Ich wandle lustig durch ein glattes Tal, Und hinter mir erhebt sich auf einmal Ein Berg, zwar kaum ein Berg zu nennen, Von meinen Sphinxen mich jedoch zu trennen Schon hoch genug - hier zuckt noch manches Feuer Das Tal hinab und flammt ums Abenteuer . . . Noch tanzt und schwebt mir lockend, weichend vor, Spitzbuebisch gaukelnd, der galante Chor. Nur sachte drauf! Allzugewohnt ans Naschen, Wo es auch sei, man sucht was zu erhaschen. lamien Geschwind, geschwinder! Und immer weiter! Dann wieder zaudernd, Geschwaetzig plaudernd. Es ist so heiter, Den alten Suender Uns nachzuziehen, Zu schwerer Busse. Mit starrem Fusse Kommt er geholpert, Einhergestolpert; Er schleppt das Bein, Wie wir ihn fliehen, Uns hinterdrein! mephistopheles Verflucht Geschick! Betrogne Mannsen! Von Adam her verfuehrte Hansen! Alt wird man wohl, wer aber klug? Warst du nicht schon vernarrt genug! Man weiss, das Volk taugt aus dem Grunde nichts, Geschnuerten Leibs, geschminkten Angesichts. Nichts haben sie Gesundes zu erwidern, Wo man sie anfasst, morsch in allen Gliedern. Man weiss, man sieht's, man kann es greifen, Und dennoch tanzt man, wenn die Luder pfeifen! lamien Halt! er besinnt sich, zaudert, steht; Entgegnet ihm, dass er euch nicht entgeht! mephistopheles Nur zu! und lass dich ins Gewebe Der Zweifelei nicht toerig ein; Denn wenn es keine Hexen gaebe, Wer Teufel moechte Teufel sein! lamien Kreisen wir um diesen Helden! Liebe wird in seinem Herzen Sich gewiss fuer eine melden. mephistopheles Zwar bei ungewissem Schimmer Scheint ihr huebsche Frauenzimmer, Und so moecht' ich euch nicht schelten. empuse Auch nicht mich! als eine solche Lasst mich ein in eure Folge. lamien Die ist in unserm Kreis zuviel, Verdirbt doch immer unser Spiel. empuse Begruesst von Muehmichen Empuse, Der Trauten mit dem Eselsfusse! Du hast nur einen Pferdefuss, Und doch, Herr Vetter, schoensten Gruss! mephistopheles Hier dacht' ich lauter Unbekannte Und finde leider Nahverwandte; Es ist ein altes Buch zu blaettern: Vom Harz bis Hellas immer Vettern! empuse Entschieden weiss ich gleich zu handeln, In vieles koennt' ich mich verwandeln; Doch Euch zu Ehren hab' ich jetzt Das Eselskoepfchen aufgesetzt. mephistopheles Ich merk', es hat bei diesen Leuten Verwandtschaft Grosses zu bedeuten; Doch mag sich, was auch will, eraeugnen, Den Eselskopf moecht' ich verleugnen. lamien Lass diese Garstige, sie verscheucht, Was irgend schoen und lieblich deucht; Was irgend schoen und lieblich waer' - Sie kommt heran, es ist nicht mehr! mephistopheles Auch diese Muehmchen zart und schmaechtig, Sie sind mir allesamt verdaechtig; Und hinter solcher Waenglein Rosen Fuercht' ich doch auch Metamorphosen. lamien Versuch es doch! sind unsrer viele. Greif zu! Und hast du Glueck im Spiele, Erhasche dir das beste Los. Was soll das luesterne Geleier? Du bist ein miserabler Freier, Stolzierst einher und tust so gross! - Nun mischt er sich in unsre Scharen; Lasst nach und nach die Masken fahren Und gebt ihm euer Wesen bloss. mephistopheles Die Schoenste hab' ich mir erlesen . . . O weh mir! welch ein duerrer Besen! Und diese? . . . Schmaehliches Gesicht! lamien Verdienst du's besser? duenkt es nicht. mephistopheles Die Kleine moecht' ich mir verpfaenden . . . Lacerte schluepft mir aus den Haenden! Und schlangenhaft der glatte Zopf. Dagegen fass' ich mir die Lange . . . Da pack' ich eine Thyrsusstange, Den Pinienapfel als den Kopf! Wo will's hinaus? . . . Noch eine Dicke, An der ich mich vielleicht erquicke; Zum letztenmal gewagt! Es sei! Recht quammig, quappig, das bezahlen Mit hohem Preis Orientalen . . . Doch ach! der Bovist platzt entzwei! lamien Fahrt auseinander, schwankt und schwebet Blitzartig, schwarzen Flugs umgebet Den eingedrungnen Hexensohn! Unsichre, schauderhafte Kreise! Schweigsamen Fittichs, Fledermaeuse! Zu wohlfeil kommt er doch davon. mephistopheles Viel klueger, scheint es, bin ich nicht geworden; Absurd ist's hier, absurd im Norden, Gespenster hier wie dort vertrackt, Volk und Poeten abgeschmackt. Ist eben hier eine Mummenschanz Wie ueberall, ein Sinnentanz. Ich griff nach holden Maskenzuegen Und fasste Wesen, dass mich's schauerte . . . Ich moechte gerne mich betruegen, Wenn es nur laenger dauerte. Wo bin ich denn? Wo will's hinaus? Das war ein Pfad, nun ist's ein Graus. Ich kam daher auf glatten Wegen, Und jetzt steht mir Geroell entgegen. Vergebens klettr' ich auf und nieder, Wo find' ich meine Sphinxe wieder? So toll haett' ich mir's nicht gedacht, Ein solch Gebirge in einer Nacht! Das heiss' ich frischen Hexenritt, Die bringen ihren Blocksberg mit. oreas Herauf hier! Mein Gebirg ist alt, Steht in urspruenglicher Gestalt. Verehre schroffe Felsensteige, Des Pindus letztgedehnte Zweige! Schon stand ich unerschuettert so, Als ueber mich Pompejus floh. Daneben das Gebild des Wahns Verschwindet schon beim Kraehn des Hahns. Dergleichen Maerchen seh' ich oft entstehn Und ploetzlich wieder untergehn. mephistopheles Sei Ehre dir, ehrwuerdiges Haupt, Von hoher Eichenkraft umlaubt! Der allerklarste Mondenschein Dringt nicht zur Finsternis herein. - Doch neben am Gebuesche zieht Ein Licht, das gar bescheiden glueht. Wie sich das alles fuegen muss! Fuerwahr, es ist Homunculus! Woher des Wegs, du Kleingeselle? homunculus Ich schwebe so von Stell' zu Stelle Und moechte gern im besten Sinn entstehn, Voll Ungeduld, mein Glas entzweizuschlagen; Allein, was ich bisher gesehn, Hinein da moecht' ich mich nicht wagen. Nur, um dir's im Vertraun zu sagen: Zwei Philosophen bin ich auf der Spur, Ich horchte zu, es hiess: Natur, Natur! Von diesen will ich mich nicht trennen, Sie muessen doch das irdische Wesen kennen; Und ich erfahre wohl am Ende, Wohin ich mich am allerkluegsten wende. mephistopheles Das tu auf deine eigne Hand. Denn wo Gespenster Platz genommen, Ist auch der Philosoph willkommen. Damit man seiner Kunst und Gunst sich freue, Erschafft er gleich ein Dutzend neue. Wenn du nicht irrst, kommst du nicht zu Verstand. Willst du entstehn, entsteh auf eigne Hand! homunculus Ein guter Rat ist auch nicht zu verschmaehn. mephistopheles So fahre hin! Wir wollen's weiter sehn. anaxagoras Dein starrer Sinn will sich nicht beugen; Bedarf es Weitres, dich zu ueberzeugen? thales Die Welle beugt sich jedem Winde gern, Doch haelt sie sich vom schroffen Felsen fern. anaxagoras Durch Feuerdunst ist dieser Fels zu Handen. thales Im Feuchten ist Lebendiges erstanden. homunculus Lasst mich an eurer Seite gehn. Mir selbst geluestet's, zu entstehn! axanagoras Hast du, o Thales, je in einer Nacht Solch einen Berg aus Schlamm hervorgebracht? thales Nie war Natur und ihr lebendiges Fliessen Auf Tag und Nacht und Stunden angewiesen. Sie bildet regelnd jegliche Gestalt, Und selbst im Grossen ist es nicht Gewalt. anaxagoras Hier aber war's! Plutonisch grimmig Feuer, aeolischer Duenste Knallkraft, ungeheuer, Durchbrach des flachen Bodens alte Kruste, Dass neu ein Berg sogleich entstehen musste. thales Was wird dadurch nun weiter fortgesetzt? Er ist auch da, und das ist gut zuletzt. Mit solchem Streit verliert man Zeit und Weile Und fuehrt doch nur geduldig Volk am Seile. anaxagoras Schnell quillt der Berg von Myrmidonen, Die Felsenspalten zu bewohnen; Pygmaeen, Imsen, Daeumerlinge Und andre taetig kleine Dinge. Nie hast du Grossem nachgestrebt, Einsiedlerisch-beschraenkt gelebt; Kannst du zur Herrschaft dich gewoehnen, So lass ich dich als Koenig kroenen. homunculus Was sagt mein Thales? + thales Will's nicht raten; Mit Kleinen tut man kleine Taten, Mit Grossen wird der Kleine gross. Sieh hin! die schwarze Kranichwolke! Sie droht dem aufgeregten Volke Und wuerde so dem Koenig drohn. Mit scharfen Schnaebeln, krallen Beinen, Sie stechen nieder auf die Kleinen; Verhaengnis wetterleuchtet schon. Ein Frevel toetete die Reiher, Umstellend ruhigen Friedensweiher. Doch jener Mordgeschosse Regen Schafft grausam-blut'gen Rachesegen, Erregt der Nahverwandten Wut Nach der Pygmaeen frevlem Blut. Was nuetzt nun Schild und Helm und Speer? Was hilft der Reiherstrahl den Zwergen? Wie sich Daktyl und Imse bergen! Schon wankt, es flieht, es stuerzt das Heer. anaxagoras Konnt' ich bisher die Unterirdischen loben, So wend' ich mich in diesem Fall nach oben. . . Du! droben ewig Unveraltete, Dreinamig-Dreigestaltete, Dich ruf' ich an bei meines Volkes Weh, Diana, Luna, Hekate! Du Brusterweiternde, im Tiefsten Sinnige, Du Ruhigscheinende, Gewaltsam-Innige, Eroeffne deiner Schatten grausen Schlund, Die alte Macht sei ohne Zauber kund! Bin ich zu schnell erhoert? Hat mein Flehn Nach jenen Hoehn Die Ordnung der Natur gestoert? Und groesser, immer groesser nahet schon Der Goettin rundumschriebner Thron, Dem Auge furchtbar, ungeheuer! Ins Duestre roetet sich sein Feuer. . . Nicht naeher, drohend-maechtige Runde! Du richtest uns und Land und Meer zugrunde! So waer' es wahr, dass dich thessalische Frauen In frevlend magischem Vertrauen Von deinem Pfad herabgesungen, Verderblichstes dir abgerungen?. . . Das lichte Schild hat sich umdunkelt, Auf einmal reisst's und blitzt und funkelt! Welch ein Geprassel! Welch ein Zischen! Ein Donnern, Windgetuem dazwischen! - Demuetig zu des Thrones Stufen! - Verzeiht! Ich hab' es hergerufen. thales Was dieser Mann nicht alles hoert' und sah! Ich weiss nicht recht, wie uns geschah, Auch hab' ich's nicht mit ihm empfunden. Gestehen wir, es sind verrueckte Stunden, Und Luna wiegt sich ganz bequem An ihrem Platz, so wie vordem. homunculus Schaut hin nach der Pygmaeen Sitz! Der Berg war rund, jetzt ist er spitz. Ich spuert' ein ungeheures Prallen, Der Fels war aus dem Mond gefallen; Gleich hat er, ohne nachzufragen, So Freund als Feind gequetscht, erschlagen. Doch muss ich solche Kuenste loben, Die schoepferisch, in einer Nacht, Zugleich von unten und von oben, Dies Berggebaeu zustand gebracht. thales Sei ruhig! Es war nur gedacht. Sie fahre hin, die garstige Brut! Dass du nicht Koenig warst, ist gut. Nun fort zum heitern Meeresfeste, Dort hofft und ehrt man Wundergaeste. mephistopheles Da muss ich mich durch steile Felsentreppen, Durch alter Eichen starre Wurzeln schleppen! Auf meinem Harz der harzige Dunst Hat was vom Pech, und das hat meine Gunst, Zunaechst dem Schwefel. . . Hier, bei diesen Griechen Ist von dergleichen kaum die Spur zu riechen; Neugierig aber waer' ich, nachzuspueren, Womit sie Hoellenqual und -flamme schueren. dryas In deinem Lande sei einheimisch klug, Im fremden bist du nicht gewandt genug. Du solltest nicht den Sinn zur Heimat kehren, Der heiligen Eichen Wuerde hier verehren. mephistopheles Man denkt an das, was man verliess; Was man gewohnt war, bleibt ein Paradies. Doch sagt: was in der Hoehle dort, Bei schwachem Licht, sich dreifach hingekauert? dryas Die Phorkyaden! Wage dich zum Ort Und sprich sie sie an, wenn dich nicht schauert. mephistopheles Warum denn nicht! - Ich sehe was, und staune! So stolz ich bin, muss ich mir selbst gestehn: Dergleichen hab' ich nie gesehn, Die sind ja schlimmer als Alraune. . . Wird man die urverworfnen Suenden Im mindesten noch haesslich finden, Wenn man dies Dreigetuem erblickt? Wir litten sie nicht auf den Schwellen Der grauenvollsten unsrer Hoellen. Hier wurzelt's in der Schoenheit Land, Das wird mit Ruhm antik genannt. . . Sie regen sich, sie scheinen mich zu spueren, Sie zwitschern pfeifend, Fledermaus-Vampyren. phorkyas Gebt mir das Auge, Schwestern, dass es frage, Wer sich so nah an unsre Tempel wage. mephistopheles Verehrteste! Erlaubt mir, euch zu nahen Und euren Segen dreifach zu empfahen. Ich trete vor, zwar noch als Unbekannter, Doch, irr' ich nicht, weitlaeufiger Verwandter. Altwuerdige Goetter hab' ich schon erblickt, Vor Ops und Rhea tiefstens mich gebueckt; Die Parzen selbst, des Chaos, eure Schwestern, Ich sah sie gestern - oder ehegestern; Doch euresgleichen hab' ich nie erblickt. Ich schweige nun und fuehle mich entzueckt. phorkyaden Er scheint Verstand zu haben, dieser Geist. mephistopheles Nur wundert's mich, dass euch kein Dichter preist. Und sagt: wie kam's, wie konnte das geschehn? Im Bilde hab' ich nie euch Wuerdigste gesehn; Versuch's der Meissel doch, euch zu erreichen, Nicht Juno, Pallas, Venus und dergleichen. phorkyaden Versenkt in Einsamkeit und stillste Nacht, Hat unser Drei noch nie daran gedacht! mephistopheles Wie sollt' es auch? da ihr, der Welt entrueckt, Hier niemand seht und niemand euch erblickt. Da muesstet ihr an solchen Orten wohnen, Wo Pracht und Kunst auf gleichem Sitze thronen, Wo jeden Tag, behend, im Doppelschritt, Ein Marmorblock als Held ins Leben tritt. Wo- + phorkyaden Schweige still und gib uns kein Geluesten! Was huelf' es uns, und wenn wir's besser wuessten? In Nacht geboren, Naechtlichem verwandt, Beinah uns selbst, ganz allen unbekannt. mephistopheles In solchem Fall hat es nicht viel zu sagen, Man kann sich selbst auch andern uebertragen. Euch dreien gnuegt ein Auge, gnuegt ein Zahn; Da ging' es wohl auch mythologisch an, In zwei die Wesenheit der drei zu fassen, Der Dritten Bildnis mir zu ueberlassen, Auf kurze Zeit. + eine Wie duenkt's euch? ging' es an? die andern Versuchen wir's! - doch ohne Aug' und Zahn. mephistopheles Nun habt ihr grad das Beste weggenommen; Wie wuerde da das strengste Bild vollkommen! eine Drueck du ein Auge zu, 's ist leicht geschehn, Lass alsofort den einen Raffzahn sehn, Und im Profil wirst du sogleich erreichen, Geschwisterlich vollkommen uns zu gleichen. mephistopheles Viel Ehr'! Es sei! + phorkyaden Es sei! + mephistopheles Da steh' ich schon, Des Chaos vielgeliebter Sohn! phorkyaden Des Chaos Toechter sind wir unbestritten. mephistopheles Man schilt mich nun, o Schmach, Hermaphroditen. phorkyaden Im neuen Drei der Schwestern welche Schoene! Wir haben zwei der Augen, zwei der Zaehne. mephistopheles Vor aller Augen muss ich mich verstecken, Im Hoellenpfuhl die Teufel zu erschrecken. Felsbuchten des aegaeischen Meers sirenen Haben sonst bei naechtigem Grauen Dich thessalische Zauberfrauen Frevelhaft herabgezogen, Blicke ruhig von dem Bogen Deiner Nacht auf Zitterwogen Mildeblitzend Glanzgewimmel Und erleuchte das Getuemmel, Das sich aus den Wogen hebt! Dir zu jedem Dienst erboetig, Schoene Luna, sei uns gnaedig! nereiden und tritonen Toenet laut in schaerfern Toenen, Die das breite Meer durchdroehnen, Volk der Tiefe ruft fortan! Vor des Sturmes grausen Schluenden Wichen wir zu stillsten Gruenden, Holder Sang zieht uns heran. Seht, wie wir im Hochentzuecken Uns mit goldenen Ketten schmuecken, Auch zu Kron' und Edelsteinen Spang- und Guertelschmuck vereinen! Alles das ist eure Frucht. Schaetze, scheiternd hier verschlungen, Habt ihr uns herangesungen, Ihr Daemonen unsrer Bucht. sirenen Wissen's wohl, in Meeresfrische Glatt behagen sich die Fische, Schwanken Lebens ohne Leid; Doch, ihr festlich regen Scharen, Heute moechten wir erfahren, Dass ihr mehr als Fische seid. nereiden und tritonen Ehe wir hieher gekommen, Haben wir's zu Sinn genommen; Schwestern, Bur*der, jetzt geschwind! Heut bedarf's der kleinsten Reise Zum vollgueltigsten Beweise, Dass wir mehr als Fische sind. sirenen Fort sind sie im Nu! Nach Samothrace grade zu, Verschwunden mit guenstigem Wind. Was denken sie zu vollfuehren Im Reiche der hohen Kabiren? Sind Goetter! Wundersam eigen, Die sich immerfort selbst erzeugen Und niemals wissen, was sie sind. Bleibe auf deinen Hoehn, Holde Luna, gnaedig stehn, Dass es naechtig verbleibe, Uns der Tag nicht vertreibe! thales Ich fuehrte dich zum alten Nereus gern; Zwar sind wir nicht von seiner Hoehle fern, Doch hat er einen harten Kopf, Der widerwaertige Sauertopf. Das ganze menschliche Geschlecht Macht's ihm, dem Griesgram, nimmer recht. Doch ist die Zukunft ihm entdeckt, Dafuer hat jedermann Respekt Und ehret ihn auf seinem Posten; Auch hat er manchem wohlgetan. homunculus Probieren wir's und klopfen an! Nicht gleich wird's Glas und Flamme kosten. nereus Sind's Menschenstimmen, die mein Ohr vernimmt? Wie es mir gleich im tiefsten Herzen grimmt! Gebilde, strebsam, Goetter zu erreichen, Und doch verdammt, sich immer selbst zu gleichen. Seit alten Jahren konnt' ich goettlich ruhn, Doch trieb mich's an, den Besten wohlzutun; Und schaut' ich dann zuletzt vollbrachte Taten, So war es ganz, als haett' ich nicht geraten. thales Und doch, o Greis des Meers, vertraut man dir; Du bist der Weise, treib uns nicht von hier! Schau diese Flamme, menschenaehnlich zwar, Sie deinem Rat ergibt sich ganz und gar. nereus Was Rat! Hat Rat bei Menschen je gegolten? Ein kluges Wort erstarrt im harten Ohr. So oft auch Tat sich grimmig selbst gescholten, Bleibt doch das Volk selbstwillig wie zuvor. Wie hab' ich Paris vaeterlich gewarnt, Eh sein Geluest ein fremdes Weib umgarnt. Am griechischen Ufer stand er kuehnlich da, Ihm kuendet' ich, was ich im Geiste sah: Die Luefte qualmend, ueberstroemend Rot, Gebaelke gluehend, unten Mord und Tod: Trojas Gerichtstag, rhythmisch festgebannt, Jahrtausenden so schrecklich als gekannt. Des Alten Wort, dem Frechen schien's ein Spiel, Er folgte seiner Lust, und Ilios fiel - Ein Riesenleichnam, starr nach langer Qual, Des Pindus Adlern gar willkommnes Mahl. Ulyssen auch! sagt' ich ihm nicht voraus Der Circe Listen, des Zyklopen Graus? Das Zaudern sein, der Seinen leichten Sinn, Und was nicht alles! Bracht' ihm das Gewinn? Bis vielgeschaukelt ihn, doch spaet genug, Der Woge Gunst an gastlich Ufer trug. thales Dem weisen Mann gibt solch Betragen Qual; Der gute doch versucht es noch einmal. Ein Quentchen Danks wird, hoch ihn zu vergnuegen, Die Zentner Undanks voellig ueberwiegen. Denn nichts Geringes haben wir zu flehn: Der Knabe da wuenscht weislich zu entstehn. nereus Verderbt mir nicht den seltensten Humor! Ganz andres steht mir heute noch bevor: Die Toechter hab' ich alle herbeschieden, Die Grazien des Meeres, die Doriden. Nicht der Olymp, nicht euer Boden traegt Ein schoen Gebild, das sich so zierlich regt. Sie werfen sich, anmutigster Gebaerde, Vom Wasserdrachen auf Neptunus' Pferde, Dem Element aufs zarteste vereint, Dass selbst der Schaum sie noch zu heben scheint. Im Farbenspiel von Venus' Muschelwagen Kommt Galatee, die Schoenste, nun getragen, Die, seit sich Kypris von uns abgekehrt, In Paphos wird als Goettin selbst verehrt. Und so besitzt die Holde lange schon, Als Erbin, Tempelstadt und Wagenthron. Hinweg! Es ziemt in Vaterfreudenstunde Nicht Hass dem Herzen, Scheltwort nicht dem Munde. Hinweg zu Proteus! Fragt den Wundermann: Wie man entstehn und sich verwandlen kann. thales Wir haben nichts durch siesen Schritt gewonnen, Trifft man auch Proteus, gleich ist er zerronnen; Und steht er euch, so sagt er nur zuletzt, Was staunen macht und in Verwirrung setzt. Du bist einmal beduerftig solchen Rats, Versuchen wir's und wandlen unsres Pfads! sirenen Was sehen wir von weiten Das Wellenreich durchgleiten? Als wie nach Windes Regel Anzoegen weisse Segel, So hell sind sie zu schauen, Verklaerte Meeresfrauen. Lasst uns herunterklimmen, Vernehmt ihr doch die Stimmen. nereiden und tritonen Was wir auf Haenden tragen, Soll allen euch behagen. Chelonens Riesenschilde Entglaenzt ein streng Gebilde: Sind Goetter, die wir bringen; Muesst hohe Lieder singen. sirenen Klein von Gestalt, Gross von Gewalt, Der Scheiternden Retter, Uralt verehrte Goetter. nereiden und tritonen Wir bringen die Kabiren, Ein friedlich Fest zu fuehren; Denn wo sie heilig walten, Neptun wird freundlich schalten. sirenen Wir stehen euch nach; Wenn ein Schiff zerbrach, Unwiderstehbar an Kraft Schuetzt ihr die Mannschaft. nereiden und tritonen Drei haben wir mitgenommen, Der vierte wollte nicht kommen; Er sagte, er sei der Rechte, Der fuer sie alle daechte. sirenen Ein Gott den andern Gott Macht wohl zu Spott. Ehrt ihr alle Gnaden, Fuerchtet jeden Schaden. nereiden und tritonen Sind eigentlich ihrer sieben. Wo sind die drei geblieben? nereiden und tritonen Wir wuessten's nicht zu sagen, Sind im Olymp zu erfragen; Dort west auch wohl der achte, An den noch niemand dachte! In Gnaden uns gewaertig, Doch alle noch nicht fertig. Diese Unvergleichlichen Wollen immer weiter, Sehnsuchtsvolle Hungerleider Nach dem Unerreichlichen. sirenen Wir sind gewohnt, Wo es auch thront, In Sonn' und Mond Hinzubeten; es lohnt. nereiden und tritonen Wie unser Ruhm zum hoechsten prangt, Dieses Fest anzufuehren! sirenen Die Helden des Altertums Ermangeln des Ruhms, Wo und wie er auch prangt, Wenn sie das goldne Vlies erlangt, Ihr die Kabiren. Wenn sie das goldne Vlies erlangt, Wir die Kabiren. + Ihr homunculus Die Ungestalten seh' ich an Als irden-schlechte Toepfe, Nun stossen sich die Weisen dran Und brechen harte Koepfe. thales Das ist es ja, was man begehrt: Der rost macht erst die Muenze wert. proteus So etwas freut mich alten Fabler! Je wunderlicher, desto respektabler. thales Wo bist du, Proteus? + proteus Hier! und hier! thales Den alten Scherz verzeih' ich dir; Doch einem Freund nicht eitle Worte! Ich weiss, du sprichst vom falschen Orte. proteus Leb' wohl! + thales Er ist ganz nah. Nun leuchte frisch! Er ist neugierig wie ein Fisch; Und wo er auch gestaltet stockt, Durch Flammen wird er hergelockt. homunculus Ergiess'ich gleich des Lichtes Menge, Bescheiden doch, dass ich das Glas nicht sprenge. proteus Was leuchtet so anmutig schoen? thales Gut! Wenn du Lust hast, kannst du's naeher sehn. Die kleine Muehe lass dich nicht verdriessen Und zeige dich auf menschlich beiden Fuessen. Mit unsern Gunsten sei's, mit unserm Willen, Wer schauen will, was wir verhuellen. proteus Weltweise Kniffe sind dir noch bewusst. thales Gestalt zu wechseln, bleibt noch deine Lust. proteus Ein leuchtend Zwerglein! Niemals noch gesehn! thales Es fragt um Rat und moechte gern entstehn. Er ist, wie ich von ihm vernommen, Gar wundersam nur halb zur Welt gekommen. Ihm fehlt es nicht an geistigen Eigenschaften, Doch gar zu sehr am greiflich Tuechtighaften. Bis jetzt gibt ihm das Glas allein Gewicht, Doch waer' er gern zunaechst verkoerperlicht. proteus Du bist ein wahrer Jungfernsohn, Eh' du sein solltest, bist du schon! thales Auch scheint es mir von andrer Seite kritisch: Er ist, mich duenkt, hermaphroditisch. proteus Da muss es desto eher gluecken; So wie er anlangt, wird sich's schicken. Doch gilt es hier nicht viel Besinnen: Im weiten Meere musst du anbeginnen! Da faengt man erst im kleinen an Und freut sich, Kleinste zu verschlingen, Man waechst so nach und nach heran Und bildet sich zu hoeherem Vollbringen. homunculus Hier weht gar eine weiche Luft, Es grunelt so, und mir behagt der Duft! proteus Das glaub' ich, allerliebster Junge! Und weiter hin wird's viel behaeglicher, Auf dieser schmalen Strandeszunge Der Dunstkreis noch unsaeglicher; Da vorne sehen wir den Zug, Der eben herschwebt, nah genug. Kommt mit dahin! + thales Ich gehe mit. homunculus Dreifach merkwuerd'ger Geisterschritt! chor Wir haben den Dreizack Neptunen geschmiedet, Womit er die regesten Wellen beguetet. Entfaltet der Donnrer die Wolken, die vollen, Entgegnet Neptunus dem greulichen Rollen; Und wie auch von oben es zackig erblitzt, Wird Woge nach Woge von unten gespritzt; Und was auch dazwischen in aengsten gerungen, Wird, lange geschleudert, vom Tiefsten verschlungen; Weshalb er uns heute den Zepter gereicht - Nun schweben wir festlich, beruhigt und leicht. sirenen Euch, dem Helios Geweihten, Heitern Tags Gebenedeiten, Gruss zur Stunde, die bewegt Lunas Hochverehrung regt! telchinen Allieblichste Goettin am Bogen da droben! Du hoerst mit Entzuecken den Bruder beloben. Der seligen Rhodus verleihst du ein Ohr, Dort steigt ihm ein ewiger Paean hervor. Beginnt er den Tagslauf und ist es getan, Er blickt uns mit feurigem Strahlenblick an. Die Berge, die Staedte, die Ufer, die Welle Gefallen dem Gotte, sind lieblich und helle. Kein Nebel umschwebt uns, und schleicht er sich ein, Ein Strahl und ein Lueftchen, die Insel ist rein! Da schaut sich der Hohe in hundert Gebilden, Als Juengling, als Riesen, den grossen, den milden. Wir ersten, wir waren's, die Goettergewalt Aufstellten in wuerdiger Menschengestalt. proteus Lass du sie singen, lass sie prahlen! Der Sonne heiligen Lebestrahlen Sind tote Werke nur ein Spass. Das bildet, schmelzend, unverdrossen; Und haben sie's in Erz gegossen, Dann denken sie, es waere was. Was ist's zuletzt mit diesen Stolzen? Die Goetterbilder standen gross - Zerstoerte sie ein Erdestoss; Laengst sind sie wieder eingeschmolzen. Das Erdetreiben, wie's auch sei, Ist immer doch nur Plackerei; Dem Leben frommt die Welle besser; Dich traegt ins ewige Gewaesser proteus-delphin Schon ist's getan! Da soll es dir zum schoensten gluecken: Ich nehme dich auf meinen Ruecken, Vermaehle dich dem Ozean. thales Gib nach dem loeblichen Verlangen, Von vorn die Schoepfung anzufangen! Zu raschem Wirken sei bereit! Da regst du dich nach ewigen Normen, Durch tausend, abertausend Formen, Und bis zum Menschen hast du Zeit. proteus Komm geistig mit in feuchte Weite, Da lebst du gleich in Laeng' und Breite, Beliebig regest du dich hier; Nur strebe nicht nach hoeheren Orden: Denn bist du erst ein Mensch geworden, Dann ist es voellig aus mit dir. thales Nachdem es kommt; 's ist auch wohl fein, Ein wackrer Mann zu seiner Zeit zu sein. proteus So einer wohl von deinem Schlag! Das haelt noch eine Weile nach; Denn unter bleichen Geisterscharen Seh' ich dich schon seit vielen hundret Jahern. sirenen Welch ein Ring von Woelkchen ruendet Um den Mond so reichen Kreis? Tauben sind es, liebentzuendet, Fittiche, wie Licht so weiss. Paphos hat sie hergesendet, Ihre bruenstige Vogelschar; Unser Fest, es ist vollendet, Heitre Wonne voll und klar! nereus Nennte wohl ein naechtiger Wanderer Diesen Mondhof Lufterscheinung; Doch wir Geister sind ganz anderer Und der einzig richtigen Meinung: Tauben sind es, die begleiten Meiner Tochter Muschelfahrt, Wunderflugs besondrer Art, Angelernt vor alten Zeiten. thales Auch ich halte das fuers Beste, Was dem wackern Mann gefaellt, Wenn im stillen, warmen Neste Sich ein Heiliges lebend haelt. psyllen und marsen In Cyperns rauhen Hoehlegrueften, Vom Meergott nicht verschuettet, Vom Seismos nicht zerruettet, Umweht von ewigen Lueften, Und, wie in den aeltesten Tagen, In stillbewusstem Behagen Bewahren wir Cypriens Wagen Und fuehren, beim Saeuseln der Naechte, Durch liebliches Wellengeflechte, Unsichtbar dem neuen Geschlechte, Die lieblichste Tochter heran. Wir leise Geschaeftigen scheuen Weder Adler noch gefluegelten Leuen, Weder Kreuz noch Mond, Wie es oben wohnt und thront, Sich wechselnd wegt und regt, Sich vertreibt und totschlaegt, Saaten und Staedte niederlegt. Wir, so fortan, Bringen die lieblichste Herrin heran. sirenen Leicht bewegt, in maessiger Eile, Um den Wagen, Kreis um Kreis, Bald verschlungen Zeil' an Zeile, Schlangenartig reihenweis, Naht euch, ruestige Nereiden, Derbe Fraun, gefaellig wild, Bringet, zaertliche Doriden, Galateen, der Mutter Bild: Ernst, den Goettern gleich zu schauen, Wuerdiger Unsterblichkeit, Doch wie holde Menschenfrauen Lockender Anmutigkeit. doriden Leih uns, Luna, Licht und Schatten, Klarheit diesem Jugendflor! Denn wir zeigen liebe Gatten Unserm Vater bittend vor. Knaben sind's, die wir gerettet Aus der Brandung grimmem Zahn, Sie, auf Schilf und Moos gebettet, Aufgewaermt zum Licht heran, Die es nun mit heissen Kuessen Treulich uns verdanken muessen; Schau die Holden guenstig an! nereus Hoch ist der Doppelgewinn zu schaetzen: Barmherzig sein, und sich zugleich ergetzen. doriden Lobst du, Vater, unser Walten, Goennst uns wohlerworbene Lust, Lass uns fest, unsterblich halten Sie an ewiger Jungendbrust. nereus Moegt euch des schoenen Fanges freuen, Den Juengling bildet euch als Mann; Allein ich koennte nicht verleihen, Was Zeus allein gewaehren kann. Die Welle, die euch wogt und schaukelt, Laesst auch der Liebe nicht Bestand, Und hat die Neigung ausgegaukelt, So setzt gemaechlich sie ans Land. doriden Ihr, holde Knaben, seid uns wert, Doch muessen wir traurig scheiden; Wir haben ewige Treue begehrt, Die Goetter wollen's nicht leiden. die juenglinge Wenn ihr uns nur so ferner labt, Uns wackre Schifferknaben; Wir haben's nie so gut gehabt Und wollen's nicht besser haben. nereus Du bist es, mein Liebchen! + galatee O Vater! das Glueck! Delphine, verweilet! mich fesselt der Blick. nereus Vorueber schon, sie ziehen vorueber In kreisenden Schwunges Bewegung; Was kuemmert sie die innre herzliche Regung! Ach, naehmen sie mich mit hinueber! Doch ein einziger Blick ergetzt, Dass er das ganze Jahr ersetzt, thales Heil! Heil! aufs neue! Wie ich mich bluehend freue, Vom Schoenen, Wahren durchdrungen. . . Alles ist aus dem Wasser entsprungen!! Alles wird durch das Wasser erhalten! Ozean, goenn uns dein ewiges Walten. Wenn du nicht Wolken sendetest, Nicht reiche Baeche spendetest, Hin und her nicht Fluesse wendetest, Die Stroeme nicht vollendetest, Was waeren Gebirge, was Ebnen und Welt? Du bist's der das frischeste Leben erhaelt. echo Du bist's, dem das frischeste Leben entquellt. nereus Sie kehren schwankend fern zurueck, Bringen nicht mehr Blick zu Blick; In gedehnten Kettenkreisen, Sich festgemaess zu erweisen, Windet sich die unzaehlige Schar. Aber Galateas Muschelthron Seh' ich schon und aber schon. Er glaenzt wie ein stern Durch die Menge. Geliebtes leuchtet durchs Gedraenge! Auch noch so fern Schimmert's hell und klar, Immer nah und wahr. homunculus In dieser holden Feuchte Was ich auch hier beleuchte, Ist alles reizend schoen. proteus In dieser Lebensfeuchte Erglaenzt erst deine Leuchte Mit herrlichem Getoen. nereus Welch neues Geheimnis in Mitte der Scharen Will unseren Augen sich offengebaren? Was flammt um die Muschel, um Galatees Fuesse? Bald lodert es maechtig, bald lieblich, bald suesse, Als waer' es von Pulsen der Liebe geruehrt. thales Homunculus ist es, von Proteus verfuehrt. . . Es sind die Symptome des herrischen Sehnens, Mir ahnet das aechzen beaengsteten Droehnens; Er wird sich zerschellen am glaenzenden Thron; Jetzt flammt es, nun blitzt es, ergiesset sich schon. sirenen Welch feuriges Wunder verklaert uns die Wellen, Die gegeneinander sich funkelnd zerschellen? So leuchtet's und schwanket und hellet hinan: Die Koerper, sie gluehen auf naechtlicher Bahn, Und ringsum ist alles vom Feuer umronnen; So herrsche denn Eros, der alles begonnen! Heil dem Meere! Heil den Wogen, Von dem heilgen Feuer umzogen! Heil dem Wasser! Heil dem Feuer! Heil dem seltnen Abenteuer! all-alle Heil den mildgewogenen Lueften! Heil geheimnisreichen Grueften! Hochgefeiert seid allhier, Element' ihr alle vier! 3. Akt Vor dem Palaste des Menelas zu Sparta helena Bewundert viel und viel gescholten, Helena, Vom Strande komm' ich, wo wir erst gelandet sind, Noch immer trunken von des Gewoges regsamem Geschaukel, das vom phrygischen Blachgefild uns her Auf straeubig-hohem Ruecken, durch Poseidons Gunst Und Euros' Kraft, in vaterlaendische Buchten trug. Dort unten freuet nun der Koenig Menelas Der Rueckkehr samt den tapfersten seiner Krieger sich. Du aber heisse mich willkommen, hohes Haus, Das Tyndareos, mein Vater, nah dem Hange sich Von Pallas' Huegel wiederkehrend aufgebaut Und, als ich hier mit Klytaemnestren schwesterlich, Mit Kastor auch und Pollux froehlich spielend wuchs, Vor allen Haeusern Spartas herrlich ausgeschmueckt. Gegruesset seid mir, der ehrnen Pforte Fluegel ihr! Durch euer gastlich ladendes Weit-Eroeffnen einst Geschah's, dass mir, erwaehlt aus vielen, Menelas In Braeutigamsgestalt entgegenleuchtete. Eroeffnet mir sie wieder, dass ich ein Eilgebot Des Koenigs treu erfuelle, wie der Gattin ziemt. Lasst mich hinein! und alles bleibe hinter mir, Was mich umstruermte bis hieher, verhaengnisvoll. Denn seit ich diese Schwelle sorgenlos verliess, Cytherens Tempel besuchend, heiliger Pflicht gemaess, Mich aber dort ein Raeuber griff, der phrygische, Ist viel geschehen, was die Menschen weit und breit So gern erzaehlen, aber der nicht gerne hoert, Von dem die Sage wachsend sich zum Maerchen spann. chor Verschmaehe nicht, o herrliche Frau, Des hoechsten Gutes Ehrenbesitz! Denn das groesste Glueck ist dir einzig beschert, Der Schoenheit Ruhm, der vor allen sich hebt. Dem Helden toent sein Name voran, Drum schreitet er stolz; Doch beugt sogleich hartnaeckigster Mann Vor der allbezwingenden Schoene den Sinn. helena Genug! mit meinem Gatten bin ich hergeschifft Und nun von ihm zu seiner Stadt voraugesandt; Doch welchen Sinn er hegen mag, errat' ich nicht. Komm' ich als Gattin? komm' ich eine Koenigin? Komm' ich ein Opfer fuer des Fuersten bittern Schmerz Und fuer der Griechen lang' erduldetes Missgeschick? Erobert bin ich; ob gefangen, weiss ich nicht! Denn Ruf und Schicksal bestimmten fuewahr die Unsterblichen Zweideutig mir, der Schoengestalt bedenkliche Begleiter, die an dieser Schwelle mir sogar Mit duester drohender Gegenwart zur Seite stehn. Denn schon im hohlen Schiffe blickte mich der Gemahl Nur selten an, auch sprach er kein erquicklich Wort. Als wenn er Unheil saenne, sass er gegen mir. Nun aber, als des Eurotas tiefem Buchtgestad Hinangefahren der vordern Schiffe Schnaebel kaum Das Land begruessten, sprach er, wie vom Gott bewegt: "Hier steigen meine Krieger nach der Ordnung aus, Ich mustere sie, am Strand des Meeres hingereiht; Du aber ziehe weiter, ziehe des heiligen Eurotas fruchtbegabtem Ufer immer auf, Die Rosse lenkend auf der feuchten Wiese Schmuck, Bis dass zur schoenen Ebene du gelangen magst, Wo Lakedaemon, einst ein fruchtbar weites Feld, Von ernsten Bergen nah umgeben, angebaut. Betrete dann das hochgetuermte Fuerstenhaus Und mustere mir die Maegde, die ich dort zurueck Gelassen, samt der klugen alten Schaffnerin. Die zeige dir der Schaetze reiche Sammlung vor, Wie sie dein Vater hinterliess und die ich selbst In Krieg und Frieden, stets vermehrend, aufgehaeuft. Du findest alles nach der Ordnung stehen; denn Das ist des Fuersten Vorrecht, dass er alles treu In seinem Hause, wiederkehrend, finde, noch An seinem Platze jedes, wie er's dort verliess. Denn nichts zu aendern hat fuer sich der Knecht Gewalt." chor Erquicke nun am herrlichen Schatz, Dem stets vermehrten, Augen und Brust! Denn der Kette Zier, der Krone Geschmuck, Da ruhn sie stolz, und sie duenken sich was; Doch tritt nur ein und fordre sie auf, Sie ruesten sich schnell. Mich freuet, zu sehn Schoenheit in dem Kampf Gegen Gold und Perlen und Edelgestein. helena Sodann erfolgte des Herren ferneres Herrscherwort: "Wenn du nun alles nach der Ordnung durchgesehn, Dann nimm so manchen Dreifuss, als du noetig glaubst, Und mancherlei Gefaesse, die der Opfer sich Zur Hand verlangt, vollziehend heiligen Festgebrauch. Die Kessel, auch die Schalen, wie das flache Rund; Das reinste Wasser aus der heiligen Quelle sei In hohen Kruegen; ferner auch das trockne Holz, Der Flammen schnell empfaenglich, halte da bereit; Ein wohlgeschliffnes Messer fehle nicht zuletzt; Doch alles andre geb' ich deiner Sorge hin." So sprach er, mich zum Scheiden draengend; aber nichts Lebendigen Atems zeichnet mir der Ordnende, Das er, die Olympier zu verehren, schlachten will. Bedenklich ist es; doch ich sorge weiter nicht, Und alles bleibe hohen Goettern heimgestellt, Die das vollenden, was in ihrem Sinn sie deucht, Es moege gut von Menschen oder moege boes Geachtet sein; die Sterblichen, wir ertragen das. Schon manchmal hob das schwere Beil der Opfernde Zu des erdgebeugten Tieres Nacken weihend auf Und konnt' es nicht vollbringen, denn ihn hinderte Des nahen Feindes oder Gottes Zwischenkunft. chor Was geschehen werde, sinnst du nicht aus; Koenigin, schreite dahin Guten Muts! Gutes und Boeses kommt Unerwartet dem Menschen; Auch verkuendet, glauben wir's nicht. Brannte doch Troja, sahen wir doch Tod vor Augen, schmaehlichen Tod; Und sind wir nicht hier Dir gesellt, dienstbar freudig, Schauen des Himmels blendende Sonne Und das Schoenste der Erde Huldvoll, dich, uns Gluecklichen? helena Sei's wie es sei! Was auch bevorsteht, mir geziemt, Hinaufzusteigen ungesaeumt in das Koenigshaus, Das, lang' entbehrt und viel ersehnt und fast verscherzt, Mir abermals vor Augen steht, ich weiss nicht wie. Die Fuesse tragen mich so mutig nicht empor Die hohen Stufen, die ich kindisch uebersprang. chor Werfet, o Schwestern, ihr Traurig gefangenen, Alle Schmerzen ins Weite; Teilet der Herrin Glueck, Teilet Helenens Glueck, Welche zu Vaterhauses Herd, Zwar mit spaet zurueckkehrendem, Aber mit desto festerem Fusse freudig herannaht. Preiset die heiligen, Gluecklich herstellenden Und heimfuehrenden Goetter! Schwebt der Entbundene Doch wie auf Fittichen ueber das Rauhste, wenn umsonst Der Gefangene sehnsuchtsvoll ueber die Zinne des Kerkers hin Armausbreitend sich abhaermt. Aber sie ergriff ein Gott, Die Entfernte; Und aus Ilios' Schutt Trug er hierher sie zurueck In das alte, das neugeschmueckte Vaterhaus, Nach unsaeglichen Freuden und Qualen, Frueher Jugendzeit Angefrischt zu gedenken. panthalis Verlasset nun des Gesanges freudumgebnen Pfad Und wendet nach der Tuere Fluegeln euren Blick! Was seh' ich, Schwestern? Kehret nicht die Koenigin Mit heftigen Schrittes Regung wieder zu uns her? Was ist es, grosse Koenigin, was konnte dir In deines Hauses Hallen, statt der Deinen Gruss, Erschuetterndes begegnen? Du verbirgst es nicht; Denn Widerwillen seh' ich an der Stirne dir, Ein edles Zuernen, das mit ueberraschung kaempft. [Bp>helena Der Tochter Zeus' geziemet nicht gemeine Furcht, Und fluechtig-leise Schreckenshand beruehrt sie nicht; Doch das Entsetzen, das, dem Schoss der alten Nacht Von Urbeginn entsteigend, vielgestaltet noch Wie gluehende Wolken aus des Berges Feuerschlund Herauf sich waelzt, erschuettert auch des Helden Brust. So haben heute grauenvoll die Stygischen Ins Haus den Eintritt mir bezeichnet, dass ich gern Von oft betretner, langersehnter Schwelle mich, Entlassnem Gaste gleich, entfernend scheiden mag. Doch nein! gewichen bin ich her ans Licht, und sollt Ihr weiter nicht mich treiben, Maechte, wer ihr seid. Auf Weihe will ich sinnen, dann gereinigt mag Des Herdes Glut die Frau begruessen wie den Herrn. chorfuehrerin Entdecke deinen Dienerinnen, edle Frau, Die dir verehrend beistehn, was begegnet ist. helena Was ich gesehen, sollt ihr selbst mit Augen sehn, Wenn ihr Gebilde nicht die alte Nacht sogleich Zurueckgeschlungen in ihrer Tiefe Wunderschoss. Doch dass ihr's wisset, sag' ich's euch mit Worten an: Als ich des Koenigshauses ernsten Binnenraum, Der naechsten Pflicht gedenkend, feierlich betrat, Erstaunt' ich ob der oeden Gaenge Schweigsamkeit, Nicht Schall der emsig Wandelnden begegnete Dem Ohr, nicht raschgeschaeftiges Eiligtun dem Blick, Und keine Magd erschien mir, keine Schaffnerin, Die jeden Fremden freundlich sonst begruessenden. Als aber ich dem Schosse des Herdes mich genaht, Da sah ich, bei verglommner Asche lauem Rest, Am Boden sitzen welch verhuelltes grosses Weib, Der Schlafenden nicht vergleichbar, wohl der Sinnenden. Mit Herrscherworten ruf' ich sie zur Arbeit auf, Die Schaffnerin mir vermutend, die indes vielleicht Des Gatten Vorsicht hinterlassend angestellt; Doch eingefaltet sitzt die Unbewegliche; Nur endlich ruehrt sie auf mein Draeun den rechten Arm, Als wiese sie von Herd und Halle mich hinweg. Ich wende zuernend mich ab von ihr und eile gleich Den Stufen zu, worauf empor der Thalamos Geschmueckt sich hebt und nah daran das Schatzgemach; Allein das Wunder reisst sich schnell vom Boden auf, Gebietrisch mir den Weg vertretend, zeigt es sich In hagrer Groesse, hohlen, blutig-trueben Blicks, Seltsamer Bildung, wie sie Aug' und Geist verwirrt. Doch red' ich in die Luefte; denn das Wort bemueht Sich nur umsonst, Gestalten schoepferisch aufzubaun. Da seht sie selbst! sie wagt sogar sich ans Licht hervor! Hier sind wir Meister, bis der Herr und Koenig kommt. Die grausen Nachtgeburten draengt der Schoenheitsfreund Phoebus hinweg in Hoehlen, oder baendigt sie. chor Vieles erlebt' ich, obgleich die Locke Jugendlich wallet mir um die Schlaefe! Schreckliches hab' ich vieles gesehen, Kriegrischen Jammer, Ilios' Nacht, Als es fiel. Durch das umwoelkte, staubende Tosen Draengender Krieger hoert' ich die Goetter Fuerchterlich rufen, hoert' ich der Zwietracht Eherne Stimme schallen durchs Feld, Mauerwaerts. Ach! sie standen noch, Ilios' Mauern, aber die Flammenglut Zog vom Nachbar zum Nachbar schon, Sich verbreitend von hier und dort Mit des eignen Sturmes Wehn ueber die naechtliche Stadt hin. Fluechtend sah ich durch Rauch und Glut Und der zuengelnden Flamme Loh'n Graesslich zuernender Goetter Nahn, Schreitend Wundergestalten Riesengross, durch duesteren Feuerumleuchteten Qualm hin. Sah ich's, oder bildete Mir der angstumschlungene Geist Solches Verworrene? sagen kann Nimmer ich's, doch dass ich dies Graessliche hier mit Augen schau', Solches gewiss ja weiss ich; Koennt' es mit Haenden fassen gar, Hielte von dem Gefaehrlichen Nicht zuruecke die Furcht mich. Welche von Phorkys' Toechtern nur bist du? Denn ich vergleiche dich Diesem Geschlechte. Bist du vielleicht der graugebornen, Eines Auges und eines Zahns Wechselsweis teilhaftigen Graien eine gekommen? Wagest du Scheusal Neben der Schoenheit Dich vor dem Kennerblick Phoebus' zu zeigen? Tritt du dennoch hervor nur immer; Denn das Haessliche schaut er nicht, Wie sein heilig Auge noch Nie erblickte den Schatten. Doch uns Sterbliche noetigt, ach, Leider trauriges Missgeschick Zu dem unsaeglichen Augenschmerz, Den das Verwerfliche, Ewig-Unselige Schoenheitliebenden rege macht. Ja, so hoere denn, wenn du frech Uns entgegenest, hoere Fluch, Hoere jeglicher Schelte Drohn Aus dem verwuenschenden Munde der Gluecklichen, Die von Goettern gebildet sind. phorkyas Alt ist das Wort, doch bleibet hoch und wahr der Sinn, Dass Scham und Schoenheit nie zusammen, Hand in Hand, Den Weg verfolgen ueber der Erde gruenen Pfad. Tief eingewurzelt wohnt in beiden alter Hass, Dass, wo sie immer irgend auch des Weges sich Begegnen, jede der Gernerin den Ruecken kehrt. Dann eilet jede wieder heftiger, weiter fort, Die Scham betruebt, die Schoenheit aber frech gesinnt, Bis sie zuletzt des Orkus hohle Nacht umfaengt, Wenn nicht das Alter sie vorher gebaendigt hat. Euch find' ich nun, ihr Frechen, aus der Fremde her Mit uebermut ergossen, gleich der Kraniche Laut-heiser klingendem Zug, der ueber unser Haupt, In langer Wolke, kraechzend sein Getoen herab Schickt, das den stillen Wandrer ueber sich hinauf Zu blicken lockt; doch ziehn sie ihren Weg dahin, Er geht den seinen; also wird's mit uns geschehn. Wer seid denn ihr, dass ihr des Koeniges Hochpalast Maenadisch wild, Betrunknen gleich, umtoben duerft? Wer seid ihr denn, dass ihr des Hauses Schaffnerin Entgegenheulet, wie dem Mond der Hunde Schar? Waehnt ihr, verborgen sei mir, welch Geschlecht ihr seid, Du kriegerzeugte, schlachterzogne junge Brut? Mannlustige du, so wie verfuehrt verfuehrende, Entnervend beide, Kriegers auch und Buergers Kraft! Zu Hauf euch sehend, scheint mir ein Zikadenschwarm Herabzustuerzen, deckend gruene Feldersaat. Verzehrerinnen fremden Fleisses! Naschende Vernichterinnen aufgekeimten Wohlstands ihr! Erobert', marktverkauft', vertauschte Ware du! helena Wer gegenwarts der Frau die Dienerinnen schilt, Der Gebietrin Hausrecht tastet er vermessen an; Denn ihr gebuehrt allein, das Lobenswuerdige Zu ruehmen, wie zu strafen, was verwerflich ist. Auch bin des Dienstes ich wohl zufrieden, den sie mir Geleistet, als die hohe Kraft von Ilios Umlagert stand und fiel und lag; nicht weniger, Als wir der Irrfahrt kummervolle Wechselnot Ertrugen, wo sonst jeder sich der Naechste bleibt. Auch hier erwart' ich Gleiches von der muntern Schar; Nicht, was der Knecht sei, fragt der Herr, nur, wie er dient. Drum schweige du und grinse sie nicht laenger an. Hast du das Haus des Koenigs wohl verwahrt bisher Anstatt der Hausfrau, solches dient zum Ruhme dir; Doch jetzo kommt sie selber, tritt nun du zurueck, Damit nicht Strafe werde statt verdienten Lohns. phorkyas Den Hausgenossen drohen bleibt ein grosses Recht, Das gottbeglueckten Herrschers hohe Gattin sich Durch langer Jahre weise Leitung wohl verdient. Da du, nun Anerkannte, neu den alten Platz Der Koenigin und Hausfrau wiederum betrittst, So fasse laengst erschlaffte Zuegel, herrsche nun, Nimm in Besitz den Schatz und saemtlich uns dazu. Vor allem aber schuetze mich, die aeltere, Vor dieser Schar, die neben deiner Schoenheit Schwan Nur schlecht befitticht', schnatterhafte Gaense sind. chorfuehrerin Wie haesslich neben Schoenheit zeigt sich Haesslichkeit. phorkyas Wie unverstaendig neben Klugheit Unverstand. choretide 1 Von Vater Erebus melde, melde von Mutter Nacht. phorkyas So sprich von Scylla, leiblich dir Geschwisterkind. choretide 2 An deinem Stammbaum steigt manch Ungeheur empor. phorkyas Zum Orkus hin! da suche deine Sippschaft auf. choretide 3 Die dorten wohnen, sind dir alle viel zu jung. phorkyas Tiresias, den Alten, gehe buhlend an. choretide 4 Orions Amme war dir Ur-Urenkelin. phorkyas Harpyen, waehn' ich, fuetterten dich im Unflat auf. choretide 5 Mit was ernaehrst du so gepflegte Magerkeit? phorkyas Mit Blute nicht, wonach du allzuluestern bist. choretide 6 Begierig du auf Leichen, ekle Leiche selbst! phorkyas Vampyren-Zaehne glaenzen dir im frechen Maul. chorfuehrerin Das deine stopf' ich, wenn ich sage, wer du seist. phorkyas So nenne dich zuerst; das Raetsel hebt sich auf. helena Nicht zuernend, aber traurend schreit' ich zwischen euch, Verbietend solchen Wechselstreites Ungestuem! Denn Schaedlicheres begegnet nichts dem Herrscherherrn Als treuer Diener heimlich unterschworner Zwist. Das Echo seiner Befehle kehrt alsdann nicht mehr In schnell vollbrachter Tat wohlstimmig ihm zurueck, Nein, eigenwillig brausend tost es um ihn her, Den selbstverirrten, ins Vergebne scheltenden. Dies nicht allein. Ihr habt in sittelosem Zorn Unsel'ger Bilder Schreckgestalten hergebannt, Die mich umdraengen, dass ich selbst zum Orkus mich Gerissen fuehle, vaterlaend'scher Flur zum Trutz. Ist's wohl Gedaechtnis? war es Wahn, der mich ergreift? War ich das alles? Bin ich's? Werd' ich's kuenftig sein, Das Traum- und Schreckbild jener Staedteverwuestenden? Die Maedchen schaudern, aber du, die aelteste, Du stehst gelassen; rede mir verstaendig Wort. phorkyas Wer langer Jahre mannigfaltigen Gluecks gedenkt, Ihm scheint zuletzt die hoechste Goettergunst ein Traum. Du aber, hochbeguenstigt sonder Mass und Ziel, In Lebensreihe sahst nur Liebesbruenstige, Entzuendet rasch zum kuehnsten Wagstueck jeder Art. Schon Theseus haschte frueh dich, gierig aufgeregt, Wie Herakles stark, ein herrlich schoen geformter Mann. helena Entfuehrte mich, ein zehenjaehrig schlankes Reh, Und mich umschloss Aphidnus' Burg in Attika. phorkyas Durch Kastor und durch Pollux aber bald befreit, Umworben standst du ausgesuchter Heldenschar. helena Doch stille Gunst vor allen, wie ich gern gesteh', Gewann Patroklus, er, des Peliden Ebenbild. phorkyas Doch Vaterwille traute dich an Menelas, Den kuehnen Seedurchstreicher, Hausbewahrer auch. helena Die Tochter gab er, gab des Reichs Bestellung ihm. Aus ehlichem Beisein sprosste dann Hermione. phorkyas Doch als er fern sich Kretas Erbe kuehn erstritt, Dir Einsamen da erschien ein allzuschoener Gast. helena Warum gedenkst du jener halben Witwenschaft, Und welch Verderben graesslich mir daraus erwuchs? phorkyas Auch jene Fahrt, mir freigebornen Kreterin Gefangenschaft erschuf sie, lange Sklaverei. helena Als Schaffnerin bestellt' er dich sogleich hieher, Vertrauend vieles, Burg und kuehn erworbnen Schatz. phorkyas Die du verliessest, Ilios' umtuermter Stadt Und unerschoepften Liebesfreuden zugewandt. helena Gedenke nicht der Freuden! allzuherben Leids Unendlichkeit ergoss sich ueber Brust und Haupt. phorkyas Doch sagt man, du erschienst ein doppelhaft Gebild, In Ilios gesehen und in aegypten auch. helena Verwirre wuesten Sinnes Aberwitz nicht gar. Selbst jetzo, welche denn ich sei, ich weiss es nicht. phorkyas Dann sagen sie: aus hohlem Schattenreich herauf Gesellte sich inbruenstig noch Achill zu dir! Dich frueher liebend gegen allen Geschicks Beschluss. helena Ich als Idol, ihm dem Idol verband ich mich. Es war ein Traum, so sagen ja die Worte selbst. Ich schwinde hin und werde selbst mir ein Idol. chor Schweige, schweige! Missblickende, Missredende du! Aus so graesslichen einzahnigen Lippen, was enthaucht wohl Solchem furchtbaren Greuelschlund! Denn der Boesartige, wohltaetig erscheinend, Wolfesgrimm unter schafwolligem Vlies, Mir ist er weit schrecklicher als des drei-+ koepfigen/ Hundes Rachen. aengstlich lauschend stehn wir da: Wann? wie? wo nur bricht's hervor, Solcher Tuecke Tiefauflauerndes Ungetuem? Nun denn, statt freundlich mit Trost reich begabten, Letheschenkenden, holdmildesten Worts Regest du auf aller Vergangenheit Boesestes mehr denn Gutes Und verduesterst allzugleich Mit dem Glanz der Gegenwart Auch der Zukunft Mild aufschimmerndes Hoffnungslicht. Schweige, schweige! Dass der Koenigin Seele, Schon zu entfliehen bereit, Sich noch halte, festhalte Die Gestalt aller Gestalten, Welche die Sonne jemals beschien. phorkyas Tritt hervor aus fluechtigen Wolken, hohe Sonne dieses Tags, Die verschleiert schon entzueckte, blendend nun im Glanze herrscht. Wie die Welt sich dir entfaltet, schaust du selbst mit holdem Blick. Schelten sie mich auch fuer haesslich, kenn' ich doch das Schoene wohl. helena Tret' ich schwankend aus der oede, die im Schwindel mich umgab, Pflegt' ich gern der Ruhe wieder, denn so mued' ist mein Gebein: Doch es ziemet Koeniginnen, allen Menschen ziemt es wohl, Sich zu fassen, zu ermannen, was auch drohend ueberrascht. phorkyas Stehst du nun in deiner Grossheit, deiner Schoene vor uns da, Sagt dein Blick, dass du befiehlest; was befiehlst du? sprich es aus. helena Eures Haders frech Versaeumnis auszugleichen, seid bereit; Eilt, ein Opfer zu bestellen, wie der Koenig mir gebot. phorkyas Alles ist bereit im Hause, Schale, Dreifuss, scharfes Beil, Zum Besprengen, zum Beraeuchern; das zu Opfernde zeig' an! helena Nicht bezeichnet' es der Koenig. + phorkyas Sprach's nicht aus? O Jammerwort! helena Welch ein Jammer ueberfaellt dich? + phorkyas Koenigin, du bist gemeint! helena Ich? + phorkyas Und diese. + chor Weh und Jammer! + phorkyas Fallen wirst du durch das Beil. helena Graesslich doch geahnt; ich Arme! + phorkyas Unvermeidlich scheint es mir. chor Ach! Und uns? + was wird begegnen? phorkyas Sie stirbt einen edlen Tod; Doch am hohen Balken drinnen, der des Daches Giebel traegt, Wie im Vogelfang die Drosseln, zappelt ihr der Reihe nach. phorkyas Gespenster! - Gleich erstarrten Bildern steht ihr da, Geschreckt, vom Tag zu scheiden, der euch nicht gehoert. Die Menschen, die Gespenster saemtlich gleich wie ihr, Entsagen auch nicht willig hehrem Sonnenschein; Doch bittet oder rettet niemand sie vom Schluss; Sie wissen's alle, wenigen doch gefaellt es nur. Genug, ihr seid verloren! Also frisch ans Werk. Herbei, du duestres, kugelrundes Ungetuem! Waelzt euch hieher, zu schaden gibt es hier nach Lust. Dem Tragaltar, dem goldgehoernten, gebet Platz, Das Beil, es liege blinkend ueber dem Silberrand, Die Wasserkruege fuellet, abzuwaschen gibt's Des schwarzen Blutes greuelvolle Besudelung. Den Teppich breitet koestlich hier am Staube hin, Damit das Opfer niederkniee koeniglich Und eingewickelt, zwar getrennten Haupts sogleich, Anstaendig wuerdig aber doch bestattet sei. chorfuehrerin Die Koenigin stehet sinnend an der Seite hier, Die Maedchen welken gleich gemaehtem Wiesengras; Mir aber deucht, der aeltesten, heiliger Pflicht gemaess, Mit dir das Wort zu wechseln, Ur-Uraelteste. Du bist erfahren, weise, scheinst uns gut gesinnt, Obschon verkennend hirnlos diese Schar dich traf. Drum sage, was du moeglich noch von Rettung weisst. phorhyas Ist leicht gesagt: von der Koenigin haengt allein es ab, Sich selbst zu erhalten, euch Zugaben auch mit ihr. Entschlossenheit ist noetig und die behendeste. chor Ehrenwuerdigste der Parzen, weiseste Sibylle du, Halte gesperrt die goldene Schere, dann verkuend' uns Tag und Heil; Denn wir fuehlen schon im Schweben, Schwanken, Bammeln unergetzlich Unsere Gliederchen, die lieber erst im Tanze sich ergetzten, Ruhten drauf an Liebchens Brust. helena Lass diese bangen! Schmerz empfind' ich, keine Furcht; Doch kennst du Rettung, dankbar sei sie anerkannt. Dem Klungen, Weitumsichtigen zeigt fuerwahr sich oft Unmoegliches noch als moeglich. Sprich und sag' es an. chor Sprich und sage, sag uns eilig: wie entrinnen wir den grausen, Garstigen Schlingen, die bedrohlich, als die schlechtesten Geschmeide, Sich um unsre Haelse ziehen? Vorempfinden wir's, die Armen, Zum Entatmen, zum Ersticken, wenn du, Rhea, aller Goetter Hohe Mutter, dich nicht erbarmst. phorkyas Habt ihr Geduld, des Vortrags langgedehnten Zug Still anzuhoeren? Mancherlei Geschichten sind's. chor Geduld genug! Zuhoerend leben wir indes. phorkyas Dem, der zu Hause verharrend edlen Schatz bewahrt Und hoher Wohnung Mauern auszukitten weiss, Wie auch das Dach zu sichern vor des Regens Drang, Dem wird es wohlgehn lange Lebenstage durch; Wer aber seiner Schwelle heilige Richte leicht Mit fluechtigen Sohlen ueberschreitet freventlich, Der findet wiederkehrend wohl den alten Platz, Doch umgeaendert alles, wo nicht gar zerstoert. helena Wozu dergleichen wohlbekannte Sprueche hier? Du willst erzaehlen; rege nicht an Verdriessliches. phorkyas Geschichtlich ist es, ist ein Vorwurf keineswegs. Raubschiffend ruderte Menelas von Bucht zu Bucht, Gestad' und Inseln, alles streift' er feindlich an, Mit Beute wiederkehrend, wie sie drinnen starrt. Vor Ilios verbracht' er langer Jahre zehn; Zur Heimfahrt aber weiss ich nicht wie viel es war. Allein wie steht es hier am Platz um Tyndareos' Erhabnes Haus? wie stehet es mit dem Reich umher? helena Ist dir denn so das Schelten gaenzlich einverleibt, Dass ohne Tadeln du keine Lippe regen kannst? phorkyas So viele Jahre stand verlassen das Talgebrig, Das hinter Sparta nordwaerts in die Hoehe steigt, Taygetos im Ruecken, wo als muntrer Bach Herab Eurotas rollt und dann, durch unser Tal An Rohren breit hinfliessend, eure sChwaene naehrt. Dort hinten still im Gebirgtal hat ein kuehn Geschlecht Sich angesiedelt, dringend aus cimmerischer Nacht, Und unersteiglich feste Burg sich aufgetuermt, Von da sie Land und Leute placken, wie's behagt. helena Das konnten sie vollfuehren? Ganz unmoeglich scheint's. phorkyas Sie hatten Zeit, vielleicht an zwanzig Jahre sind's. helena Ist einer Herr? sind's Raeuber viel, verbuendete? phorkyas Nicht Raeuber sind es, einer aber ist der Herr. Ich schelt' ihn nicht, und wenn er schon mich heimgesucht. Wohl konnt' er alles nehmen, doch begnuegt' er sich Mit wenigen Freigeschenken, nannt' er's, nicht Tribut. helena Wie sieht er aus? + phorkyas Nicht uebel! mir gefaellt er schon. Es ist ein munterer, kecker, wohlgebildeter, Wie unter Griechen wenig', ein verstaend'ger Mann. Man schilt das Volk Barbaren, doch ich daechte nicht, Dass grausam einer waere, wie vor Ilios Gar mancher Held sich menschenfresserisch erwies. Ich acht' auf seine Grossheit, ihm vertraut' ich mich. Und seine Burg! die solltet ihr mit Augen sehn! Das ist was anderes gegen plumpes Mauerwerk, Das eure Vaeter, mir nichts dir nichts, aufgewaelzt, Zyklopisch wie Zyklopen, rohen Stein sogleich Auf rohe Steine stuerzend; dort hingegen, dort Ist alles senk- und waagerecht und regelhaft. Von aussen schaut sie! himmelan sie strebt empor, So starr, so wohl in Fugen, spiegelglatt wie Stahl. Zu klettern hier - ja selbst der Gedanke gleitet ab. Und innen grosser Hoefe Raumgelasse, rings Mit Baulichkeit umgeben, aller Art und Zweck. Da seht ihr Saeulen, Saeulchen, Bogen, Boegelchen, Altane, Galerien, zu schauen aus und ein, Und Wappen. + chor Was sind Wappen? + phorkyas Ajax fuehrte ja Geschlungene Schlang' im Schilde, wie ihr selbst gesehn. Die Sieben dort vor Theben trugen Bildnerein Ein jeder auf seinem Schilde, reich bedeutungsvoll. Da sah man Mond und Stern' am naechtigen Himmelsraum, Auch Goettin, Held und Leiter, Schwerter, Fackeln auch, Und was Bedraengliches guten Staedten grimmig droht. Ein solch Gebilde fuehrt auch unsre Heldenschar Von seinen Ur-Urahnen her in Farbenglanz. Da seht ihr Loewen, Adler, Klau' und Schnabel auch, Dann Bueffelhoerner, Fluegel, Rosen, Pfauenschweif, Auch Streifen, gold und schwarz und silbern, blau und rot. Dergleichen haengt in Saelen Reih' an Reihe fort. In Saelen, grenzenlosen, wie die Welt so weit; Da koennt ihr tanzen! + chor Sage, gibt's auch Taenzer da? phorkyas Die besten! goldgelockte, frische Bubenschar. Die duften Jugend! Paris duftete einzig so, Als er der Koenigin zu nahe kam. + helena Du faellst Ganz aus der Rolle; sage mir das letzte Wort! phorkyas Du sprichst das letzte, sagst mit Ernst vernehmlich Ja! Sogleich umgeb' ich dich mit jener Burg. + chor O sprich Das kurze Wort und rette dich und uns zugleich! helena Wie? sollt' ich fuerchten, dass der Koenig Menelas So grausam sich verginge, mich zu schaedigen? phorkyas Hast du vergessen, wie er deinen Deiphobus, Des totgekaempften = paris Bruder, unerhoert Verstuemmelte, der starrsinnig Witwe dich erstritt Und gluecklich kebste? Nas' und Ohren schnitt er ab Und stuemmelte mehr so: Greuel war es anzuschaun. helena Das tat er jenem, meinetwegen tat er das. phorkyas Um jenes willen wird er dir das gleiche tun. Unteilbar ist die Schoenheit; der sie ganz besass, Zerstoert sie lieber, fluchend jedem Teilbesitz. Wie scharf der Trompete Schmettern Ohr und Eingeweid' Zerreissend anfasst, also krallt sich Eifersucht Im Busen fest des Mannes, der das nie vergisst, Was einst er besass und nun verlor, nicht mehr besitzt. chor Hoerst du nicht die Hoerner schallen? siehst der Waffen Blitze nicht? phorkyas Sei willkommen, Herr und Koenig, gerne geb' ich Rechenschaft. chor Aber wir? + phorkyas Ihr wisst es deutlich, seht vor Augen ihren Tod, Merkt den eurigen da drinne: nein, zu helfen ist euch nicht. helena Ich sann mir aus das Naechste, was ich wagen darf. Ein Widerdaemon bist du, das empfind' ich wohl Und fuerchte, Gutes wendest du zum Boesen um. Vor allem aber folgen will ich dir zur Burg; Das andre weiss ich; was die Koenigin dabei Im tiefen Busen geheimnisvoll verbergen mag, Sei jedem unzugaenglich. Alte, geh voran! chor O wie gern gehen wir hin, Eilenden Fusses; Hinter uns Tod, Vor uns abermals Ragender Feste Unzugaengliche Mauer. Schuetze sie ebenso gut, Eben wie Ilios' Burg, Die doch endlich nur Niedertraechtiger List erlag. Wie? aber wie? Schwestern, schaut euch um! Was es nicht heiterer Tag? Nebel schwanken streifig empor Aus Eurotas' heil'ger Flut; Schon entschwand das liebliche Schilfumkraenzte Gestade dem Blick; Auch die frei, zierlich-stolz Sanfthingleitenden Schwaene In gesell'ger Schwimmlust Seh' ich, ach, nicht mehr! Doch, aber doch Toenen hoer' ich sie, Toenen fern heiseren Ton! Tod verkuendenden, sagen sie. Ach dass uns er nur nicht auch, Statt verheissener Rettung Heil, Untergang verkuende zuletzt; Uns, den Schwangleichen, Lang-+ Schoen-Weisshalsigen,/ und ach! Unsrer Schwanerzeugten. Weh uns, weh, weh! Alles deckte sich schon Rings mit Nebel umher. Sehen wir doch einander nicht! Was geschieht? gehen wir? Schweben wir nur Trippelnden Schrittes am Boden hin? Siehst du nichts? Schwebt nicht etwa gar Hermes voran? Blinkt nicht der goldne Stab Heischend, gebietend uns wieder zurueck Zu dem unerfreulichen, grautagenden, Ungreifbarer Gebilde vollen, ueberfuellten, ewig leeren Hades? Ja auf einmal wird es duester, ohne Glanz entschwebt der Nebel Dunkelgraeulich, mauerbraeunlich. Mauern stellen sich dem Blicke, Freiem Blicke starr entgegen. Ist's ein Hof? ist's tiefe Grube? Schauerlich in jedem Falle! Schwestern, ach! wir sind gefangen, So gefangen wie nur je. Innerer Burghof chorfuehrerin Vorschnell und toericht, echt wahrhaftes Weibsgebild! Vom Augenblick abhaengig, Spiel der Witterung, Des Gluecks und Ungluecks! Keins von beiden wisst ihr je Zu bestehn mit Gleichmut. Eine widerspricht ja stets Der andern heftig, ueberquer die andern ihr; In Freud' und Schmerz nur heult und lacht ihr gleichen Tons. Nun schweigt! und wartet horchend, was die Herrscherin Hochsinnig hier beschliessen mag fuer sich und uns. helena Wo bist du, Pythonissa? heisse, wie du magst; Aus diesen Gewoelben tritt hervor der duestern Burg. Gingst etwa du, dem wunderbaren Heldenherrn Mich anzukuendigen, Wohlempfang bereitend mir, So habe Dank und fuehre schnell mich ein zu ihm; Beschluss der Irrfahrt wuensch' ich. Ruhe wuensch' ich nur. chorfuehrerin Vergebens blickst du, Koenigin, allseits um dich her; Verschwunden ist das leidige Bild, verblieb vielleicht Im Nebel dort, aus dessen Busen wir hieher, Ich weiss nicht wie, gekommen, schnell und sonder Schritt. Vielleicht auch irrt sie zweifelhaft im Labyrinth Der wundersam aus vielen einsgewordnen Burg, Den Herrn erfragend fuerstlicher Hochbegruessung halb. Doch sieh, dort oben regt in Menge sich allbereits, In Galerien, am Fenster, in Portalen rasch Sich hin und her bewegend, viele Dienerschaft; Vornehm-willkommnen Gastempfang verkuendet es. chor Aufgeht mir das Herz! o, seht nur dahin, Wie so sittig herab mit verweilendem Tritt Jungholdeste Schar anstaendig bewegt Den geregelten Zug. Wie! auf wessen Befehl Nur erscheinen, gereiht und gebildet so frueh, Von Juenglingsknaben das herrliche Volk? Was bewundr' ich zumeist? Ist es zierlicher Gang, Etwa des Haupts Lockhaar um die blendende Stirn, Etwa der Waenglein Paar, wie die Pfirsiche rot Und eben auch so weichwollig beflaumt? Gern biss' ich hinein, doch ich schaudre davor; Denn in aehnlichem Fall, da erfuellte der Mund Sich, graesslich zu sagen! mit Asche. Aber die schoensten, Sie kommen daher; Was tragen sie nur? Stufen zum Thron, Teppich und Sitz, Umhang und zelt-+ Artigen/ Schmuck; ueber ueberwallt er, Wolkenkraenze bildend, Unsrer Koenigin Haupt; Denn schon bestieg sie Eingeladen herrlichen Pfuehl. Tretet heran, Stufe fuer Stufe Reihet euch ernst. Wuerdig, o wuerdig, dreifach wuerdig Sei gesegnet ein solcher Empfang! chorfuehrerin Wenn diesem nicht die Goetter, wie sie oefter tun, Fuer wenige Zeit nur wundernswuerdige Gestalt, Erhabnen Anstand, liebenswerte Gegenwart Voruebergaenglich liehen, wird ihm jedesmal, Was er beginnt, gelingen, sei's in Maennerschlacht, So auch im kleinen Kriege mit den schoensten Fraun. Er ist fuerwahr gar vielen andern vorzuziehn, Die ich doch auch als hochgeschaetzt mit Augen sah. Mit langsam-ernstem, ehrfurchtsvoll gehaltnem Schritt Seh' ich den Fuersten; wende dich, o Koenigin! faust Statt feierlichsten Grusses, wie sich ziemte, Statt ehrfurchtsvollem Willkomm bring' ich dir In Ketten hart geschlossen solchen Knecht, Der, Pflicht verfehlend, mir die Pflicht entwand. Hier kniee nieder, dieser hoechsten Frau Bekenntnis abzulegen deiner Schuld. Dies ist, erhabne Herrscherin, der Mann, Mit seltnem Augenblitz vom hohen Turm Umherzuschaun bestellt, dort Himmelsraum Und Erdenbreite scharf zu ueberspaehn, Was etwa da und dort sich melden mag, Vom Huegelkreis ins Tal zur festen Burg Sich regen mag, der Herden Woge sei's, Ein Heereszug vielleicht; wir schuetzen jene, Begegnen diesem. Heute, welch Versaeumnis! Du kommst heran, er meldet's nicht; verfehlt Ist ehrenvoller, schuldigster Empfang So hohen Gastes. Freventlich verwirkt Das Leben hat er, laege schon im Blut Verdienten Todes; doch nur du allein Bestrafst, begnadigst, wie dir's wohlgefaellt. helena So hohe Wuerde, wie du sie vergoennst, Als Richterin, als Herrscherin, und waer's Versuchend nur, wie ich vermuten darf - So ueb' nun des Richters erste Pflicht, Beschuldigte zu hoeren. Rede denn. turmwaerter lynkeus Lass mich knieen, lass mich schauen, Lass mich sterben, lass mich leben, Denn schon bin ich hingegeben Dieser gottgegebnen Frauen. Harrend auf des Morgens Wonne, oestlich spaehend ihren Lauf, Ging auf einmal mir die Sonne Wunderbar im Sueden auf. Zog den Blick nach jener Seite, Statt der Schluchten, statt der Hoehn, Statt der Erd- und Himmelsweite Sie, die Einzige, zu spaehn. Augenstrahl ist mir verliehen Wie dem Luchs auf hoechstem Baum; Doch nun musst' ich mich bemuehen Wie aus tiefem, duesterm Traum. Wuesst' ich irgend mich zu finden? Zinne? Turm? geschlossnes Tor? Nebel schwanken, Nebel schwinden, Solche Goettin tritt hervor! Aug' und Brust ihr zugewendet, Sog ich an den milden Glanz; Diese Schoenheit, wie sie blendet, Blendete mich Armen ganz. Ich vergass des Waechters Pflichten, Voellig das beschworne Horn; Drohe nur, mich zu vernichten - Schoenheit baendigt allen Zorn. helena Das uebel, das ich brachte, darf ich nicht Bestrafen. Wehe mir! Welch streng Geschick Verfolgt mich, ueberall der Maenner Busen So zu betoeren, dass sie weder sich Noch sonst ein Wuerdiges verschonten. Raubend jetzt, Verfuehrend, fechtend, hin und her entrueckend, Halbgoetter, Helden, Goetter, ja Daemonen, Sie fuehrten mich im Irren her und hin. Einfach die Welt verwirrt' ich, dopplet mehr; Nun dreifach, vierfach bring' ich Not auf Not. Entferne diesen Guten, lass ihn frei; Den Gottbetoerten treffe keine Schmach. faust Erstaunt, o Koenigin, seh' ich zugleich Die sicher Treffende, hier den Getroffnen; Ich seh' den Bogen, der den Pfeil entsandt, Verwundet jenen. Pfeile folgen Pfeilen, Mich treffend. Allwaerts ahn' ich ueberquer Gefiedert schwirrend sie in Burg und Raum. Was bin ich nun? Auf einmal machst du mir Rebellisch die Getreusten, meine Mauern Unsicher. Also fuercht' ich schon, mein Heer Gehorcht der siegend unbesiegten Frau. Was bleibt mir uebrig, als mich selbst und alles, Im Wahn des Meine, dir anheimzugeben? Zu deinen Fuessen lass mich, frei und treu, Dich Herrin anerkennen, die sogleich Auftretend sich Besitz und Thron erwarb. lynkeus Du siehst mich, Koenigin, zurueck! Der Reiche bettelt einen Blick, Er sieht dich an und fuehlt sogleich Sich bettelarm und fuerstenreich. Was war ich erst? was bin ich nun? Was ist zu wollen? was zu tun? Was hilft der Augen schaerfster Blitz! Er prallt zurueck an deinem Sitz. Von Osten kamen wir heran, Und um den Westen war's getan; Ein lang und breites Volksgewicht, Der erste wusste vom letzten nicht. Der erste fiel, der zweite stand, Des dritten Lanze war zur Hand; Ein jeder hundertfach gestaerkt, Erschlagne Tausend unbemerkt. Wir draengten fort, wir stuermten fort, Wir waren Herrn von Ort zu Ort; Und wo ich herrisch heut befahl, Ein andrer morgen raubt' und stahl. Wir schauten - elig war die Schau; Der griff die allerschoenste Frau, Der griff den Stier von festem Tritt, Die Pferde mussten alle mit. Ich aber liebte, zu erspaehn Das Seltenste, was man gesehn; Und was ein andrer auch besass, Das war fuer mich gedoerrtes Gras. Den Schaetzen war ich auf der Spur, Den scharfen Blicken folgt' ich nur, In alle Taschen blickt' ich ein, Durchsichtig war mir jeder Schrein. Und Haufen Goldes waren mein, Am herrlichsten der Edelstein: Nun der Smaragd allein verdient, Dass er an deinem Herzen gruent. Nun schwanke zwischen Ohr und Mund Das Tropfenei aus Meeresgrund; Rubinen werden gar verscheucht, Das Wangenrot sie niederbleicht. Und so den allergroessten Schatz Versetz' ich hier auf deinen Platz; Zu deinen Fuessen sei gebracht Die Ernte mancher blut'gen Schlacht. So viele Kisten schlepp' ich her, Der Eisenkisten hab' ich mehr; Erlaube mich auf deiner Bahn, Und Schatzgewoelbe fuell' ich an. Denn du bestiegest kaum den Thron, So neigen schon, so beugen schon Verstand und Reichtum und Gewalt Sich vor der einzigen Gestalt. Das alles hielt ich fest und mein, Nun aber, lose, wird es dein. Ich glaubt' es wuerdig, hoch und bar, Nun seh' ich, dass es nichtig war. Verschwunden ist, was ich besass, Ein abgemaehtes, welkes Gras. O gib mit einem heitern Blick Ihm seinen ganzen Wert zurueck! faust Entferne schnell die kuehn erworbne Last, Zwar nicht getadelt, aber unbelohnt. Schon ist Ihr alles eigen, was die Burg Im Schoss verbirgt; Besondres Ihr zu bieten, Ist unnuetz. Geh und haeufe Schatz auf Schatz Geordnet an. Der ungesehnen Pracht Erhabnes Bild stell' auf! Lass die Gewoelbe Wie frische Himmel blinken, Paradiese Von lebelosem Leben richte zu. Voreilend ihren Tritten lass bebluemt An Teppich Teppiche sich waelzen; ihrem Tritt Begegne sanfter Boden; ihrem Blick, Nur Goettliche nicht blendend, hoechster Glanz. lynkeus Schwach ist, was der Herr befiehlt, Tut's der Diener, es ist gespielt: Herrscht doch ueber Gut und Blut Dieser Schoenheit uebermut. Schon das ganze Heer ist zahm, Alle Schwerter stumpf und lahm, Vor der herrlichen Gestalt Selbst die Sonne matt und kalt, Vor dem Reichtum des Gesichts Alles leer und alles nichts. helena Ich wuensche dich zu sprechen, doch herauf An meine Seite komm! Der leere Platz Beruft den Herrn und sichert mir den meinen. faust Erst knieend lass die treue Widmung dir Gefallen, hohe Frau; die Hand, die mich An deine Seite hebt, lass mich sie kuessen. Bestaerke mich als Mitregenten deines Grenzunbewussten Reichs, gewinne dir Verehrer, Diener, Waechter all' in einem! helena Vielfache Wunder seh' ich, hoer' ich an, Erstaunen trifft mich, fragen moecht' ich viel. Doch wuenscht' ich Unterricht, warum die Rede Des Manns mir seltsam klang, seltsam und freundlich. Ein Ton scheint sich dem andern zu bequemen, Und hat ein Wort zum Ohre sich gesellt, Ein andres kommt, dem ersten liebzukosen. faust Gefaellt dir schon die Sprechart unsrer Voelker, O so gewiss entzueckt auch der Gesang, Befriedigt Ohr und Sinn im tiefsten Grunde. Doch ist am sichersten, wir ueben's gleich; Die Wechselrede lockt es, ruft's hervor. helena So sage denn, wie sprech' ich auch so schoen? faust Das ist gar leicht, es muss von Herzen gehn. Und wenn die Brust von Sehnsucht ueberfliesst, Man sieht sich um und fragt - + helena Wer mitgeniesst. faust Nun schaut der Geist nicht vorwaerts, nicht zurueck, Die Gegenwart allein - + helena ist unser Glueck. faust Schatz ist sie, Hochgewinn, Besitz und Pfand; Bestaetigung, wer gibt sie? + helena Meine Hand. chor Wer verdaecht' es unsrer Fuerstin, Goennet sie dem Herrn der Burg Freundliches Erzeigen? Denn gesteht, saemtliche sind wir Ja Gefangene, wie schon oefter Seit dem schmaehlichen Untergang Ilios' und der aengstlich-+ labyrinthischen/ Kummerfahrt. Fraun, gewoehnt an Maennerliebe, Waehlerinnen sind sie nicht, Aber Kennerinnen. Und wie goldlockigen Hirten Vielleicht schwarzborstigen Faunen, Wie es bringt die Gelegenheit, ueber die schwellenden Glieder Vollerteilen sie gleiches Recht. Nah und naeher sitzen sie schon An einander gelehnet, Schulter an Schulter, Knie an Knie, Hand in Hand wiegen sie sich ueber des Throns Aufgepolsterter Herrlichkeit. Nicht versagt sich die Majestaet Heimlicher Freuden Vor den Augen des Volkes uebermuetiges Offenbarsein. helena Ich fuehle mich so fern und doch so nah, Und sage nur zu gern: Da bin ich! da! faust Ich atme kaum, mir zittert, stockt das Wort; Es ist ein Traum, verschwunden Tag und Ort. helena Ich scheine mir verlebt und doch so neu, In dich verwebt, dem Unbekannten treu. faust Durchgrueble nicht das einzigste Geschick! Dasein ist Pflicht, und waer's ein Augenblick. phorkyas Buchstabiert in Liebesfibeln, Taendelnd gruebelt nur am Liebeln, Muessig liebelt fort im Gruebeln, Doch dazu ist keine Zeit. Fuehlt ihr nicht ein dumpfes Wettern? Hoert nur die Trompete schmettern, Das Verderben ist nicht weit. Menelas mit Volkeswogen Kommt auf euch herangezogen; Ruestet euch zu herbem Streit! Von der Siegerschar umwimmelt, Wie Deiphobus verstuemmelt, Buessest du das Fraungeleit. Bammelt erst die leichte Ware, Dieser gleich ist am Altare Neugeschliffnes Beil bereit. faust Verwegne Stoerung! widerwaertig dringt sie ein; Auch nicht in Gefahren mag ich sinnlos Ungestuem. Den schoensten Boten, Ungluecksbotschaft haesslicht ihn; Du Haesslichste gar, nur schlimme Botschaft bringst du gern. Doch diesmal soll dir's nicht geraten: leeren Hauchs Erschuettere du die Luefte. Hier ist nicht Gefahr, Und selbst Gefahr erschiene nur als eitles Draeun. faust Nein, gleich sollst du versammelt schauen Der Helden ungetrennten Kreis: Nur der verdient die Gunst der Frauen, Der kraeftigst sie zu schuetzen weiss. Mit angehaltnem stillen Wueten, Das euch gewiss den Sieg verschafft, Ihr, Nordens jugendliche Blueten, Ihr, Ostens blumenreiche Kraft. In Stahl gehuellt, vom Strahl umwittert, Die Schar, die Reich um Reich zerbrach, Sie treten auf, die Erde schuettert, Sie schreiten fort, es donnert nach. An Pylos traten wir zu Lande, Der alte Nestor ist nicht mehr, Und alle kleinen Koenigsbande Zersprengt das ungebundne Heer. Draengt ungesaeumt von diesen Mauern Jetzt Menelas dem Meer zurueck; Dort irren mag er, rauben, lauern, Ihm war es Neigung und Geschick. Herzoge soll ich euch begruessen, Gebietet Spartas Koenigin; Nun legt ihr Berg und Tal zu Fuessen, Und euer sei des Reichs Gewinn. Germane du! Korinthus' Buchten Verteidige mit Wall und Schutz! Achaia dann mit hundert Schluchten Empfehl' ich, Gote, deinem Trutz. Nach Elis ziehn der Franken Heere, Messene sei der Sachsen Los, Normanne reinige die Meere Und Argolis erschaff' er gross. Dann wird ein jeder haeuslich wohnen, Nach aussen richten Kraft und Blitz; Doch Sparta soll euch ueberthronen, Der Koenigin verjaehrter Sitz. All-einzeln sieht sie euch geniessen Des Landes, dem kein Wohl gebricht; Ihr sucht getrost zu ihren Fuessen Bestaetigung und Recht und Licht. chor Wer die Schoenste fuer sich begehrt, Tuechtig vor allen Dingen Seh' er nach Waffen weise sich um; Schmeichelnd wohl gewann er sich, Was auf Erden das Hoechste; Aber ruhig besitzt er's nicht: Schleicher listig entschmeicheln sie ihm, Raeuber kuehnlich entreissen sie ihm; Dieses zu hinderen, sei er bedacht. Unsern Fuersten lob' ich drum, Schaetz' ihn hoeher vor andern, Wie er so tapfer klug sich verband, Dass die Starken gehorchend stehn, Jedes Winkes gewaertig. Seinen Befehl vollziehn sie treu, Jeder sich selbst zu eignem Nutz Wie dem Herrscher zu lohnendem Dank, Beiden zu hoechlichem Ruhmesgewinn. Denn wer entreisset sie jetzt Dem gewalt'gen Besitzer? Ihm gehoert sie, ihm sei sie gegoennt, Doppelt von uns gegoennt, die er Samt ihr zugleich innen mit sicherster Mauer, Aussen mit maechtigstem Heer umgab. faust Die Gaben, diesen hier verliehen - An jeglichen ein reiches Land -, Sind gross und herrlich; lass sie ziehen! Wir halten in der Mitte stand. Und sie beschuetzen um die Wette, Ringsum von Wellen angehuepft, Nichtinsel dich, mit leichter Huegelkette Europens letztem Bergast angeknuepft. Das Land, vor aller Laender Sonnen, Sei ewig jedem Stamm beglueckt, Nun meiner Koenigin gewonnen, Das frueh an ihr hinaufgeblickt, Als mit Eurotas' Schilfgefluester Sie leuchtend aus der Schale brach, Der hohen Mutter, dem Geschwister Das Licht der Augen ueberstach. Dies Land, allein zu dir gekehret, Entbietet seinen hoechsten Flor; Dem Erdkreis, der dir angehoeret, Dein Vaterland, o zieh es vor! Und duldet auch auf seiner Berge Ruecken Das Zackenhaupt der Sonne kalten Pfeil, Laesst nun der Fels sich angegruent erblicken, Die Ziege nimmt genaeschig kargen Teil. Die Quelle springt, vereinigt stuerzen Baeche, Und schon sind Schluchten, Haenge, Matten gruen. Auf hundert Huegeln unterbrochner Flaeche Siehst Wollenherden ausgebreitet ziehn. Verteilt, vorsichtig abgemessen schreitet Gehoerntes Rind hinan zum jaehen Rand; Doch Obdach ist den saemtlichen bereitet, Zu hundert Hoehlen woelbt sich Felsenwand. Pan schuetzt sie dort, und Lebensnymphen wohnen In buschiger Kluefte feucht erfrischtem Raum, Und sehnsuchtsvoll nach hoehern Regionen Erhebt sich zweighaft Baum gedraengt an Baum. Alt-Waelder sind's! Die Eiche starret maechtig, Und eigensinnig zackt sich Ast an Ast; Der Ahorn mild, von suessem Safte traechtig, Steigt rein empor und spielt mit seiner Last. Und muetterlich im stillen Schattenkreise Quillt laue Milch bereit fuer Kind und Lamm; Obst ist nicht weit, der Ebnen reife Speise, Und Honig trieft vom ausgehoehlten Stamm. Hier ist das Wohlbehagen erblich, Die Wange heitert wie der Mund, Ein jeder ist an seinem Platz unsterblich: Sie sind zufrieden und gesund. Und so entwickelt sich am reinen Tage Zu Vaterkraft das holde Kind. Wir staunen drob; noch immer bleibt die Frage: Ob's Goetter, ob es Menschen sind? So war Apoll den Hirten zugestaltet, Dass ihm der schoensten einer glich; Denn wo Natur im reinen Kreise waltet, Ergreifen alle Welten sich. So ist es mir, so ist es dir gelungen; Vergangeheit sei hinter uns getan! O fuehle dich vom hoechsten Gott entsprungen, Der ersten Welt gehoerst du einzig an. Nicht feste Burg soll dich umschreiben! Noch zirkt in ewiger Jugendkraft Fuer uns, zu wonnevollem Bleiben, Arkadien in Spartas Nachbarschaft. Gelockt, auf sel'gem Grund zu wohnen, Du fluechtetest ins heiterste Geschick! Zur Laube wandeln sich die Thronen, Arkadisch frei sei unser Glueck! Szene 42 phorkyas Wie lange Zeit die Maedchen schlafen, weiss ich nicht; Ob sie sich traeumen liessen, was ich hell und klar Vor Augen sah, ist ebenfalls mir unbekannt. Drum weck' ich sie. Erstaunen soll das junge Volk; Ihr Baertigen auch, die ihr da drunten sitzend harrt, Glaubhafter Wunder Loesung endlich anzuschaun. Hervor! hervor! Und schuettelt eure Locken rasch! Schlaf aus den Augen! Blinzt nicht so und hoert mich an! chor Rede nur, erzaehl', erzaehle, was sich Wunderlichs begeben! Hoeren moechten wir am liebsten, was wir gar nicht glauben koennen; Denn wir haben Langeweile, diese Felsen anzusehn. phorkyas Kaum die Augen ausgerieben, Kinder, langeweilt ihr schon? So vernehmt: in diesen Hoehlen, diesen Grotten, diesen Lauben Schutz und Schirmung war verliehen, wie idyllischem Liebespaare, Unserm Herrn und unsrer Frauen. + chor Wie, da drinnen? + phorkyas Abgesondert Von der Welt, nur mich, die eine, riefen sie zu stillem Dienste. Hochgeehrt stand ich zur Seite, doch, wie es Vertrauten ziemet, Schaut' ich um nach etwas andrem. Wendete mich hier- und dorthin, Suchte Wurzeln, Moos und Rinden, kundig aller Wirksamkeiten, Und so blieben sie allein. chor Tust du doch, als ob da drinnen ganze Weltenraeume waeren, Wald und Wiese, Baeche, Seen; welche Maerchen spinnst du ab! phorkyas Allerdings, ihr Unerfahrnen! das sind unerforschte Tiefen: Saal an Saelen, Hof an Hoefen, diese spuert' ich sinnend aus. Doch auf einmal ein Gelaechter echot in den Hoehlenraeumen; Schau' ich hin, da springt ein Knabe von der Frauen Schoss zum Manne, Von dem Vater zu der Mutter; das Gekose, das Getaendel, Toeriger Liebe Neckereien, Scherzgeschrei und Lustgejauchze Wechselnd uebertaeuben mich. Nackt, ein Genius ohne Fluegel, faunenartig ohne Tierheit, Springt er auf den festen Boden; doch der Boden gegenwirkend Schnellt ihn zu der luft'gen Hoehe, und im zweiten, dritten Sprunge Ruehrt er an das Hochgewoelb. aengstlich ruft die Mutter: Springe wiederholt und nach Belieben, Aber huete dich, zu fliegen, freier Flug ist dir versagt. Und so mahnt der treue Vater: In der Erde liegt die Schnellkraft, Die dich aufwaerts treibt; beruehre mit der Zehe nur den Boden, Wie der Erdensohn Antaeus bist du alsobald gestaerkt. Und so huepft er auf die Masse dieses Felsens, von der Kante Zu dem andern und umher, so wie ein Ball geschlagen springt. Doch auf einmal in der Spalte rauher Schlucht ist er verschwunden, Und nun scheint er uns verloren. Mutter jammert, Vater troestet, Achselzuckend steh' ich aengstlich. Doch nun wieder welch Erscheinen! Liegen Schaetze dort verborgen? Blumenstreifige Gewande Hat er wuerdig angetan. Quasten schwanken von den Armen, Binden flattern um den Busen, In der Hand die goldne Leier, voellig wie ein kleiner Phoebus, Tritt er wohlgemut zur Kante, zu dem ueberhang; wir staunen. Und die Eltern vor Entzuecken werfen wechselnd sich ans Herz. Denn wie leuchtet's ihm zu Haupten? Was erglaenzt, ist schwer zu sagen, Ist es Goldschmuck, ist es Flamme uebermaechtiger Geisteskraft? Und so regt er sich gebaerdend, sich als Knabe schon verkuendend Kuenftigen Meister alles Schoenen, dem die ewigen Melodien Durch die Glieder sich bewegen; und so werdet ihr ihn hoeren, Und so werdet ihr ihn sehn zu einzigster Bewunderung. chor Nennst du ein Wunder dies, Kretas Erzeugte? Dichtend belehrendem Wort Hast du gelauscht wohl nimmer? Niemals noch gehoert Ioniens, Nie vernommen auch Hellas' Urvaeterlicher Sagen Goettlich-heldenhaften Reichtum? Alles, was je geschieht Heutigen Tages, Trauriger Nachklang ist's Herrlicher Ahnherrntage; Nicht vergleicht sich dein Erzaehlen Dem, was liebliche Luege, Glaubhaftiger als Wahrheit, Von dem Sohne sang der Maja. Diesen zierlich und kraeftig doch Kaum geborenen Saeugling Faltet in reinster Windeln Flaum, Strenget in koestlicher Wickeln Schmuck Klatschender Waerterinnen Schar Unvernuenftigen Waehnens. Kraeftig und zierlich aber zieht Schon der Schalk die geschmeidigen Doch elastischen Glieder Listig heraus, die purpurne, aengstlich drueckende Schale Lassend ruhig an seiner Statt; Gleich dem fertigen Schmetterling, Der aus starrem Puppenzwang Fluegel entfaltend behendig schluepft, Sonnedurchstrahlten aether kuehn Und mutwillig durchflatternd. So auch er, der Behendeste, Dass er Dieben und Schaelken, Vorteilsuchenden allen auch Ewig guenstiger Daemon sei, Dies betaetigt er alsobald Durch gewandteste Kuenste. Schnell des Meeres Beherrscher stiehlt Er den Trident, ja dem Ares selbst Schlau das Schwert aus der Scheide; Bogen und Pfeil dem Phoebus auch, Wie dem Hephaestos die Zange; Selber Zeus', des Vaters, Blitz Naehm' er, schreckt' ihn das Feuer nicht; Doch dem Eros siegt er ob In beinstellendem Ringerspiel; Raubt auch Cyprien, wie sie ihm kost, Noch vom Busen den Guertel. phorkyas Hoeret allerliebste Klaenge, Macht euch schnell von Fabeln frei! Eurer Goetter alt Gemenge, Lasst es hin, es ist vorbei. Niemand will euch mehr verstehen, Fordern wir doch hoehern Zoll: Denn es muss von Herzen gehen, Was auf Herzen wirken soll. chor Bist du, fuerchterliches Wesen, Diesem Schmeichelton geneigt, Fuehlen wir, als frisch genesen, Uns zur Traenenlust erweicht. Lass der Sonne Glanz verschwinden, Wenn es in der Seele tagt, Wir im eignen Herzen finden, Was die ganze Welt versagt. euphorion Hoert ihr Kindeslieder singen, Gleich ist's euer eigner Scherz; Seht ihr mich im Takte springen, Huepft euch elterlich das Herz. helena Liebe, menschlich zu begluecken, Naehert sie ein edles Zwei, Doch zu goettlichem Entzuecken Bildet sie ein koestlich Drei. faust Alles ist sodann gefunden: Ich bin dein, und du bist mein; Und so stehen wir verbunden, Duerft' es doch nicht anders sein! chor Wohlgefallen vieler Jahre In des Knaben mildem Schein Sammelt sich auf diesem Paare. O, wie ruehrt mich der Verein! euphorion Nun lasst mich huepfen, Nun lasst mich springen! Zu allen Lueften Hinaufzudringen, Ist mir Begierde, Sie fasst mich schon. faust Nur maessig! maessig! Nicht ins Verwegne, Dass Sturz und Unfall Dir nicht begegne, Zugrund uns richte Der teure Sohn! euphorion Ich will nicht laenger Am Boden stocken; Lasst meine Haende, Lasst meine Locken, Lasst meine Kleider! Sie sind ja mein. helena O denk! o denke, Wem du gehoerest! Wie es uns kraenke, Wie du zerstoerest Das schoen errungene Mein, Dein und Sein. chor Bald loest, ich fuerchte, Sich der Verein! helena und faust Baendige! baendige Eltern zuliebe ueberlebendige, Heftige Triebe! Laendlich im stillen Ziere den Plan. euphorion Nur euch zu Willen Halt' ich mich an. Leichter umschweb' ich hie Muntres Geschlecht. Ist nun die Melodie, Ist die Bewegung recht? helena Ja, das ist wohlgetan; Fuehre die Schoenen an Kuenstlichem Reihn. faust Waere das doch vorbei! Mich kann die Gaukelei Gar nicht erfreun. chor Wenn du der Arme Paar Lieblich bewegest, Im Glanz dein lockig Haar Schuettelnd erregest, Wenn dir der Fuss so leicht ueber die Erde schleicht, Dort und da wieder hin Glieder um Glied sich ziehn, Hast du dein Ziel erreicht, Liebliches Kind; All' unsre Herzen sind All' dir geneigt. euphorion Ihr seid so viele Leichtfuessige Rehe; Zu neuem Spiele Frisch aus der Naehe! Ich bin der Jaeger, ihr seid das Wild. chor Willst du uns fangen, Sei nicht behende, Denn wir verlangen Doch nur am Ende, Dich zu umarmen, Du schoenes Bild! euphorion Nur durch die Haine! Zu Stock und Steine! Das leicht Errungene, Das widert mir, Nur das Erzwungene Ergetzt mich schier. helena und faust Welch ein Mutwill'! welch ein Rasen! Keine Maessigung ist zu hoffen. Klingt es doch wie Hoernerblasen ueber Tal und Waelder droehnend; Welch ein Unfug! welch Geschrei! chor Uns ist er vorbeigelaufen; Mit Verachtung uns verhoehnend, schleppt er von dem ganzen Haufen Nun die Wildeste herbei. euphorion Schlepp' ich her die derbe Kleine Zu erzwungenem Genusse; Mir zur Wonne, mir zur Lust Drueck' ich widerspenstige Brust, Kuess' ich widerwaertigen Mund, Tue Kraft und Willen kund. maedchen Lass mich los! In dieser Huelle Ist auch Geistes Mut und Kraft; Deinem gleich ist unser Wille Nicht so leicht hinweggerafft. Glaubst du wohl mich im Gedraenge? Deinem Arm vertraust du viel! Halte fest, und ich versenge Dich, den Toren, mir zum Spiel. Folge mir in leichte Luefte, Folge mir in starre Gruefte, Hasche das verschwundne Ziel! euphorion Felsengedraenge hier Zwischen dem Waldgebuesch, Was soll die Enge mir, Bin ich doch jung und frisch. Winde, sie sausen ja, Wellen, sie brausen da; Hoer' ich doch beides fern, Nah waer' ich gern. helena, faust und chor Wolltest du den Gemsen gleichen? Vor dem Falle muss uns graun. euphorion Immer hoeher muss ich steigen, Immer weiter muss ich schaun. Weiss ich nun, wo ich bin! Mitten der Insel drin, Mitten in Pelops' Land, Erde- wie seeverwandt. chor Magst nicht in Berg und Wald Friedlich verweilen? Suchen wir alsobald Reben in Zeilen, Reben am Huegelrand, Feigen und Apfelgold. Ach in dem holden Land Bleibe du hold! euphorion Traeumt ihr den Friedenstag? Traeume, wer traeumen mag. Krieg! ist das Losungswort. Sieg! und so klingt es fort. chor Wer im Frieden Wuenschet sich Krieg zurueck, Der ist geschieden Vom Hoffnungsglueck. euphorion Welche dies Land gebar Aus Gefahr in Gefahr, Frei, unbegrenzten Muts, Verschwendrisch eignen Bluts, Den nicht zu daempfenden Heiligen Sinn - Alle den Kaempfenden Bring' es Gewinn! chor Seht hinauf, wie hoch gestiegen! Und er scheint uns doch nicht klein: Wie im Harnisch, wie zum Siegen, Wie von Erz und Stahl der Schein. euphorion Keine Waelle, keine Mauern, Jeder nur sich selbst bewusst; Feste Burg, um auszudauern, Ist des Mannes ehrne Brust. Wollt ihr unerobert wohnen, Leicht bewaffnet rasch ins Feld; Frauen werden Amazonen Und ein jedes Kind ein Held. chor Heilige Poesie, Himmelan steige sie! Glaenze, der schoenste Stern, Fern und so weiter fern! Und sie erreicht uns doch Immer, man hoert sie noch, Vernimmt sie gern. euphorion Nein, nicht ein Kind bin ich erschienen, In Waffen kommt der Juengling an; Gesellt zu Starken, Freien, Kuehnen, Hat er im Geiste schon getan. Nun fort! Nun dort Eroeffnet sich zum Ruhm die Bahn. helena und faust Kaum ins Leben eingerufen, Heitrem Tag gegeben kaum, Sehnest du von Schwindelstufen Dich zu schmerzenvollem Raum. Sind denn wir Gar nichts dir? Ist der holde Bund ein Traum? euphorion Und hoert ihr donnern auf dem Meere? Dort widerdonnern Tal um Tal, In Staub und Wellen, Heer dem Heere, In Drang um Drang, zu Schmerz und Qual. Und der Tod Ist Gebot, Das versteht sich nun einmal. helena, faust und chor Welch Entsetzen! welches Grauen! Ist der Tod denn dir Gebot? euphorion Sollt' ich aus der Ferne schauen? Nein! ich teile Sorg' und Not. die vorigen uebermut und Gefahr, Toedliches Los! euphorion Doch! - und ein Fluegelpaar Faltet sich los! Dorthin! Ich muss! ich muss! Goennt mir den Flug! chor Ikarus! Ikarus! Jammer genug. helena und faust Der Freude folgt sogleich Grimmige Pein. euphorions stimme Lass mich im duestern Reich, Mutter, mich nicht allein! chor Nicht allein! - wo du auch weilest, Denn wir glauben dich zu kennen; Ach! wenn du dem Tag enteilest, Wird kein Herz von dir sich trennen. Wuessten wir doch kaum zu klagen, Neidend singen wir dein Los: Dir in klar- und trueben Tagen Lied und Mut war schoen und gross. Ach! zum Erdenglueck geboren, Hoher Ahnen, grosser Kraft, Leider frueh dir selbst verloren, Jugendbluete weggerafft! Scharfer Blick, die Welt zu schauen, Mitsinn jedem Herzensdrang, Liebesglut der besten Frauen Und ein eigenster Gesang. Doch du ranntest unaufhaltsam Frei ins willenlose Netz, So entzweitest du gewaltsam dich mit Sitte, mit Gesetz; Doch zuletzt das hoechste Sinnen Gab dem reinen Mut Gewicht, Wolltest Herrliches gewinnen, Aber es gelang dir nicht. Wem gelingt es? - Truebe Frage, Der das Schicksal sich vermummt, Wenn am unglueckseligsten Tage Blutend alles Volk verstummt. Doch erfrischet neue Lieder, Steht nicht laenger tief gebeugt: Denn der Boden zeugt sie wieder, Wie von je er sie gezeugt. helena Ein altes Wort bewaehrt sich leider auch an mir: Dass Glueck und Schoenheit dauerhaft sich nicht vereint. Zerrissen ist des Lebens wie der Liebe Band; Bejammernd beide, sag' ich schmerzlich Lebewohl Und werfe mich noch einmal in die Arme dir. Persephoneia, nimm den Knaben auf und mich! phorkyas Halte fest, was dir von allem uebrigblieb. Das Kleid, lass es nicht los. Da zupfen schon Daemonen an den Zipfeln, moechten gern Zur Unterwelt es reissen. Halte fest! Die Goettin ist's nicht mehr, die du verlorst, Doch goettlich ist's. Bediene dich der hohen, Unschaetzbaren Gunst und hebe dich empor: Es traegt dich ueber alles Gemeine rasch Am aether hin, so lange du dauern kannst. Wir sehn uns wieder, weit, gar weit von hier. phorkyas Noch immer gluecklich aufgefunden! Die Flamme freilich ist verschwunden, Doch ist mir um die Welt nicht leid. Hier bleibt genug, Poeten einzuweihen, Zu stiften Gild- und Handwerksneid; Und kann ich die Talente nicht verleihen, Verborg' ich wenigstens das Kleid. panthalis Nun eilig, Maedchen! Sind wir doch den Zauber los, Der alt-thessalischen Vettel wuesten Geisteszwang, So des Geklimpers vielverworrner Toene Rausch, Das Ohr verwirrend, schlimmer noch den innern Sinn. Hinab zum Hades! Eilte doch die Koenigin Mit ernstem Gang hinunter. Ihrer Sohle sei Unmittelbar getreuer Maegde Schritt gefuegt. Wir finden sie am Throne der Unerforschlichen. chor Koeniginnen freilich, ueberall sind sie gern; Auch im Hades stehen sie obenan, Stolz zu ihresgleichen gesellt, Mit Persephonen innigst vertraut; Aber wir im Hintergrunde Tiefer Asphodelos-Wiesen, Langgestreckten Pappeln, Unfruchtbaren Weiden zugesellt, Welchen Zeitvertreib haben wir? Fledermausgleich zu piepsen, Gefluester, unerfreulich, gespenstig. panthalis Wer keinen Namen sich erwarb noch Edles will, Gehoert den Elementen an; so fahret hin! Mit meiner Koenigin zu sein, verlangt mich heiss; Nicht nur Verdienst, auch Treue wahrt uns die Person. alle Zurueckgegeben sind wir dem Tageslicht, Zwar Personen nicht mehr, Das fuehlen, das wissen wir, Aber zum Hades kehren wir nimmer. Ewig lebendige Natur Macht auf uns Geister, Wir auf sie vollgueltigen Anspruch. ein teil des chores Wir in dieser tausend aeste Fluesterzittern, Saeuselschweben Reizen taendelnd, locken leise wurzelauf des Lebens Quellen Nach den Zweigen; bald mit Blaettern, bald mit Blueten ueberschwenglich Zieren wir die Flatterhaare frei zu luftigem Gedeihn. Faellt die Frucht, sogleich versammeln lebenslustig Volk und Herden Sich zum Greifen, sich zum Naschen, eilig kommend, emsig draengend; Und wie vor den ersten Goettern bueckt sich alles um uns her. ein andrer teil Wir, an dieser Felsenwaende weithinleuchtend glatten Spiegel Schmiegen wir, in sanften Wellen uns bewegend, schmeichelnd an; Horchen, lauschen jedem Laute, Vogelsaengen, Roehrigfloeten, Sei es Pans furchtbarer Stimme, Antwort ist sogleich bereit; Saeuselt's, saeuseln wir erwidernd, donnert's, rollen unsre Donner In erschuetterndem Verdoppeln, dreifach, zehnfach hintennach. ein dritter teil Schwestern! Wir, bewegtern Sinnes, eilen mit den Baechen weiter; Denn es reizen jener Ferne reichgeschmueckte Huegelzuege. Immer abwaerts, immer tiefer waessern wir, maeandrisch wallend, Jetzt die Wiese, dann die Matten, gleich den Garten um das Haus. Dort bezeichnen's der Zypressen schlanke Wipfel, ueber Landschaft, Uferzug und Wellenspiegel nach dem aether steigende. ein vierter teil Wallt ihr andern, wo's beliebet; wir umzingeln, wir umrauschen Den durchaus bepflanzten Huegel, wo am Stab die Rebe gruent; Dort zu aller Tage Stunden laesst die Leidenschaft des Winzers Uns des liebevollsten Fleisses zweifelhaft Gelingen sehn. Bald mit Hacke, bald mit Spaten, bald mit Haeufeln, Schneiden, Binden Betet er zu allen Goettern, foerdersamst zum Sonnengott. Bacchus kuemmert sich, der Weichling, wenig um den treuen Diener, Ruht in Lauben, lehnt in Hoehlen, faselnd mit dem juengsten Faun. Was zu seiner Traeumereien halbem Rausch er je bedurfte, Immer bleibt es ihm in Schlaeuchen, ihm in Kruegen und Gefaessen, Rechts und links der kuehlen Gruefte, ewige Zeiten aufbewahrt. Haben aber alle Goetter, hat nun Helios vor allen, Lueftend, feuchtend, waermend, glutend, Beeren-Fuellhorn aufgehaeuft, Wo der stille Winzer wirkte, dort auf einmal wird's lebendig, Und es rauscht in jedem Laube, raschelt um von Stock zu Stock. Koerbe knarren, Eimer klappern, Tragebutten aechzen hin, Alles nach der grossen Kufe zu der Keltrer kraeft'gem Tanz; Und so wird die heilige Fuelle reingeborner saftiger Beeren Frech zertreten, schaeumend, spruehend mischt sich's, widerlich zerquetscht. Und nun gellt ins Ohr der Zimbeln mit der Becken Erzgetoene, Denn es hat sich Dionysos aus Mysterien enthuellt; Kommt hervor mit Ziegenfuesslern, schwenkend Ziegenfuesslerinnen, Und dazwischen schreit unbaendig grell Silenus' oehrig Tier. Nichts geschont! Gespaltne Klauen treten alle Sitte nieder, Alle Sinne wirbeln taumlich, graesslich uebertaeubt das Ohr. Nach der Schale tappen Trunkne, ueberfuellt sind Kopf und Waenste, Sorglich ist noch ein und andrer, doch vermehrt er die Tumulte, Denn um neuen Most zu bergen, leert man rasch den alten Schlauch! 4. Akt Hochgebirg faust Der Einsamkeiten tiefste schauend unter meinem Fuss, Betret' ich wohlbedaechtig dieser Gipfel Saum, Entlassend meiner Wolke Tragewerk, die mich sanft An klaren Tagen ueber Land und Meer gefuehrt. Sie loest sich langsam, nicht zerstiebend, von mir ab. Nach Osten strebt die Masse mit geballtem Zug, Ihr strebt das Auge staunend in Bewundrung nach. Sie teilt sich wandelnd, wogenhaft, veraenderlich. Doch will sich's modeln. - Ja! das Auge truegt mich nicht! - Auf sonnbeglaenzten Pfuehlen herrlich hingestreckt, Zwar riesenhaft, ein goettergleiches Fraungebild, Ich seh's! Junonen aehnlich, Leda'n, Helenen, Wie majestaetisch lieblich mir's im Auge schwankt. Ach! schon verrueckt sich's! Formlos breit und aufgetuermt Ruht es in Osten, fernen Eisgebirgen gleich, Und spiegelt blendend fluecht'ger Tage grossen Sinn. Doch mir umschwebt ein zarter lichter Nebelstreif Noch Brust und Stirn, erheiternd, kuehl und schmeichelhaft. Nun steigt es leicht und zaudernd hoch und hoeher auf, Fuegt sich zusammen. - Taeuscht mich ein entzueckend Bild, Als jugenderstes, laengstentbehrtes hoechstes Gut? Des tiefsten Herzens fruehste Schaetze quellen auf: Aurorens Liebe, leichten Schwung bezeichnet's mir, Den schnellempfundnen, ersten, kaum verstandnen Blick, Der, festgehalten, ueberglaenzte jeden Schatz. Wie Seelenschoenheit steigert sich die holde Form, Loest sich nicht auf, erhebt sich in den aether hin Und zieht das Beste meines Innern mit sich fort. mephistopheles Das heiss' ich endlich vorgeschritten! Nun aber sag, was faellt dir ein? Steigst ab in solcher Greuel Mitten, Im graesslich gaehnenden Gestein? Ich kenn' es wohl, doch nicht an dieser Stelle, Denn eigentlich war das der Grund der Hoelle. faust Es fehlt dir nie an naerrischen Legenden; Faengst wieder an, dergleichen auszuspenden. mephistopheles Als Gott der Herr - ich weiss auch wohl, warum - Uns aus der Luft in tiefste Tiefen bannte, Da, wo zentralisch gluehend, um und um, Ein ewig Feuer flammend sich durchbrannte, Wir fanden uns bei allzugrosser Hellung In sehr gedraengter, unbequemer Stellung. Die Teufel fingen saemtlich an zu husten, Von oben und von unten auszupusten; Die Hoelle schwoll von Schwefelstank und -saeure, Das gab ein Gas! Das ging ins Ungeheure, So dass gar bald der Laender flache Kruste, So dick sie war, zerkrachend bersten musste. Nun haben wir's an einem andern Zipfel, Was ehmals Grund war, ist nun Gipfel. Sie gruenden auch hierauf die rechten Lehren, Das Unterste ins Oberste zu kehren. Denn wir entrannen knechtisch-heisser Gruft Ins uebermass der Herrschaft freier Luft. Ein offenbar Geheimnis, wohl verwahrt, Und wird nur spaet den Voelkern offenbart.((ephes. 6,12)) faust Gebirgesmasse bleibt mir edel-stumm, Ich frage nicht woher und nicht warum. Als die Natur sich in sich selbst gegruendet, Da hat sie rein den Erdball abgeruendet, Der Gipfel sich, der Schluchten sich erfreut Und Fels an Fels und Berg an Berg gereiht, Die Huegel dann bequem hinabgebildet, Mit sanftem Zug sie in das Tal gemildet. Da gruent's und waechst's, und um sich zu erfreuen, Bedarf sie nicht der tollen Strudeleien. mephistopheles Das sprecht Ihr so! Das scheint Euch sonnenklar; Doch weiss es anders, der zugegen war. Ich war dabei, als noch da drunten siedend Der Abgrund schwoll und stroemend Flammen trug; Als Molochs Hammer, Fels an Felsen schmiedend, Gebirgestruemmer in die Ferne schlug. Noch starrt das Land von fremden Zentnermassen; Wer gibt Erklaerung solcher Schleudermacht? Der Philosoph, er weiss es nicht zu fassen, Da liegt der Fels, man muss ihn liegen lassen, Zuschanden haben wir uns schon gedacht. - Das treu-gemeine Volk allein begreift Und laesst sich im Begriff nicht stoeren; Ihm ist die Weisheit laengst gereift: Ein Wunder ist's, der Satan kommt zu Ehren. Mein Wandrer hinkt an seiner Glaubenskruecke Zum Teufelsstein, zur Teufelsbruecke. faust Es ist doch auch bemerkenswert zu achten, Zu sehn, wie Teufel die Natur betrachten. mephistopheles Was geht mich's an! Natur sei, wie sie sei! 's ist Ehrenpunkt: der Teufel war dabei! Wir sind die Leute, Grosses zu erreichen; Tumult, Gewalt und Unsinn! sieh das Zeichen! - Doch, dass ich endlich ganz verstaendlich spreche, Gefiel dir nichts an unsrer Oberflaeche? Du uebersahst, in ungemessnen Weiten, Die Reiche der Welt und ihre Herrlichkeiten. ((matth. 4)) Doch, ungenuegsam, wie du bist, Empfandest du wohl kein Geluest? faust Und doch! ein Grosses zog mich an. Errate! + mephistopheles Das ist bald getan. Ich suchte mir so eine Hauptstadt aus, Im Kerne Buerger-Nahrungs-Graus, Krummenge Gaesschen, spitze Giebeln, Beschraenkten Markt, Kohl, Rueben, Zwiebeln; Fleischbaenke, wo die Schmeissen hausen, Die fetten Braten anzuschmausen; Da findest du zu jeder Zeit Gewiss Gestank und Taetigkeit. Dann weite Plaetze, breite Strassen, Vornehmen Schein sich anzumassen; Und endlich, wo kein Tor beschraenkt, Vorstaedte grenzenlos verlaengt. Da freut' ich mich an Rollekutschen, Am laermigen Hin- und Widerrutschen, Am ewigen Hin- und Widerlaufen Zerstreuter Ameis-Wimmelhaufen. Und wenn ich fuehre, wenn ich ritte, Erschien' ich immer ihre Mitte, Von Hunderttausenden verehrt. faust Das kann mich nicht zufriedenstellen. Man freut sich, dass das Volk sich mehrt, Nach seiner Art behaglich naehrt, Sogar sich bildet, sich belehrt - Und man erzieht sich nur Rebellen. mephistopheles Dann baut' ich, grandios, mir selbst bewusst, Am lustigen Ort ein Schloss zur Lust. Wald, Huegel, Flaechen, Wiesen, Feld Zum Garten praechtig umbestellt. Vor gruenen Waenden Sammetmatten, Schnurwege, kunstgerechte Schatten, Kaskadensturz, durch Fels zu Fels gepaart, Und Wasserstrahlen aller Art; Ehrwuerdig steigt es dort, doch an den Seiten Da zischt's und pisst's in tausend Kleinigkeiten. Dann aber liess ich allerschoensten Frauen Vertraut-bequeme Haeuslein bauen; Verbraechte da grenzenlose Zeit In allerliebst-geselliger Einsamkeit. Ich sage Fraun; denn ein fuer allemal Denk' ich die Schoenen im Plural. faust Schlecht und modern! Sardanapal! mephistopheles Erraet man wohl, wornach du strebtest? Es war gewiss erhaben kuehn. Der du dem Mond um so viel naeher schwebtest, Dich zog wohl deine Sucht dahin? faust Mit nichten! dieser Erdenkreis Gewaehrt noch Raum zu grossen Taten. Erstaunenswuerdiges soll geraten, Ich fuehle Kraft zu kuehnem Fleiss. mephistopheles Und also willst du Ruhm verdienen? Man merkt's, du kommst von Heroinen. faust Herrschaft gewinn' ich, Eigentum! Die Tat ist alles, nichts der Ruhm. mephistopheles Doch werden sich Poeten finden, Der Nachwelt deinen Glanz zu kuenden, Durch Torheit Torheit zu entzuenden. faust Von allem ist dir nichts gewaehrt. Was weisst du, was der Mensch begehrt? Dein widrig Wesen, bitter, scharf, Was weiss es, was der Mensch bedarf? mephistopheles Geschehe denn nach deinem Willen! Vertraue mir den Umfang deiner Grillen. faust Mein Auge war aufs hohe Meer gezogen; Es schwoll empor, sich in sich selbst zu tuermen, Dann liess es nach und schuettete die Wogen, Des flachen Ufers Breite zu bestuermen. Und das verdross mich; wie der uebermut Den freien Geist, der alle Rechte schaetzt, Durch leidenschaftlich aufgeregtes Blut Ins Missbehagen des Gefuehls versetzt. Ich hielt's fuer Zufall, schaerfte meinen Blick: Die Woge stand und rollte dann zurueck, Entfernte sich vom stolz erreichten Ziel; Die Stunde kommt, sie wiederholt das Spiel. mephistopheles Da ist fuer mich nichts Neues zu erfahren, Das kenn' ich schon seit hunderttausend Jahren. faust Sie schleicht heran, an abertausend Enden, Unfruchtbar selbst, Unfruchtbarkeit zu spenden; Nun schwillt's und waechst und rollt und ueberzieht Der wuesten Strecke widerlich Gebiet. Da herrschet Well' auf Welle kraftbegeistet, Zieht sich zurueck, und es ist nichts geleistet, Was zur Verzweiflung mich beaengstigen koennte! Zwecklose Kraft unbaendiger Elemente! Da wagt mein Geist, sich selbst zu ueberfliegen; Hier moecht' ich kaempfen, dies moecht' ich besiegen. Und es ist moeglich! - Flutend wie sie sei, An jedem Huegel schmiegt sie sich vorbei; Sie mag sich noch so uebermuetig regen, Geringe Hoehe ragt ihr stolz entgegen, Geringe Tiefe zieht sie maechtig an. Da fasst' ich schnell im Geiste Plan auf Plan: Erlange dir das koestliche Geniessen, Das herrische Meer vom Ufer auszuschliessen, Der feuchten Breite Grenzen zu verengen Und, weit hinein, sie in sich selbst zu draengen. Von Schritt zu Schritt wusst' ich mir's zu eroertern; Das ist mein Wunsch, den wage zu befoerdern! mephistopheles Wie leicht ist das! Hoerst du die Trommeln fern? faust Schon wieder Krieg! der Kluge hoert's nicht gern. mephistopheles Krieg oder Frieden. Klug ist das Bemuehen, Zu seinem Vorteil etwas auszuziehen. Man passt, man merkt auf jedes guenstige Nu. Gelegenheit ist da, nun, Fauste, greife zu! faust Mit solchem Raetselkram verschone mich! Und kurz und gut, was soll's? Erklaere dich. mephistopheles Auf meinem Zuge blieb mir nicht verborgen: Der gute Kaiser schwebt in grossen Sorgen. Du kennst ihn ja. Als wir ihn unterhielten, Ihm falschen Reichtum in die Haende spielten, Da war die ganze Welt ihm feil. Denn jung ward ihm der Thron zuteil, Und ihm beliebt' es, falsch zu schliessen, Es koenne wohl zusammengehn Und sei recht wuenschenswert und schoen: Regieren und zugleich geniessen. faust Ein grosser Irrtum. Wer befehlen soll, Muss im Befehlen Seligkeit empfinden. Ihm ist die Brust von hohem Willen voll, Doch was er will, es darf's kein Mensch ergruenden. Was er den Treusten in das Ohr geraunt, Es ist getan, und alle Welt erstaunt. So wird er stets der Allerhoechste sein, Der Wuerdigste - ; Geniessen macht gemein. mephistopheles So ist er nicht. Er selbst genoss, und wie! Indes zerfiel das Reich in Anarchie, Wo gross und klein sich kreuz und quer befehdeten Und Brueder sich vertrieben, toeteten, Burg gegen Burg, Stadt gegen Stadt, Zunft gegen Adel Fehde hat, Der Bischof mit Kapitel und Gemeinde; Was sich nur ansah, waren Feinde. In Kirchen Mord und Totschlag, vor den Toren Ist jeder Kauf- und Wandersmann verloren. Und allen wuchs die Kuehnheit nicht gering; Denn leben hiess sich wehren. - Nun, das ging. faust Es ging - es hinkte, fiel, stand wieder auf, Dann ueberschlug sich's, rollte plump zuhauf. mephistopheles Und solchen Zustand durfte niemand schelten, Ein jeder konnte, jeder wollte gelten. Der Kleinste selbst, er galt fuer voll. Doch war's zuletzt den Besten allzutoll. Die Tuechtigen, sie standen auf mit Kraft Und sagten: Herr ist, der uns Ruhe schafft. Der Kaiser kann's nicht, will's nicht - lasst uns waehlen, Den neuen Kaiser neu das Reich beseelen, Indem er jeden sicher stellt, In einer frisch geschaffnen Welt Fried' und Gerechtigkeit vermaehlen. faust Das klingt sehr pfaeffisch. + mephistopheles Pfaffen waren's auch, Sie sicherten den wohlgenaehrten Bauch. Sie waren mehr als andere beteiligt. Der Aufruhr schwoll, der Aufruhr ward geheiligt; Und unser Kaiser, den wir froh gemacht, Zieht sich hieher, vielleicht zur letzten Schlacht. faust Er jammert mich; er war so gut und offen. mephistopheles Komm, sehn wir zu! der Lebende soll hoffen. Befrein wir ihn aus diesem engen Tale! Einmal gerettet, ist's fuer tausend Male. Wer weiss, wie noch die Wuerfel fallen? Und hat er Glueck, so hat er auch Vasallen. mephistopheles Die Stellung, seh' ich, gut ist sie genommen; Wir treten zu, dann ist der Sieg vollkommen. faust Was kann da zu erwarten sein? Trug! Zauberblendwerk! Hohler Schein. mephistopheles Kriegslist, um Schlachten zu gewinnen! Befestige dich bei grossen Sinnen, Indem du deinen Zweck bedenkst. Erhalten wir dem Kaiser Thron und Lande, So kniest du nieder und empfaengst Die Lehn von grenzenlosem Strande. faust Schon manches hast du durchgemacht, Nun, so gewinn auch eine Schlacht! mephistopheles Nein, du gewinnst sie! Diesesmal Bist du der Obergeneral. faust Das waere mir die rechte Hoehe, Da zu befehlen, wo ich nichts verstehe! mephistopheles Lass du den Generalstab sorgen, Und der Feldmarschall ist geborgen. Kriegsunrat hab' ich laengst verspuert, Den Kriegsrat gleich voraus formiert Aus Urgebirgs Urmenschenkraft; Wohl dem, der sie zusammenrafft. faust Was seh' ich dort, was Waffen traegt? Hast du das Bergvolk aufgeregt? mephistopheles Nein! aber, gleich Herrn Peter Squenz, Vom ganzen Prass die Quintessenz. mephistopheles Da kommen meine Bursche ja! Du siehst, von sehr verschiednen Jahren, Verschiednem Kleid und Ruestung sind sie da; Du wirst nicht schlecht mit ihnen fahren. Es liebt sich jetzt ein jedes Kind Den Harnisch und den Ritterkragen; Und, allegorisch wie die Lumpe sind, Sie werden nur um desto mehr behagen. raufebold Wenn einer mir ins Auge sieht, Werd' ich ihm mit der Faust gleich in die Fresse fahren, Und eine Memme, wenn sie flieht, Fass' ich bei ihren letzten Haaren. habebald So leere Haendel, das sind Possen, Damit verdirbt man seinen Tag; Im Nehmen sei nur unverdrossen, Nach allem andern frag' hernach. haltefest Damit ist auch nicht viel gewonnen! Bald ist ein grosses Gut zerronnen, Es rauscht im Lebensstrom hinab. Zwar nehmen ist recht gut, doch besser ist's, behalten; Lass du den grauen Kerl nur walten, Und niemand nimmt dir etwas ab. Auf dem Vorgebirg obergeneral Noch immer scheint der Vorsatz wohlerwogen, Dass wir in dies gelegene Tal Das ganze Heer gedraengt zurueckgezogen; Ich hoffe fest, uns glueckt die Wahl. kaiser Wie es nun geht, es muss sich zeigen; Doch mich verdriesst die halbe Flucht, das Weichen. obergeneral Schau hier, mein Fuerst, auf unsre rechte Flanke! Solch ein Terrain wuenscht sich der Kriegsgedanke: Nicht steil die Huegel, doch nicht allzu gaenglich, Den Unsern vorteilhaft, dem Feind verfaenglich; Wir, halb versteckt, auf wellenfoermigem Plan; Die Reiterei, sie wagt sich nicht heran. kaiser Mir bleibt nichts uebrig, als zu loben; Hier kann sich Arm und Brust erproben. obergeneral Hier, auf der Mittelwiese flachen Raeumlichkeiten, Siehst du den Phalanx, wohlgemut zu streiten. Die Piken blinken flimmernd in der Luft, Im Sonnenglanz, durch Morgennebelduft. Wie dunkel wogt das maechtige Quadrat! Zu Tausenden glueht's hier auf grosse Tat. Du kannst daran die Masse Kraft erkennen, Ich trau' ihr zu, der Feinde Kraft zu trennen. kaiser Den schoenen Blick hab' ich zum erstenmal. Ein solches Heer gilt fuer die Doppelzahl. obergeneral Von unsrer Linken hab' ich nichts zu melden, Den starren Fels besetzen wackere Helden, Das Steingeklipp, das jetzt von Waffen blitzt, Den wichtigen Pass der engen Klause schuetzt. Ich ahne schon, hier scheitern Feindeskraefte Unvorgesehn im blutigen Geschaefte. kaiser Dort ziehn sie her, die falschen Anverwandten, Wie sie mich Oheim, Vetter, Bruder nannten, Sich immer mehr und wieder mehr erlaubten, Dem Zepter Kraft, dem Thron Verehrung raubten, Dann, unter sich entzweit, das Reich verheerten Und nun gesamt sich gegen mich empoerten. Die Menge schwankt im ungewissen Geist, Dann stroemt sie nach, wohin der Strom sie reisst. obergeneral Ein treuer Mann, auf Kundschaft ausgeschickt, Kommt eilig felsenab; sei's ihm geglueckt! erster kundschafter Gluecklich ist sie uns gelungen, Listig, mutig, unsre Kunst, Dass wir hin und her gedrungen; Doch wir bringen wenig Gunst. Viele schwoeren reine Huldigung Dir, wie manche treue Schar; Doch Untaetigkeits-Entschuldigung: Innere Gaerung, Volksgefahr. kaiser Sich selbst erhalten bleibt der Selbstsucht Lehre, Nicht Dankbarkeit und Neigung, Pflicht und Ehre. Bedenkt ihr nicht, wenn eure Rechnung voll, Dass Nachbars Hausbrand euch verzehren soll? obergeneral Der zweite kommt, nur langsam steigt er nieder, Dem mueden Manne zittern alle Glieder. zweiter kundschafter Erst gewahrten wir vergnueglich Wilden Wesens irren Lauf; Unerwartet, unverzueglich Trat ein neuer Kaiser auf. Und auf vorgeschriebnen Bahnen Zieht die Menge durch die Flur; Den entrollten Luegenfahnen Folgen alle. - Schafsnatur! kaiser Ein Gegenkaiser kommt mir zum Gewinn: Nun fuehl' ich erst, dass ich der Kaiser bin. Nur als Soldat legt' ich den Harnisch an, Zu hoeherm Zweck ist er nun umgetan. Bei jedem Fest, wenn's noch so glaenzend war, Nichts ward vermisst, mir fehlte die Gefahr. Wie ihr auch seid, zum Ringspiel rietet ihr, Mir schlug das Herz, ich atmete Turnier; Und haettet ihr mir nicht vom Kriegen abgeraten, Jetzt glaenzt' ich schon in lichten Heldentaten. Selbstaendig fuehlt' ich meine Brust besiegelt, Als ich mich dort im Feuerreich bespiegelt; Das Element drang graesslich auf mich los, Es war nur Schein, allein der Schein war gross. Von Sieg und Ruhm hab' ich verwirrt getraeumt; Ich bringe nach, was frevelhaft versaeumt. faust Wir treten auf und hoffen, ungescholten; Auch ohne Not hat Vorsicht wohl gegolten. Du weisst, das Bergvolk denkt und simuliert, Ist in Natur- und Felsenschrift studiert. Die Geister, laengst dem flachen Land entzogen, Sind mehr als sonst dem Felsgebirg gewogen. Sie wirken still durch labyrinthische Kluefte Im edlen Gas metallisch reicher Duefte; In stetem Sondern, Pruefen und Verbinden Ihr einziger Trieb ist, Neues zu erfinden. Mit leisem Finger geistiger Gewalten Erbauen sie durchsichtige Gestalten; Dann im Kristall und seiner ewigen Schweignis Erblicken sie der Oberwelt Ereignis. kaiser Vernommen hab' ich's, und ich glaube dir; Doch, wackrer Mann, sag an: was soll das hier? faust Der Nekromant von Norcia, der Sabiner, Ist dein getreuer, ehrenhafter Diener. Welch greulich Schicksal droht' ihm ungeheuer! Das Reisig prasselte, schon zuengelte das Feuer; Die trocknen Scheite, ringsumher verschraenkt, Mit Pech und Schwefelruten untermengt; Nicht Mensch, noch Gott, noch Teufel konnte retten, Die Majestaet zersprengte gluehende Ketten. Dort war's in Rom. Er bleibt dir hoch verpflichtet, Auf deinen Gang in Sorge stets gerichtet. Von jener Stund' an ganz vergass er sich, Er fragt den Stern, die Tiefe nur fuer dich. Er trug uns auf, als eiligstes Geschaefte, Bei dir zu stehn. Gross sind des Berges Kraefte; Da wirkt Natur so uebermaechtig frei, Der Pfaffen Stumpfsinn schilt es Zauberei. kaiser Am Freudentag, wenn wir die Gaeste gruessen, Die heiter kommen, heiter zu geniessen, Da freut uns jeder, wie er schiebt und draengt Und, Mann fuer Mann, der Saele Raum verengt. Doch hoechst willkommen muss der Biedre sein, Tritt er als Beistand kraeftig zu uns ein Zur Morgenstunde, die bedenklich waltet, Weil ueber ihr des Schicksals Waage schaltet. Doch lenket hier im hohen Augenblick Die starke Hand vom willigen Schwert zurueck, Ehrt den Moment, wo manche Tausend schreiten, Fuer oder wider mich zu streiten. Selbst ist der Mann! Wer Thron und Kron' begehrt, Persoenlich sei er solcher Ehren wert. Sei das Gespenst, das, gegen uns erstanden, Sich Kaiser nennt und Herr von unsern Landen, Des Heeres Herzog, Lehnherr unsrer Grossen, Mit eigner Faust ins Totenreich gestossen! faust Wie es auch sei, das Grosse zu vollenden, Du tust nicht wohl, dein Haupt so zu verpfaenden. Ist nicht der Helm mit Kamm und Busch geschmueckt? Er schuetzt das Haupt, das unsern Mut entzueckt. Was, ohne Haupt, was foerderten die Glieder? Denn schlaefert jenes, alle sinken nieder; Wird es verletzt, gleich alle sind verwundet, Erstehen frisch, wenn jenes rasch gesundet. Schnell weiss der Arm sein starkes Recht zu nuetzen; Er hebt den Schild, den Schaedel zu beschuetzen; Das Schwert gewahret seiner Pflicht sogleich, Lenkt kraeftig ab und wiederholt den Streich; Der tuechtige Fuss nimmt teil an ihrem Glueck, Setzt dem Erschlagnen frisch sich ins Genick. kaiser Das ist mein Zorn, so moecht' ich ihn behandeln, Das stolze Haupt in Schemeltritt verwandeln! herolde Wenig Ehre, wenig Geltung Haben wir daselbst genossen, Unsrer kraeftig edlen Meldung Lachten sie als schaler Possen: "Euer Kaiser ist verschollen, Echo dort im engen Tal; Wenn wir sein gedenken sollen, Maerchen sagt: - Es war einmal." faust Dem Wunsch gemaess der Besten ist's geschehn, Die fest und treu an deiner Seite stehn. Dort naht der Feind, die Deinen harren bruenstig; Befiehl den Angriff, der Moment ist guenstig. kaiser Auf das Kommando leist' ich hier Verzicht. In deinen Haenden, Fuerst, sei deine Pflicht. obergeneral So trete denn der rechte Fluegel an! Des Feindes Linke, eben jetzt im Steigen, Soll, eh' sie noch den letzten Schritt getan, Der Jungendkraft gepruefter Treue weichen. faust Erlaube denn, dass dieser muntre Held Sich ungesaeumt in deine Reihen stellt, Sich deinen Reihen innigst einverleibt Und, so gesellt, sein kraeftig Wesen treibt. raufebold Wer das Gesicht mir zeigt, der kehrt's nicht ab Als mit zerschlagnen Unter- und Oberbacken; Wer mir den Ruecken kehrt, gleich liegt ihm schlapp Hals, Kopf und Schopf hinschlotternd grass im Nacken. Und schlagen deine Maenner dann Mit Schwert und Kolben, wie ich wuete, So stuerzt der Feind, Mann ueber Mann, Ersaeuft im eigenen Gebluete. obergeneral Der Phalanx unsrer Mitte folge sacht, Dem Feind begegn' er, klug mit aller Macht; Ein wenig rechts, dort hat bereits, erbittert, Der Unsern Streitkraft ihren Plan erschuettert. faust So folge denn auch dieser deinem Wort! Er ist behend, reisst alles mit sich fort. habebald Dem Heldenmut der Kaiserscharen Soll sich der Durst nach Beute paaren; Und allen sei das Ziel gestellt: Des Gegenkaisers reiches Zelt. Er prahlt nicht lang auf seinem Sitze, Ich ordne mich dem Phalanx an die Spitze. eilebeute Bin ich auch ihm nicht angeweibt, Er mir der liebste Buhle bleibt. Fuer uns ist solch ein Herbst gereift! Die Frau ist grimmig, wenn sie greift, Ist ohne Schonung, wenn sie raubt; Im Sieg voran! und alles ist erlaubt. obergeneral Auf unsre Linke, wie vorauszusehn, Stuerzt ihre Rechte, kraeftig. Widerstehn Wird Mann fuer Mann dem wuetenden Beginnen, Den engen Pass des Felswegs zu gewinnen. faust So bitte, Herr, auch diesen zu bemerken; Es schadet nichts, wenn Starke sich verstaerken. haltefest Dem linken Fluegel keine Sorgen! Da, wo ich bin, ist der Besitz geborgen; In ihm bewaehret sich der Alte, Kein Strahlblitz spaltet, was ich halte. mephistopheles Nun schauet, wie im Hintergrunde Aus jedem zackigen Felsenschlunde Bewaffnete hervor sich draengen, Die schmalen Pfade zu verengen, Mit Helm und Harnisch, Schwertern, Schilden In unserm Ruecken eine Mauer bilden, Den Wink erwartend, zuzuschlagen. Woher das kommt, muesst ihr nicht fragen. Ich habe freilich nicht gesaeumt, Die Waffensaele ringsum ausgeraeumt; Da standen sie zu Fuss, zu Pferde, Als waeren sie noch Herrn der Erde; Sonst waren's Ritter, Koenig, Kaiser, Jetzt sind es nichts als leere Schneckenhaeuser; Gar manch Gespenst hat sich darein geputzt, Das Mittelalter lebhaft aufgestutzt. Welch Teufelchen auch drinne steckt, Fuer diesmal macht es doch Effekt. Hoert, wie sie sich voraus erbosen, Blechklappernd aneinander stossen! Auch flattern Fahnenfetzen bei Standarten, Die frischer Lueftchen ungeduldig harrten. Bedenkt, hier ist ein altes Volk bereit Und mischte gern sich auch zum neuen Streit. faust Der Horizont hat sich verdunkelt, Nur hie und da bedeutend funkelt Ein roter ahnungsvoller Schein; Schon blutig blinken die Gewehre; Der Fels, der Wald, die Atmosphaere, Der ganze Himmel mischt sich ein. mephistopheles Die rechte Flanke haelt sich kraeftig; Doch seh' ich ragend unter diesen Hans Raufbold, den behenden Riesen, Auf seine Weise rasch geschaeftig. kaiser Erst sah ich einen Arm erhoben, Jetzt seh' ich schon ein Dutzend toben; Naturgemaess geschieht es nicht. faust Vernahmst du nichts von Nebelstreifen, Die auf Siziliens Kuesten schweifen? Dort, schwankend klar, im Tageslicht, Erhoben zu den Mittellueften, Gespiegelt in besondern Dueften, Erscheint ein seltsames Gesicht: Da schwanken Staedte hin und wider, Da steigen Gaerten auf und nieder, Wie Bild um Bild den aether bricht. kaiser Doch wie bedenklich! Alle Spitzen Der hohen Speere seh' ich blitzen; Auf unsres Phalanx blanken Lanzen Seh' ich behende Flaemmchen tanzen. Das scheint mir gar zu geisterhaft. faust Verzeih, o Herr, das sind die Spuren Verschollner geistiger Naturen, Ein Widerschein der Dioskuren, Bei denen alle Schiffer schwuren; Sie sammeln hier die letzte Kraft. kaiser Doch sage: wem sind wir verpflichtet, Dass die Natur, auf uns gerichtet, Das Seltenste zusammenrafft? mephistopheles Wem als dem Meister, jenem hohen, Der dein Geschick im Busen traegt? Durch deiner Feinde starkes Drohen Ist er im Tiefsten aufgeregt. Sein Dank will dich gerettet sehen, Und sollt' er selbst daran vergehen. kaiser Sie jubelten, mich pomphaft umzufuehren; Ich war nun was, das wollt' ich auch probieren Und fand's gelegen, ohne viel zu denken, Dem weissen Barte kuehle Luft zu schenken. Dem Klerus hab' ich eine Lust verdorben, Und ihre Gunst mir freilich nicht erworben. Nun sollt' ich, seit so manchen Jahren, Die Wirkung frohen Tuns erfahren? faust Freiherzige Wohltat wuchert reich; Lass deinen Blick sich aufwaerts wenden! Mich deucht, er will ein Zeichen senden, Gib acht, es deutet sich sogleich. kaiser Ein Adler schwebt im Himmelhohen, Ein Greif ihm nach mit wildem Drohen. faust Gib acht: gar guenstig scheint es mir. Greif ist ein fabelhaftes Tier; Wie kann es sich so weit vergessen, Mit echtem Adler sich zu messen? kaiser Nunmehr, in weitgedehnten Kreisen, Umziehn sie sich; - in gleichem Nu Sie fahren aufeinander zu, Sich Brust und Haelse zu zerreissen. faust Nun merke, wie der leidige Greif, Zerzerrt, zerzaust, nur Schaden findet Und mit gesenktem Loewenschweif, Zum Gipfelwald gestuerzt, verschwindet. kaiser Sei's, wie gedeutet, so getan! Ich nehm' es mit Verwundrung an. mephistopheles Dringend wiederholten Streichen Muessen unsre Feinde weichen, Und mit ungewissem Fechten Draengen sie nach ihrer Rechten Und verwirren so im Streite Ihrer Hauptmacht linke Seite. Unsers Phalanx feste Spitze Zieht sich rechts, und gleich dem Blitze Faehrt sie in die schwache Stelle. - Nun, wie sturmerregte Welle Spruehend, wueten gleiche Maechte Wild in doppeltem Gefechte; Herrlichers ist nichts ersonnen, Uns ist diese Schlacht gewonnen! kaiser Schau! Mir scheint es dort bedenklich, Unser Posten steht verfaenglich. Keine Steine seh' ich fliegen, Niedre Felsen sind erstiegen, Obre stehen schon verlassen. Jetzt! - Der Feind, zu ganzen Massen Immer naeher angedrungen, Hat vielleicht den Pass errungen, Schlusserfolg unheiligen Strebens! Eure Kuenste sind vergebens. mephistopheles Da kommen meine beiden Raben, Was moegen die fuer Botschaft haben? Ich fuerchte gar, es geht uns schlecht. kaiser Was sollen diese leidigen Voegel? Sie richten ihre schwarzen Segel Hierher vom heissen Felsgefecht. mephistopheles Setzt euch ganz nah zu meinen Ohren. Wen ihr beschuetzt, ist nicht verloren, Denn euer Rat ist folgerecht. faust Von Tauben hast du ja vernommen, Die aus den fernsten Landen kommen Zu ihres Nestes Brut und Kost. Hier ist's mit wichtigen Unterschieden: Die Taubenpost bedient den Frieden, Der Krieg befiehlt die Rabenpost. mephistopheles Es meldet sich ein schwer Verhaengnis: Seht hin! gewahret die Bedraengnis Um unsrer Helden Felsenrand! Die naechsten Hoehen sind erstiegen, Und wuerden sie den Pass besiegen, Wir haetten einen schweren Stand. kaiser So bin ich endlich doch betrogen! Ihr habt mich in das Netz gezogen; Mir graut, seitdem es mich umstrickt. mephistopheles Nur Mut! Noch ist es nicht missglueckt. Geduld und Pfiff zum letzten Knoten! Gewoehnlich geht's am Ende scharf. Ich habe meine sichern Boten; Befehlt, dass ich befehlen darf! obergeneral Mit diesen hast du dich vereinigt, Mich hat's die ganze Zeit gepeinigt, Das Gaukeln schafft kein festes Glueck. Ich weiss nichts an der Schlacht zu wenden; Begannen sie's, sie moegen's enden, Ich gebe meinen Stab zurueck. kaiser Behalt ihn bis zu bessern Stunden, Die uns vielleicht das Glueck verleiht. Mir schaudert vor dem garstigen Kunden Und seiner Rabentraulichkeit. Den Stab kann ich dir nicht verleihen, Du scheinst mir nicht der rechte Mann; Befiehl und such uns zu befreien! Geschehe, was geschehen kann. mephistopheles Mag ihn der stumpfe Stab beschuetzen! Uns andern koennt' er wenig nuetzen, Es war so was vom Kreuz daran. faust Was ist zu tun? + mephistopheles Es ist getan! - Nun, schwarze Vettern, rasch im Dienen, Zum grossen Bergsee! gruesst mir die Undinen Und bittet sie um ihrer Fluten Schein. Durch Weiberkuenste, schwer zu kennen, Verstehen sie vom Sein den Schein zu trennen, Und jeder schwoert, das sei das Sein. faust Den Wasserfraeulein muessen unsre Raben Recht aus dem Grund geschmeichelt haben; Dort faengt es schon zu rieseln an. An mancher trocknen, kahlen Felsenstelle Entwickelt sich die volle, rasche Quelle; Um jener Sieg ist es getan. mephistopheles Das ist ein wunderbarer Gruss, Die kuehnsten Klettrer sind konfus. faust Schon rauscht ein Bach zu Baechen maechtig nieder, Aus Schluchten kehren sie gedoppelt wieder, Ein Strom nun wirft den Bogenstrahl; Auf einmal legt er sich in flache Felsenbreite Und rauscht und schaeumt nach der und jener Seite, Und stufenweise wirft er sich ins Tal. Was hilft ein tapfres, heldenmaessiges Stemmen? Die maechtige Woge stroemt, sie wegzuschwemmen. Mir schaudert selbst vor solchem wilden Schwall. mephistopheles Ich sehe nichts von diesen Wasserluegen, Nur Menschenaugen lassen sich betruegen, Und mich ergetzt der wunderliche Fall. Sie stuerzen fort zu ganzen Haufen, Die Narren waehnen zu ersaufen, Indem sie frei auf festem Lande schnaufen Und laecherlich mit Schwimmgebaerden laufen. Nun ist Verwirrung ueberall. Ich werd' euch bei dem hohen Meister loben; Wollt ihr euch nun als Meister selbst erproben, So eilet zu der gluehnden Schmiede, Wo das Gezwergvolk, nimmer muede, Metall und Stein zu Funken schlaegt. Verlangt, weitlaeufig sie beschwatzend, Ein Feuer, leuchtend, blinkend, platzend, Wie man's im hohen Sinne hegt. Zwar Wetterleuchten in der weiten Ferne, Blickschnelles Fallen allerhoechster Sterne Mag jede Sommernacht geschehn; Doch Wetterleuchten in verworrnen Bueschen Und Sterne, die am feuchten Boden zischen, Das hat man nicht so leicht gesehn. So muesst ihr, ohn' euch viel zu quaelen, Zuvoerderst bitten, dann befehlen. mephistopheles Den Feinden dichte Finsternisse! Und Tritt und Schritt ins Ungewisse! Irrfunkenblick an allen Enden, Ein Leuchten, ploetzlich zu verblenden! Das alles waere wunderschoen, Nun aber braucht's noch Schreckgetoen. faust Die hohlen Waffen aus der Saele Grueften Empfinden sich erstarkt in freien Lueften; Da droben klappert's, rasselt's lange schon, Ein wunderbarer falscher Ton. mephistopheles Ganz recht! Sie sind nicht mehr zu zuegeln; Schon schallt's von ritterlichen Pruegeln, Wie in der holden alten Zeit. Armschienen wie der Beine Schienen, Als Guelfen und als Ghibellinen, Erneuen rasch den ewigen Streit. Fest, im ererbten Sinne woehnlich, Erweisen sie sich unversoehnlich; Schon klingt das Tosen weit und breit. Zuletzt, bei allen Teufelsfesten, Wirkt der Parteihass doch zum besten, Bis in den allerletzten Graus; Schallt wider-widerwaertig panisch, Mitunter grell und scharf satanisch, Erschreckend in das Tal hinaus. Des Gegenkaisers Zelt eilebeute So sind wir doch die ersten hier! habebald Kein Rabe fliegt so schnell als wir. eilebeute O! welch ein Schatz liegt hier zuhauf! Wo fang' ich an? Wo hoer' ich auf? habebald Steht doch der ganze Raum so voll! Weiss nicht, wozu ich greifen soll. eilebeute Der Teppich waer' mir eben recht, Mein Lager ist oft gar zu schlecht. habebald Hier haengt von Stahl ein Morgenstern, Dergleichen haett' ich lange gern. eilebeute Den roten Mantel goldgesaeumt, So etwas hatt' ich mir getraeumt. habebald Damit ist es gar bald getan, Man schlaegt ihn tot und geht voran. Du hast so viel schon aufgepackt Und doch nichts Rechtes eingesackt. Den Plunder lass an seinem Ort, Nehm' eines dieser Kistchen fort! Dies ist des Heers beschiedner Sold, In seinem Bauche lauter Gold. eilebeute Das hat ein moerderisch Gewicht! Ich heb' es nicht, ich trag' es nicht. habebald Geschwinde duck' dich! Musst dich buecken! Ich hucke dir's auf den starken Ruecken. eilebeute O weh! O weh, nun ist's vorbei! Die Last bricht mir das Kreuz entzwei. habebald Da liegt das rote Gold zuhauf - Geschwinde zu und raff es auf! eilebeute Geschwinde nur zum Schoss hinein! Noch immer wird's zur Gnuege sein. habebald Und so genug! und eile doch! O weh, die Schuerze hat ein Loch! Wohin du gehst und wo du stehst, Verschwenderisch die Schaetze saest. trabanten unsers kaisers Was schafft ihr hier am heiligen Platz? Was kramt ihr in dem Kaiserschatz? habebald Wir trugen unsre Glieder feil Und holen unser Beuteteil. In Feindeszelten ist's der Brauch, Und wir, Soldaten sind wir auch. trabanten Das passet nicht in unsern Kreis: Zugleich Soldat und Diebsgeschmeiss; Und wer sich unserm Kaiser naht, Der sei ein redlicher Soldat. habebald Die Redlichkeit, die kennt man schon, Sie heisset: Kontribution. Ihr alle seid auf gleichem Fuss: Gib her! das ist der Handwerksgruss. Mach fort und schleppe, was du hast, Hier sind wir nicht willkommner Gast. erster trabant Sag, warum gabst du nicht sogleich Dem frechen Kerl einen Backenstreich? zweiter Ich weiss nicht, mir verging die Kraft, Sie waren so gespensterhaft. dritter Mir ward es vor den Augen schlecht, Da flimmert' es, ich sah nicht recht. vierter Wie ich es nicht zu sagen weiss: Es war den ganzen Tag so heiss, So baenglich, so beklommen schwuel, Der eine stand, der andre fiel, Man tappte hin und schlug zugleich, Der Gegner fiel vor jedem Streich, Vor Augen schwebt' es wie ein Flor, Dann summt's und saust's und zischt' im Ohr; Das ging so fort, nun sind wir da Und wissen selbst nicht, wie's geschah. kaiser Es sei nun, wie ihm sei! uns ist die Schlacht gewonnen, Des Feinds zerstreute Flucht im flachen Feld zerronnen. Hier steht der leere Thron, verraeterischer Schatz, Von Teppichen umhuellt, verengt umher den Platz. Wir, ehrenvoll geschuetzt von eigenen Trabanten, Erwarten kaiserlich der Voelker Abgesandten; Von allen Seiten her kommt frohe Botschaft an: Beruhigt sei das Reich, uns freudig zugetan. Hat sich in unsern Kampf auch Gaukelei geflochten, Am Ende haben wir uns nur allein gefochten. Zufaelle kommen ja dem Streitenden zugut: Vom Himmel faellt ein Stein, dem Feinde regnet's Blut, Aus Felsenhoehlen toent's von maechtigen Wunderklaengen, Die unsre Brust erhoehn, des Feindes Brust verengen. Der ueberwundne fiel, zu stets erneutem Spott, Der Sieger, wie er prangt, preist den gewognen Gott. Und alles stimmt mit ein, er braucht nicht zu befehlen, Herr Gott, dich loben wir! aus Millionen Kehlen. Jedoch zum hoechsten Preis wend' ich den frommen Blick, Das selten sonst geschah, zur eignen Brust zurueck. Ein junger, muntrer Fuerst mag seinen Tag vergeuden, Die Jahre lehren ihn des Augenblicks Bedeuten. Deshalb denn ungesaeumt verbind' ich mich sogleich Mit euch vier Wuerdigen, fuer Haus und Hof und Reich. Dein war, o Fuerst! des Heers geordnet kluge Schichtung, Sodann im Hauptmoment heroisch kuehne Richtung; Im Frieden wirke nun, wie es die Zeit begehrt, Erzmarschall nenn' ich dich, verleihe dir das Schwert. erzmarschall Dein treues Heer, bis jetzt im Inneren beschaeftigt, Wenn's an der Grenze dich und deinen Thron bekraeftigt, Dann sei es uns vergoennt, bei Festesdrang im Saal Geraeumiger Vaeterburg zu ruesten dir das Mahl. Blank trag' ich's dir dann vor, blank halt' ich dir's zur Seite, Der hoechsten Majestaet zu ewigem Geleite. kaiser Der sich als tapfrer Mann auch zart gefaellig zeigt, Du! sei Erzkaemmerer; der Auftrag ist nicht leicht. Du bist der Oberste von allem Hausgesinde, Bei deren innerm Streit ich schlechte Diener finde; Dein Beispiel sei fortan in Ehren aufgestellt, Wie man dem Herrn, dem Hof und allen wohlgefaellt. erzkaemmerer Des Herren grossen Sinn zu foerdern, bringt zu Gnaden: Den Besten huelfreich sein, den Schlechten selbst nicht schaden, Dann klar sein ohne List und ruhig ohne Trug! Wenn du mich, Herr, durchschaust, geschieht mir schon genug. Darf sich die Phantasie auf jenes Fest erstrecken? Wenn du zur Tafel gehst, reich' ich das goldne Becken, Die Ringe halt' ich dir, damit zur Wonnezeit Sich deine Hand erfrischt, wie mich dein Blick erfreut. kaiser Zwar fuehl' ich mich zu ernst, auf Festlichkeit zu sinnen, Doch sei's! Es foerdert auch frohmuetiges Beginnen. Dich waehl' ich zum Erztruchsess! Also sei fortan Dir Jagd, Gefluegelhof und Vorwerk untertan; Der Lieblingsspeisen Wahl lass mir zu allen Zeiten, Wie sie der Monat bringt, und sorgsam zubereiten. erztruchsess Streng Fasten sei fuer mich die angenehmste Pflicht, Bis, vor dich hingestellt, dich freut ein Wohlgericht. Der Kueche Dienerschaft soll sich mit mir vereinigen, Das Ferne beizuziehn, die Jahrszeit zu beschleunigen. Dich reizt nicht Fern und Frueh, womit die Tafel prangt, Einfach und kraeftig ist's, wornach dein Sinn verlangt. kaiser Weil unausweichlich hier sich's nur von Festen handelt, So sei mir, junger Held, zum Schenken umgewandelt. Erzschenke, sorge nun, dass unsre Kellerei Aufs reichlichste versorgt mit gutem Weine sei. Du selbst sei maessig, lass nicht ueber Heiterkeiten Durch der Gelegenheit Verlocken dich verleiten! erzschenk Mein Fuerst, die Jugend selbst, wenn man ihr nur vertraut, Steht, eh' man sich's versieht, zu Maennern auferbaut. Auch ich versetze mich zu jenem grossen Feste; Ein kaiserlich Buefett schmueck' ich aufs allerbeste Mit Prachtgefaessen, guelden, silbern allzumal, Doch waehl' ich dir voraus den lieblichsten Pokal: Ein blank venedisch Glas, worin Behagen lauschet, Des Weins Geschmack sich staerkt und nimmermehr berauschet. Auf solchen Wunderschatz vertraut man oft zu sehr; Doch deine Maessigkeit, du Hoechster, schuetzt noch mehr. kaiser Was ich euch zugedacht in dieser ernsten Stunde, Vernahmt ihr mit Vertraun aus zuverlaessigem Munde. Des Kaisers Wort ist gross und sichert jede Gift, Doch zur Bekraeftigung bedarf's der edlen Schrift, Bedarf's der Signatur. Die foermlich zu bereiten, Seh' ich den rechten Mann zu rechter Stunde schreiten. kaiser Wenn ein Gewoelbe sich dem Schlussstein anvertraut, Dann ist's mit Sicherheit fuer ewige Zeit erbaut. Du siehst vier Fuersten da! Wir haben erst eroertert, Was den Bestand zunaechst von Haus und Hof befoerdert. Nun aber, was das Reich in seinem Ganzen hegt, Sei, mit Gewicht und Kraft, der Fuenfzahl auferlegt. An Laendern sollen sie vor allen andern glaenzen; Deshalb erweitr' ich gleich jetzt des Besitztums Grenzen Vom Erbteil jener, die sich von uns abgewandt. Euch Treuen sprech' ich zu so manches schoene Land, Zugleich das hohe Recht, euch nach Gelegenheiten Durch Anfall, Kauf und Tausch ins Weitre zu verbreiten; Dann sei bestimmt - vergoennt, zu ueben ungestoert - , Was von Gerechtsamen euch Landesherrn gehoert. Als Richter werdet ihr die Endurteile faellen, Berufung gelte nicht von euern hoechsten Stellen. Dann Steuer, Zins und Beth', Lehn und Geleit und Zoll, Berg-, Salz- und Muenzregal euch angehoeren soll. Denn meine Dankbarkeit vollgueltig zu erproben, Hab ich euch ganz zunaechst der Majestaet erhoben. erzbischof Im Namen aller sei dir tiefster Dank gebracht! Du machst uns stark und fest und staerkest deine Macht. kaiser Euch fuenfen will ich noch erhoehtere Wuerde geben. Noch leb' ich meinem Reich und habe Lust, zu leben; Doch hoher Ahnen Kette zieht bedaechtigen Blick Aus rascher Strebsamkeit ins Drohende zurueck. Auch werd' ich seinerzeit mich von den Teuren trennen, Dann sei es eure Pflicht, den Folger zu ernennen. Gekroent erhebt ihn hoch auf heiligem Altar, Und friedlich ende dann, was jetzt so stuermisch war. erzkanzler Mit Stolz in tiefster Brust, mit Demut an Gebaerde, Stehn Fuersten dir gebeugt, die ersten auf der Erde. Solang das treue Blut die vollen Adern regt, Sind wir der Koerper, den dein Wille leicht bewegt. kaiser Und also sei, zum Schluss, was wir bisher betaetigt, Fuer alle Folgezeit durch Schrift und Zug bestaetigt. Zwar habt ihr den Besitz als Herren voellig frei, Mit dem Beding jedoch, dass er unteilbar sei. Und wie ihr auch vermehrt, was ihr von uns empfangen, Es soll's der aeltste Sohn in gleichem Mass erlangen. erzkanzler Dem Pergament alsbald vertrau' ich wohlgemut, Zum Glueck dem Reich und uns, das wichtigste Statut; Reinschrift und Sieglung soll die Kanzelei beschaeftigen, Mit heiliger Signatur wirst du's, der Herr, bekraeftigen. kaiser Und so entlass' ich euch, damit den grossen Tag Gesammelt jedermann sich ueberlegen mag. der geistliche Der Kanzler ging hinweg, der Bischof ist geblieben, Vom ernsten Warnegeist zu deinem Ohr getrieben! Sein vaeterliches Herz, von Sorge bangt's um dich. kaiser Was hast du Baengliches zur frohen Stunde? sprich! erzbischof Mit welchem bittern Schmerz find' ich, in dieser Stunde, Dein hochgeheiligt Haupt mit Satanas im Bunde! Zwar, wie es scheinen will, gesichert auf dem Thron, Doch leider! Gott dem Herrn, dem Vater Papst zum Hohn. Wenn dieser es erfaehrt, schnell wird er straeflich richten, Mit heiligem Strahl dein Reich, das suendige, zu vernichten. Denn noch vergass er nicht, wie du, zur hoechsten Zeit, An deinem Kroenungstag, den Zauberer befreit. Von deinem Diadem, der Christenheit zum Schaden, Traf das verfluchte Haupt der erste Strahl der Gnaden. Doch schlag an deine Brust und gib vom frevlen Glueck Ein maessig Scherflein gleich dem Heiligtum zurueck: Den breiten Huegelraum, da, wo dein Zelt gestanden, Wo boese Geister sich zu deinem Schutz verbanden, Dem Luegenfuersten du ein horchsam Ohr geliehn, Den stifte, fromm belehrt, zu heiligem Bemuehn; Mit Berg und dichtem Wald, so weit sie sich erstrecken, Mit Hoehen, die sich gruen zu fetter Weide decken, Fischreichen, klaren Seen, dann Baechlein ohne Zahl, Wie sie sich, eilig schlaengelnd, stuerzen ab zu Tal; Das breite Tal dann selbst, mit Wiesen, Gauen, Gruenden: Die Reue spricht sich aus, und du wirst Gnade finden. kaiser Durch meinen schweren Fehl bin ich so tief erschreckt; Die Grenze sei von dir nach eignem Mass gesteckt. erzbischof Erst! der entweihte Raum, wo man sich so versuendigt, Sei alsobald zum Dienst des Hoechsten angekuendigt. Behende steigt im Geist Gemaeuer stark empor, Der Morgensonne Blick erleuchtet schon das Chor, Zum Kreuz erweitert sich das wachsende Gebaeude, Das Schiff erlaengt, erhoeht sich zu der Glaeubigen Freude; Sie stroemen bruenstig schon durchs wuerdige Portal, Der erste Glockenruf erscholl durch Berg und Tal, Von hohen Tuermen toent's, wie sie zum Himmel streben, Der Buesser kommt heran zu neugeschaffnem Leben. Dem hohen Weihetag - er trete bald herein! - Wird deine Gegenwart die hoechste Zierde sein. kaiser Mag ein so grosses Werk den frommen Sinn verkuendigen, Zu preisen Gott den Herrn, so wie mich zu entsuendigen. Genug! Ich fuehle schon, wie sich mein Sinn erhoeht. erzbischof Als Kanzler foerdr' ich nun Schluss und Formalitaet. kaiser Ein foermlich Dokument, der Kirche das zu eignen, Du legst es vor, ich will's mit Freuden unterzeichnen. erzbischof Dann widmest du zugleich dem Werke, wie's entsteht, Gesamte Landsgefaelle: Zehnten, Zinsen, Beth', Fuer ewig. Viel bedarf's zu wuerdiger Unterhaltung, Und schwere Kosten macht die sorgliche Verwaltung. Zum schnellen Aufbau selbst auf solchem wuesten Platz Reichst du uns einiges Gold, aus deinem Beuteschatz. Daneben braucht man auch, ich kann es nicht verschweigen, Entferntes Holz und Kalk und Schiefer und dergleichen. Die Fuhren tut das Volk, vom Predigtstuhl belehrt, Die Kirche segnet den, der ihr zu Diensten faehrt. kaiser Die Suend' ist gross und schwer, womit ich mich beladen; Das leidige Zaubervolk bringt mich in harten Schaden. erzbischof Verzeih, o Herr! Es ward dem sehr verrufnen Mann Des Reiches Strand verliehn; doch diesen trifft der Bann, Verleihst du reuig nicht der hohen Kirchenstelle Auch dort den Zehnten, Zins und Gaben und Gefaelle. kaiser Das Land ist noch nicht da, im Meer liegt es breit. erzbischof Wer 's Recht hat und Geduld, fuer den kommt auch die Zeit. Fuer uns moeg' Euer Wort in seinen Kraeften bleiben! kaiser So koennt' ich wohl zunaechst das ganze Reich verschreiben. 5. Akt Offene Gegend wandrer Ja! sie sind's, die dunkeln Linden, Dort, in ihres Alters Kraft. Und ich soll sie wiederfinden, Nach so langer Wanderschaft! Ist es doch die alte Stelle, Jene Huette, die mich barg, Als die sturmerregte Welle Mich an jene Duenen warf! Meine Wirte moecht' ich segnen, Hilfsbereit, ein wackres Paar, Das, um heut mir zu begegnen, Alt schon jener Tage war. Ach! das waren fromme Leute! Poch' ich? ruf' ich? - Seid gegruesst, Wenn gastfreundlich auch noch heute Ihr des Wohltuns Glueck geniesst! baucis Lieber Koemmling! Leise! Leise! Ruhe! lass den Gatten ruhn! Langer Schlaf verleiht dem Greise Kurzen Wachens rasches Tun. wandrer Sage, Mutter: bist du's eben, Meinen Dank noch zu empfahn, Was du fuer des Juenglings Leben Mit dem Gatten einst getan? Bist du Baucis, die geschaeftig Halberstorbnen Mund erquickt? Du Philemon, der so kraeftig Meinen Schatz der Flut entrueckt? Eure Flammen raschen Feuers, Eures Gloeckchens Silberlaut, Jenes grausen Abenteuers Loesung war euch anvertraut. Und nun lasst hervor mich treten, Schaun das grenzenlose Meer; Lasst mich knieen, lasst mich beten, Mich bedraengt die Brust so sehr. philemon Eile nur, den Tisch zu decken, Wo's im Gaertchen munter blueht. Lass ihn rennen, ihn erschrecken, Denn er glaubt nicht, was er sieht. Das Euch grimmig missgehandelt, Wog' auf Woge, schaeumend wild, Seht als Garten Ihr behandelt, Seht ein paradiesisch Bild. aelter, war ich nicht zuhanden, Huelfreich nicht wie sonst bereit; Und wie meine Kraefte schwanden, War auch schon die Woge weit. Kluger Herren kuehne Knechte Gruben Graeben, daemmten ein, Schmaelerten des Meeres Rechte, Herrn an seiner Statt zu sein. Schaue gruenend Wies' an Wiese, Anger, Garten, Dorf und Wald. - Komm nun aber und geniesse, Denn die Sonne scheidet bald. - Dort im Fernsten ziehen Segel, Suchen naechtlich sichern Port. Kennen doch ihr Nest die Voegel; Denn jetzt ist der Hafen dort. So erblickst du in der Weite Erst des Meeres blauen Saum, Rechts und links, in aller Breite, Dichtgedraengt bewohnten Raum. baucis Bleibst du stumm? und keinen Bissen Bringst du zum verlechzten Mund? philemom Moecht' er doch vom Wunder wissen; Sprichst so gerne, tu's ihm kund. baucis Wohl! ein Wunder ist's gewesen! Laesst mich heut noch nicht in Ruh; Denn es ging das ganze Wesen Nicht mit rechten Dingen zu. philemon Kann der Kaiser sich versuend'gen, Der das Ufer ihm verliehn? Taet's ein Herold nicht verkuend'gen Schmetternd im Vorueberziehn? Nicht entfernt von unsern Duenen Ward der erste Fuss gefasst, Zelte, Huetten! - Doch im Gruenen Richtet bald sich ein Palast. baucis Tags umsonst die Knechte laermten, Hack' und Schaufel, Schlag um Schlag; Wo die Flaemmchen naechtig schwaermten, Stand ein Damm den andern Tag. Menschenopfer mussten bluten, Nachts erscholl des Jammers Qual; Meerab flossen Feuergluten, Morgens war es ein Kanal. Gottlos ist er, ihn geluestet Unsre Huette, unser Hain; Wie er sich als Nachbar bruestet, Soll man untertaenig sein. philemom Hat er uns doch angeboten Schoenes Gut im neuen Land! baucis Traue nicht dem Wasserboden, Halt auf deiner Hoehe stand! philemon Lasst uns zur Kapelle treten, Letzten Sonnenblick zu schaun! Lasst uns laeuten, knieen, beten Und dem alten Gott vertraun! Palast lynkeus der tuermer Die Sonne sinkt, die letzten Schiffe, Sie ziehen munter hafenein. Ein grosser Kahn ist im Begriffe, Auf dem Kanale hier zu sein. Die bunten Wimpel wehen froehlich, Die starren Masten stehn bereit; In dir preist sich der Bootsmann selig, Dich gruesst das Glueck zur hoechsten Zeit. faust Verdammtes Laeuten! Allzuschaendlich Verwundet's, wie ein tueckischer Schuss; Vor Augen ist mein Reich unendlich, Im Ruecken neckt mich der Verdruss, Erinnert mich durch neidische Laute: Mein Hochbesitz, er ist nicht rein, Der Lindenraum, die braune Baute, Das morsche Kirchlein ist nicht mein. Und wuenscht' ich, dort mich zu erholen, Vor fremdem Schatten schaudert mir, Ist Dorn den Augen, Dorn den Sohlen; O! waer' ich weit hinweg von hier! tuermer Wie segelt froh der bunte Kahn Mit frischem Abendwind heran! Wie tuermt sich sein behender Lauf In Kisten, Kasten, Saecken auf! chorus Da landen wir, Da sind wir schon. Glueckan dem Herren, Dem Patron! mephistopheles So haben wir uns wohl erprobt, Vergnuegt, wenn der Patron es lobt. Nur mit zwei Schiffen ging es fort, Mit zwanzig sind wir nun im Port. Was grosse Dinge wir getan, Das sieht man unsrer Ladung an. Das freie Meer befreit den Geist, Wer weiss da, was Besinnen heisst! Da foerdert nur ein rascher Griff, Man faengt den Fisch, man faengt ein Schiff, Und ist man erst der Herr zu drei, Dann hakelt man das vierte bei; Da geht es denn dem fuenften schlecht, Man hat Gewalt, so hat man Recht. Man fragt ums Was, und nicht ums Wie. Ich muesste keine Schiffahrt kennen: Krieg, Handel und Piraterie, Dreieinig sind sie, nicht zu trennen. die drei gewaltigen gesellen Nicht Dank und Gruss! Nicht Gruss und Dank! Als braechten wir Dem Herrn Gestank. Er macht ein Widerlich Gesicht; Das Koenigsgut Gefaellt ihm nicht. mephistopheles Erwartet weiter Keinen Lohn! Nahmt ihr doch Euren Teil davon. die gesellen Das ist nur fuer Die Langeweil'; Wir alle fordern Gleichen Teil. mephistopheles Erst ordnet oben Saal an Saal Die Kostbarkeiten Allzumal! Und tritt er zu Der reichen Schau, Berechnet er alles Mehr genau, Er sich gewiss Nicht lumpen laesst Und gibt der Flotte Fest nach Fest. Die bunten Voegel kommen morgen, Fuer die werd' ich zum besten sorgen. mephistopheles Mit ernster Stirn, mit duestrem Blick Vernimmst du dein erhaben Glueck. Die hohe Weisheit wird gekroent, Das Ufer ist dem Meer versoehnt; Vom Ufer nimmt, zu rascher Bahn, Das Meer die Schiffe willig an; So sprich, dass hier, hier vom Palast Dein Arm die ganze Welt umfasst. Von dieser Stelle ging es aus, Hier stand das erste Bretterhaus; Ein Graebchen ward hinabgeritzt, Wo jetzt das Ruder emsig spritzt. Dein hoher Sinn, der Deinen Fleiss Erwarb des Meers, der Erde Preis. Von hier aus - + faust Das verfluchte Hier! Das eben, leidig lastet's mir. Dir Vielgewandtem muss ich's sagen, Mir gibt's im Herzen Stich um Stich, Mir ist's unmoeglich zu ertragen! Und wie ich's sage, schaem' ich mich. Die Alten droben sollten weichen, Die Linden wuenscht' ich mir zum Sitz, Die wenig Baeume, nicht mein eigen, Verderben mir den Weltbesitz. Dort wollt' ich, weit umherzuschauen, Von Ast zu Ast Gerueste bauen, Dem Blick eroeffnen weite Bahn, Zu sehn, was alles ich getan, Zu ueberschaun mit einem Blick Des Menschengeistes Meisterstueck, Betaetigend mit klugem Sinn Der Voelker breiten Wohngewinn. So sind am haertsten wir gequaelt, Im Reichtum fuehlend, was uns fehlt. Des Gloeckchens Klang, der Linden Duft Umfaengt mich wie in Kirch' und Gruft. Des allgewaltigen Willens Kuer Bricht sich an diesem Sande hier. Wie schaff' ich mir es vom Gemuete! Das Gloecklein laeutet, und ich wuete. mephistopheles Natuerlich! dass ein Hauptverdruss Das Leben dir vergaellen muss. Wer leugnet's! Jedem edlen Ohr Kommt das Geklingel widrig vor. Und das verfluchte Bim-Baum-Bimmel, Umnebelnd heitern Abendhimmel, Mischt sich in jegliches Begebnis, Vom ersten Bad bis zum Begraebnis, Als waere zwischen Bim und Baum Das Leben ein verschollner Traum. faust Das Widerstehn, der Eigensinn Verkuemmern herrlichsten Gewinn, Dass man, zu tiefer, grimmiger Pein, Ermueden muss, gerecht zu sein. mephistopheles Was willst du dich denn hier genieren? Musst du nicht laengst kolonisieren? faust So geht und schafft sie mir zur Seite! - Das schoene Guetchen kennst du ja, Das ich den Alten ausersah. mephistopheles Man traegt sie fort und setzt sie nieder, Eh' man sich umsieht, stehn sie wieder; Nach ueberstandener Gewalt Versoehnt ein schoener Aufenthalt. mephistopheles Kommt, wie der Herr gebieten laesst! Und morgen gibt's ein Flottenfest. die drei Der alte Herr empfing uns schlecht, Ein flottes Fest ist uns zu Recht. mephistopheles Auch hier geschieht, was laengst geschah, Denn Naboths Weinberg war schon da. ((regum i,21)) Tiefe Nacht lynkeus der tuermer Zum Sehen geboren, Zum Schauen bestellt, Dem Turme geschworen, Gefaellt mir die Welt. Ich blick' in die Ferne, Ich seh' in der Naeh' Den Mond und die Sterne, Den Wald und das Reh. So seh' ich in allen Die ewige Zier, Und wie mir's gefallen, Gefall' ich auch mir. Ihr gluecklichen Augen, Was je ihr gesehn, Es sei wie es wolle, Es war doch so schoen! Nicht allein mich zu ergetzen, Bin ich hier so hoch gestellt; Welch ein greuliches Entsetzen Droht mir aus der finstern Welt! Funkenblicke seh' ich spruehen Durch der Linden Doppelnacht, Immer staerker wuehlt ein Gluehen, Von der Zugluft angefacht. Ach! die innre Huette lodert, Die bemoost und feucht gestanden; Schnelle Huelfe wird gefordert, Keine Rettung ist vorhanden. Ach! die guten alten Leute, Sonst so sorglich um das Feuer, Werden sie dem Qualm zur Beute! Welch ein schrecklich Abenteuer! Flamme flammet, rot in Gluten Steht das schwarze Moosgestelle; Retteten sich nur die Guten Aus der wildentbrannten Hoelle! Zuengelnd lichte Blitze steigen Zwischen Blaettern, zwischen Zweigen; aeste duerr, die flackernd brennen, Gluehen schnell und stuerzen ein. Sollt ihr Augen dies erkennen! Muss ich so weitsichtig sein! Das Kapellchen bricht zusammen Von der aeste Sturz und Last. Schlaengelnd sind, mit spitzen Flammen, Schon die Gipfel angefasst. Bis zur Wurzel gluehn die hohlen Staemme, purpurrot im Gluehn. - Was sich sonst dem Blick empfohlen, Mit Jahrhunderten ist hin. faust Von oben welch ein singend Wimmern? Das Wort ist hier, der Ton zu spat. Mein Tuermer jammert; mich, im Innern, Verdriesst die ungeduld'ge Tat. Doch sei der Lindenwuchs vernichtet Zu halbverkohlter Staemme Graun, Ein Luginsland ist bald errichtet, Um ins Unendliche zu schaun. Da seh' ich auch die neue Wohnung, Die jenes alte Paar umschliesst, Das, im Gefuehl grossmuetiger Schonung, Der spaeten Tage froh geniesst. mephistopheles und die dreie Da kommen wir mit vollem Trab; Verzeiht! es ging nicht guetlich ab. Wir klopften an, wir pochten an, Und immer ward nicht aufgetan; Wir ruettelten, wir pochten fort, Da lag die morsche Tuere dort; Wir riefen laut und drohten schwer, Allein wir fanden kein Gehoer. Und wie's in solchem Fall geschicht, Sie hoerten nicht, sie wollten nicht; Wir aber haben nicht gesaeumt, Behende dir sie weggeraeumt. Das Paar hat sich nicht viel gequaelt, Vor Schrecken fielen sie entseelt. Ein Fremder, der sich dort versteckt Und fechten wollte, ward gestreckt. In wilden Kampfes kurzer Zeit Von Kohlen, ringsumher gestreut, Entflammte Stroh. Nun lodert's frei, Als Scheiterhaufen dieser drei. faust Ward ihr fuer meine Worte taub? Tausch wollt' ich, wollte keinen Raub. Dem unbesonnenen wilden Streich, Ihm fluch' ich; teilt es unter euch! chorus Das alte Wort, das Wort erschallt: Gehorche willig der Gewalt! Und bist du kuehn und haelst du Stich, So wage Haus und Hof und - dich. faust Die Sterne bergen Blick und Schein, Das Feuer sinkt und lodert klein; Ein Schauerwindchen faechelt's an, Bringt Rauch und Dunst zu mir heran. Geboten schnell, zu schnell getan! - Was schwebet schattenhaft heran? Mitternacht erste Ich heisse der Mangel. + zweite Ich heisse die Schuld. dritte Ich heisse die Sorge. + vierte Ich heisse die Not. zu drei Die Tuer ist verschlossen, wir koennen nicht ein; Drin wohnet ein Reicher, wir moegen nicht 'nein. mangel Da werd' ich zum Schatten. + schuld Da werd' ich zunicht. not Man wendet von mir das verwoehnte Gesicht. sorge Ihr Schwestern, ihr koennt nicht und duerft nicht hinein. Die Sorge, sie schleicht sich durchs Schluesselloch ein. mangel Ihr, graue Geschwister, entfernt euch von hier. schuld Ganz nah an der Seite verbind' ich mich dir. not Ganz nah an der Ferse begleitet die Not. zu drei Es ziehen die Wolken, es schwinden die Sterne! Dahinten, dahinten! von ferne, von ferne, Da kommt er, der Bruder, da kommt er, der - - - Tod. faust Vier sah ich kommen, drei nur gehn; Den Sinn der Rede konnt' ich nicht verstehn. Es klang so nach, als hiess' es - Not, Ein duestres Reimwort folgte - Tod. Es toente hohl, gespensterhaft gedaempft. Noch hab' ich mich ins Freie nicht gekaempft. Koennt' ich Magie von meinem Pfad entfernen, Die Zaubersprueche ganz und gar verlernen, Stuend' ich, Natur, vor dir ein Mann allein, Da waer's der Muehe wert, ein Mensch zu sein. Das war ich sonst, eh' ich's im Duestern suchte, Mit Frevelwort mich und die Welt verfluchte. Nun ist die Luft von solchem Spuk so voll, Dass niemand weiss, wie er ihn meiden soll. Wenn auch ein Tag uns klar vernuenftig lacht, In Traumgespinst verwickelt uns die Nacht; Wir kehren froh von junger Flur zurueck, Ein Vogel kraechzt; was kraechzt er? Missgeschick. Von Aberglauben frueh und spat umgarnt: Es eignet sich, es zeigt sich an, es warnt. Und so verschuechtert, stehen wir allein. Die Pforte knarrt, und niemand kommt herein. Ist jemand hier? + sorge Die Frage fordert Ja! faust Und du, wer bist denn du? + sorge Bin einmal da. faust Entferne dich! + sorge Ich bin am rechten Ort. faust Nimm dich in acht und sprich kein Zauberwort. sorge Wuerde mich kein Ohr vernehmen, Muesst' es doch im Herzen droehnen; In verwandelter Gestalt ueb' ich grimmige Gewalt. Auf den Pfaden, auf der Welle, Ewig aengstlicher Geselle, Stets gefunden, nie gesucht, So geschmeichelt wie verflucht. - Hast du die Sorge nie gekannt? faust Ich bin nur durch die Welt gerannt; Ein jed' Geluest ergriff ich bei den Haaren, Was nicht genuegte, liess ich fahren, Was mir entwischte, liess ich ziehn. Ich habe nur begehrt und nur vollbracht Und abermals gewuenscht und so mit Macht Mein Leben durchgestuermt; erst gross und maechtig, Nun aber geht es weise, geht bedaechtig. Der Erdenkreis ist mir genug bekannt, Nach drueben ist die Aussicht uns verrannt; Tor, wer dorthin die Augen blinzelnd richtet, Sich ueber Wolken seinesgleichen dichtet! Er stehe fest und sehe hier sich um; Dem Tuechtigen ist diese Welt nicht stumm. Was braucht er in die Ewigkeit zu schweifen! Was er erkennt, laesst sich ergreifen. Er wandle so den Erdentag entlang; Wenn Geister spuken, geh' er seinen Gang, Im Weiterschreiten find' er Qual und Glueck, Er, unbefriedigt jeden Augenblick! sorge Wen ich einmal besitze, Dem ist alle Welt nichts nuetze; Ewiges Duestre steigt herunter, Sonne geht nicht auf noch unter, Bei vollkommnen aeussern Sinnen Wohnen Finsternisse drinnen, Und er weiss von allen Schaetzen Sich nicht in Besitz zu setzen. Glueck und Unglueck wird zur Grille, Er verhungert in der Fuelle; Sei es Wonne, sei es Plage, Schieb er's zu dem andern Tage, Ist der Zukunft nur gewaertig, Und so wird er niemals fertig. faust Hoer auf! so kommst du mir nicht bei! Ich mag nicht solchen Unsinn hoeren. Fahr hin! die schlechte Litanei, Sie koennte selbst den kluegsten Mann betoeren. sorge Soll er gehen, soll er kommen? Der Entschluss ist ihm genommen; Auf gebahnten Weges Mitte Wankt er tastend halbe Schritte. Er verliert sich immer tiefer, Siehet alle Dinge schiefer, Sich und andre laestig drueckend; Atemholend und erstickend; Nicht erstickt und ohne Leben, Nicht verzweiflend, nicht ergeben. So ein unaufhaltsam Rollen, Schmerzlich Lassen, widrig Sollen, Bald Befreien, bald Erdruecken, Halber Schlaf und schlecht Erquicken Heftet ihn an seine Stelle Und bereitet ihn zur Hoelle. faust Unselige Gespenster! so behandelt ihr Das menschliche Geschlecht zu tausend Malen; Gleichgueltige Tage selbst verwandelt ihr In garstigen Wirrwarr netzumstrickter Qualen. Daemonen, weiss ich, wird man schwerlich los, Das geistig-strenge Band ist nicht zu trennen; Doch deine Macht, Sorge, schleichend gross, Ich werde sie nicht anerkennen. sorge Erfahre sie, wie ich geschwind Mich mit Verwuenschung von dir wende! Die Menschen sind im ganzen Leben blind, Nun, Fauste, werde du's am Ende! faust Die Nacht scheint tiefer tief hereinzudringen, Allein im Innern leuchtet helles Licht; Was ich gedacht, ich eil' es zu vollbringen; Des Herren Wort, es gibt allein Gewicht. Vom Lager auf, ihr Knechte! Mann fuer Mann! Lasst gluecklich schauen, was ich kuehn ersann. Ergreift das Werkzeug, Schaufel ruehrt und Spaten! Das Abgesteckte muss sogleich geraten. Auf strenges Ordnen, raschen Fleiss Erfolgt der allerschoenste Preis; Dass sich das groesste Werk vollende, Genuegt ein Geist fuer tausend Haende. Grosser Vorhof des Palasts mephistopheles Herbei, herbei! Herein, herein! Ihr schlotternden Lemuren, Aus Baendern, Sehnen und Gebein Geflickte Halbnaturen. lemuren Wir treten dir sogleich zur Hand, Und wie wir halb vernommen, Es gilt wohl gar ein weites Land, Das sollen wir bekommen. Gespitzte Pfaehle, die sind da, Die Kette lang zum Messen; Warum an uns den Ruf geschah, Das haben wir vergessen. mephistopheles Hier gilt kein kuenstlerisch Bemuehn; Verfahret nur nach eignen Massen! Der Laengste lege laengelang sich hin, Ihr andern lueftet ringsumher den Rasen; Wie man's fuer unsre Vaeter tat, Vertieft ein laengliches Quadrat! Aus dem Palast ins enge Haus, So dumm laeuft es am Ende doch hinaus. lemuren Wie jung ich war und lebt' und liebt', Mich deucht, das war wohl suesse; Wo's froehlich klang und lustig ging, Da ruehrten sich meine Fuesse. Nun hat das tueckische Alter mich Mit seiner Kruecke getroffen; Ich stolpert' ueber Grabes Tuer, Warum stand sie just offen! faust Wie das Geklirr der Spaten mich ergetzt! Es ist die Menge, die mir froenet, Die Erde mit sich selbst versoehnet, Den Wellen ihre Grenze setzt, Das Meer mit strengem Band umzieht. mephistopheles Du bist doch nur fuer uns bemueht Mit deinen Daemmen, deinen Buhnen; Denn du bereitest schon Neptunen, Dem Wasserteufel, grossen Schmaus. In jeder Art seid ihr verloren; - Die Elemente sind mit uns verschworen, Und auf Vernichtung laeuft's hinaus. faust Aufseher! + mephistopheles Hier! + faust Wie es auch moeglich sei, Arbeiter schaffe Meng' auf Menge, Ermuntere durch Genuss und Strenge, Bezahle, locke, presse bei! Mit jedem Tage will ich Nachricht haben, Wie sich verlaengt der unternommene Graben. mephistopheles Man spricht, wie man mir Nachricht gab, Von keinem Graben, doch vom Grab. faust Ein Sumpf zieht am Gebirge hin, Verpestet alles schon Errungene; Den faulen Pfuhl auch abzuziehn, Das Letzte waer' das Hoechsterrungene. Eroeffn' ich Raeume vielen Millionen, Nicht sicher zwar, doch taetig-frei zu wohnen. Gruen das Gefilde, fruchtbar; Mensch und Herde Sogleich behaglich auf der neusten Erde, Gleich angesiedelt an des Huegels Kraft, Den aufgewaelzt kuehn-emsige Voelkerschaft. Im Innern hier ein paradiesisch Land, Da rase draussen Flut bis auf zum Rand, Und wie sie nascht, gewaltsam einzuschiessen, Gemeindrang eilt, die Luecke zu verschliessen. Ja! diesem Sinne bin ich ganz ergeben, Das ist der Weisheit letzter Schluss: Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, Der taeglich sie erobern muss. Und so verbringt, umrungen von Gefahr, Hier Kindheit, Mann und Greis sein tuechtig Jahr. Solch ein Gewimmel moecht' ich sehn, Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn. Zum Augenblicke duerft' ich sagen: Verweile doch, du bist so schoen! Es kann die Spur von meinen Erdetagen Nicht in aeonen untergehn. - Im Vorgefuehl von solchem hohen Glueck Geniess' ich jetzt den hoechsten Augenblick. mephistopheles Ihn saettigt keine Lust, ihm gnuegt kein Glueck, So buhlt er fort nach wechselnden Gestalten; Den letzten, schlechten, leeren Augenblick, Der Arme wuenscht ihn festzuhalten. Der mir so kraeftig widerstand, Die Zeit wird Herr, der Greis hier liegt im Sand. Die Uhr steht still - + chor Steht still! Sie schweigt wie Mitternacht. Der Zeiger faellt. + mephistopheles Er faellt, es ist vollbracht. chor Es ist vorbei. + mephistopheles Vorbei! ein dummes Wort. Warum vorbei? Vorbei und reines Nicht, vollkommnes Einerlei! Was soll uns denn das ew'ge Schaffen! Geschaffenes zu nichts hinwegzuraffen! "Da ist's vorbei!" Was ist daran zu lesen? Es ist so gut, als waer' es nicht gewesen, Und treibt sich doch im Kreis, als wenn es waere. Ich liebte mir dafuer das Ewig-Leere. Grablegung lemur - solo Wer hat das Haus so schlecht gebaut, Mit Schaufeln und mit Spaten? lemuren - chor Dir, dumpfer Gast im haenfnen Gewand, Ist's viel zu gut geraten. lemur - solo Wer hat den Saal so schlecht versorgt? Wo blieben Tisch und Stuehle? lemuren - chor Es war auf kurze Zeit geborgt; Der Glaeubiger sind so viele. mephistopheles Der Koerper liegt, und will der Geist entfliehn, Ich zeig' ihm rasch den blutgeschriebnen Titel; - Doch leider hat man jetzt so viele Mittel, Dem Teufel Seelen zu entziehn. Auf altem Wege stoesst man an, Auf neuem sind wir nicht empfohlen; Sonst haett' ich es allein getan, Jetzt muss ich Helfershelfer holen. Uns geht's in allen Dingen schlecht! Herkoemmliche Gewohnheit, altes Recht, Man kann auf gar nichts mehr vertrauen. Sonst mit dem letzten Atem fuhr sie aus, Ich passt' ihr auf und, wie die schnellste Maus, Schnapps! hielt ich sie in fest verschlossnen Klauen. Nun zaudert sie und will den duestern Ort, Des schlechten Leichnams ekles Haus nicht lassen; Die Elemente, die sich hassen, Die treiben sie am Ende schmaehlich fort. Und wenn ich Tag' und Stunden mich zerplage, Wann? wie? und wo? das ist die leidige Frage; Der alte Tod verlor die rasche Kraft, Das Ob? sogar ist lange zweifelhaft; Oft sah ich luestern auf die starren Glieder - Es war nur Schein, das ruehrte, das regte sich wieder. Nur frisch heran! verdoppelt euren Schritt, Ihr Herrn vom graden, Herrn vom krummen Horne, Von altem Teufelsschrot und -korne, Bringt ihr zugleich den Hoellenrachen mit. Zwar hat die Hoelle Rachen viele! viele! Nach Standsgebuehr und Wuerden schlingt sie ein; Doch wird man auch bei diesem letzten Spiele Ins kuenftige nicht so bedenklich sein. Eckzaehne klaffen; dem Gewoelb des Schlundes Entquillt der Feuerstrom in Wut, Und in dem Siedequalm des Hintergrundes Seh' ich die Flammenstadt in ewiger Glut. Die rote Brandung schlaegt hervor bis an die Zaehne, Verdammte, Rettung hoffend, schwimmen an; Doch kolossal zerknirscht sie die Hyaene, Und sie erneuen aengstlich heisse Bahn. In Winkeln bleibt noch vieles zu entdecken, So viel Erschrecklichstes im engsten Raum! Ihr tut sehr wohl, die Suender zu erschrecken; Sie halten's doch fuer Lug und Trug und Traum. Nun, wanstige Schuften mit den Feuerbacken! Ihr glueht so recht vom Hoellenschwefel feist; Klotzartige, kurze, nie bewegte Nacken! Hier unten lauert, ob's wie Phosphor gleisst: Das ist das Seelchen, Psyche mit den Fluegeln, Die rupft ihr aus, so ist's ein garstiger Wurm; Mit meinem Stempel will ich sie besiegeln, Dann fort mit ihr im Feuerwirbelsturm! Passt auf die niedern Regionen, Ihr Schlaeuche, das ist eure Pflicht; Ob's ihr beliebte, da zu wohnen, So akkurat weiss man das nicht. Im Nabel ist sie gern zu Haus - Nehmt es in acht, sie wischt euch dort heraus. Ihr Firlefanze, fluegelmaennische Riesen, Greift in die Luft, versucht euch ohne Rast! Die Arme strack, die Klauen scharf gewiesen, Dass ihr die Flatternde, die Fluechtige fasst. Es ist ihr sicher schlecht im alten Haus, Und das Genie, es will gleich obenaus. himmlische heerschar Folget, Gesandte, Himmelsverwandte, Gemaechlichen Flugs: Suendern vergeben, Staub zu beleben; Allen Naturen Freundliche Spuren Wirket im Schweben Des weilenden Zugs! mephistopheles Misstoene hoer' ich, garstiges Geklimper, Von oben kommt's mit unwillkommnem Tag; Es ist das buebisch-maedchenhafte Gestuemper, Wie froemmelnder Geschmack sich's lieben mag. Ihr wisst, wie wir in tiefverruchten Stunden Vernichtung sannen menschlichem Geschlecht; Das Schaendlichste, was wir erfunden, Ist ihrer Andacht eben recht. Sie kommen gleisnerisch, die Laffen! So haben sie uns manchen weggeschnappt, Bekriegen uns mit unsern eignen Waffen; Es sind auch Teufel, doch verkappt. Hier zu verlieren, waer' euch ew'ge Schande; Ans Grab heran und haltet fest am Rande! chor der engel Rosen, ihr blendenden, Balsam versendenden! Flatternde, schwebende, Heimlich belebende, Zweigleinbefluegelte, Knospenentsiegelte, Eilet zu bluehn. Fruehling entspriesse, Purpur und Gruen! Tragt Paradiese Dem Ruhenden hin. mephistopheles Was duckt und zuckt ihr? ist das Hoellenbrauch? So haltet stand und lasst sie streuen. An seinen Platz ein jeder Gauch! Sie denken wohl, mit solchen Bluemeleien Die heissen Teufel einzuschneien; Das schmilzt und schrumpft vor eurem Hauch. Nun pustet, Puestriche! - Genug, genug! Vor eurem Broden bleicht der ganze Flug. - Nicht so gewaltsam! schliesset Maul und Nasen! Fuerwahr, ihr habt zu stark geblasen. Dass ihr doch nie die rechten Masse kennt! Das schrumpft nicht nur, es braeunt sich, dorrt, es brennt! Schon schwebt's heran mit giftig klaren Flammen; Stemmt euch dagegen, draengt euch fest zusammen! - Die Kraft erlischt! dahin ist aller Mut! Die Teufel wittern fremde Schmeichelglut. chor der engel Blueten, die seligen, Flammen, die froehlichen, Liebe verbreiten sie, Wonne bereiten sie, Herz wie es mag. Worte, die wahren, aether im Klaren, Ewigen Scharen ueberall Tag! mephistopheles O Fluch! o Schande solchen Troepfen! Satane stehen auf den Koepfen, Die Plumpen schlagen Rad auf Rad Und stuerzen aerschlings in die Hoelle. Gesegn' euch das verdiente heisse Bad! Ich aber bleib' auf meiner Stelle. - Irrlichter, fort! Du , leuchte noch so stark, Du bleibst, gehascht, ein ekler Gallert-Quark. Was flatterst du? Willst du dich packen! - Es klemmt wie Pech und Schwefel mir im Nacken. chor der engel Was euch nicht angehoert, Muesset ihr meiden, Was euch das Innre stoert, Duerft ihr nicht leiden. Dringt es gewaltig ein, Muessen wir tuechtig sein. Liebe nur Liebende Fuehret herein! mephistopheles Mir brennt der Kopf, das Herz, die Leber brennt, Ein ueberteuflisch Element! Weit spitziger als Hoellenfeuer! - Drum jammert ihr so ungeheuer, Unglueckliche Verliebte! die, verschmaeht, Verdrehten Halses nach der Liebsten spaeht. Auch mir! Was zieht den Kopf auf jene Seite? Bin ich mit ihr doch in geschwornem Streite! Der Anblick war mir sonst so feindlich scharf. Hat mich ein Fremdes durch und durch gedrungen? Ich mag sie gerne sehn, die allerliebsten Jungen; Was haelt mich ab, dass ich nicht fluchen darf? - Und wenn ich mich betoeren lasse, Wer heisst denn kuenftighin der Tor? Die Wetterbuben, die ich hasse, Sie kommen mir doch gar zu lieblich vor! - Ihr schoenen Kinder, lasst mich wissen: Seid ihr nicht auch von Luzifers Geschlecht? Ihr seid so huebsch, fuerwahr ich moecht' euch kuessen, Mir ist's, als kaemt ihr eben recht. Es ist mir so behaglich, so natuerlich, Als haett' ich euch schon tausendmal gesehn; So heimlich-kaetzchenhaft begierlich; Mit jedem Blick aufs neue schoener schoen. O naehert euch, o goennt mir einen Blick! engel Wir kommen schon, warum weichst du zurueck? Wir naehern uns, und wenn du kannst, so bleib! mephistopheles Ihr scheltet uns verdammte Geister Und seid die wahren Hexenmeister; Denn ihr verfuehret Mann und Weib. - Welch ein verfluchtes Abenteuer! Ist dies das Liebeselement? Der ganze Koerper steht in Feuer, Ich fuehle kaum, dass es im Nacken brennt. - Ihr schwanket hin und her, so senkt euch nieder, Ein bisschen weltlicher bewegt die holden Glieder; Fuerwahr, der Ernst steht euch recht schoen; Doch moecht' ich euch nur einmal laecheln sehn! Das waere mir ein ewiges Entzuecken. Ich meine so, wie wenn Verliebte blicken: Ein kleiner Zug am Mund, so ist's getan. Dich, langer Bursche, dich mag ich am liebsten leiden, Die Pfaffenmiene will dich gar nicht kleiden, So sieh mich doch ein wenig luestern an! Auch koenntet ihr anstaendig-nackter gehen, Das lange Faltenhemd ist uebersittlich - Sie wenden sich - von hinten anzusehen! - Die Racker sind doch gar zu appetitlich! chor der engel Wendet zur Klarheit Euch, liebende Flammen! Die sich verdammen, Heile die Wahrheit; Dass sie vom Boesen Froh sich erloesen, Um in dem Allverein Selig zu sein. mephistopheles Wie wird mir! - Hiobsartig, Beul' an Beule Der ganze Kerl, dem's vor sich selber graut, Und triumphiert zugleich, wenn er sich ganz durchschaut, Wenn er auf sich und seinen Stamm vertraut; Gerettet sind die edlen Teufelsteile, Der Liebespuk, er wirft sich auf die Haut; Schon ausgebrannt sind die verruchten Flammen, Und wie es sich gehoert, fluch' ich euch allzusammen! chor der engel Heilige Gluten! Wen sie umschweben, Fuehlt sich im Leben Selig mit Guten. Alle vereinigt Hebt euch und preist! Luft ist gereinigt, Atme der Geist! mephistopheles Doch wie? - wo sind sie hingezogen? Unmuendiges Volk, du hast mich ueberrascht, Sind mit der Beute himmelwaerts entflogen; Drum haben sie an dieser Gruft genascht! Mir ist ein grosser, einziger Schatz entwendet: Die hohe Seele, die sich mir verpfaendet, Die haben sie mir pfiffig weggepascht. Bei wem soll ich mich nun beklagen? Wer schafft mir mein erworbenes Recht? Du bist getaeuscht in deinen alten Tagen, Du hast's verdient, es geht dir grimmig schlecht. Ich habe schimpflich missgehandelt, Ein grosser Aufwand, schmaehlich! ist vertan; Gemein Geluest, absurde Liebschaft wandelt Den ausgepichten Teufel an. Und hat mit diesem kindisch-tollen Ding Der Klugerfahrne sich beschaeftigt, So ist fuerwahr die Torheit nicht gering, Die seiner sich am Schluss bemaechtigt. Bergschluchten chor und echo Waldung, sie schwankt heran, Felsen, sie lasten dran, Wurzeln, sie klammern an, Stamm dicht an Stamm hinan, Woge nach Woge spritzt, Hoehle, die tiefste, schuetzt. Loewen, sie schleichen stumm-+ freundlich/ um uns herum, Ehren geweihten Ort, Heiligen Liebeshort. pater ecstaticus Ewiger Wonnebrand, Gluehendes Liebeband, Siedender Schmerz der Brust, Schaeumende Gotteslust. Pfeile, durchdringet mich, Lanzen, bezwinget mich, Keulen, zerschmettert mich, Blitze, durchwettert mich! Dass ja das Nichtige Alles verfluechtige, Glaenze der Dauerstern, Ewiger Liebe Kern. pater profundus Wie Felsenabgrund mir zu Fuessen Auf tiefem Abgrund lastend ruht, Wie tausend Baeche strahlend fliessen Zum grausen Sturz des Schaums der Flut, Wie strack mit eignem kraeftigen Triebe Der Stamm sich in die Luefte traegt: So ist es die allmaechtige Liebe, Die alles bildet, alles hegt. Ist um mich her ein wildes Brausen, Als wogte Wald und Felsengrund, Und doch stuerzt, liebevoll im Sausen, Die Wasserfuelle sich zum Schlund, Berufen, gleich das Tal zu waessern; Der Blitz, der flammend niederschlug, Die Atmosphaere zu verbessern, Die Gift und Dunst im Busen trug - Sind Liebesboten, sie verkuenden, Was ewig schaffend uns umwallt. Mein Innres moeg' es auch entzuenden, Wo sich der Geist, verworren, kalt, Verquaelt in stumpfer Sinne Schranken, Scharfangeschlossnem Kettenschmerz. O Gott! beschwichtige die Gedanken, Erleuchte mein beduerftig Herz! pater seraphicus Welch ein Morgenwoelkchen schwebet Durch der Tannen schwankend Haar! Ahn' ich, was im Innern lebet? Es ist junge Geisterschar. chor seliger knaben Sag uns, Vater, wo wir wallen, Sag uns, Guter, wer wir sind? Gluecklich sind wir: allen, allen Ist das Dasein so gelind. pater seraphicus Knaben! Mitternachts-Geborne, Halb erschlossen Geist und Sinn, Fuer die Eltern gleich Verlorne, Fuer die Engel zum Gewinn. Dass ein Liebender zugegen, Fuehlt ihr wohl, so naht euch nur; Doch von schroffen Erdewegen, Glueckliche! habt ihr keine Spur. Steigt herab in meiner Augen Welt- und erdgemaess Organ, Koennt sie als die euren brauchen, Schaut euch diese Gegend an! Das sind Baeume, das sind Felsen, Wasserstrom, der abestuerzt Und mit ungeheurem Waelzen Sich den steilen Weg verkuerzt. selige knaben Das ist maechtig anzuschauen, Doch zu duester ist der Ort, Schuettelt uns mit Schreck und Grauen. Edler, Guter, lass uns fort! pater seraphicus Steigt hinan zu hoeherm Kreise, Wachset immer unvermerkt, Wie, nach ewig reiner Weise, Gottes Gegenwart verstaerkt. Denn das ist der Geister Nahrung, Die im freisten aether waltet: Ewigen Liebens Offenbarung, Die zur Seligkeit entfaltet. chor seliger knaben Haende verschlinget Freudig zum Ringverein, Regt euch und singet Heil'ge Gefuehle drein! Goettlich belehret, Duerft ihr vertrauen; Den ihr verehret, Werdet ihr schauen. engel Gerettet ist das edle Glied Der Geisterwelt vom Boesen, Wer immer strebend sich bemueht, Den koennen wir erloesen. Und hat an ihm die Liebe gar Von oben teilgenommen, Begegnet ihm die selige Schar Mit herzlichem Willkommen. die juengeren engel Jene Rosen aus den Haenden Liebend-heiliger Buesserinnen Halfen uns den Sieg gewinnen, Uns das hohe Werk vollenden, Diesen Seelenschatz erbeuten. Boese wichen, als wir streuten, Teufel flohen, als wir trafen. Statt gewohnter Hoellenstrafen Fuehlten Liebesqual die Geister; Selbst der alte Satansmeister War von spitzer Pein durchdrungen. Jauchzet auf! es ist gelungen. die vollendeteren engel Uns bleibt ein Erdenrest Zu tragen peinlich, Und waer' er von Asbest, Er ist nicht reinlich. Wenn starke Geisteskraft Die Elemente An sich herangerafft, Kein Engel trennte Geeinte Zwienatur Der innigen beiden, Die ewige Liebe nur Vermag's zu scheiden. die juengeren engel Nebelnd um Felsenhoeh' Spuer' ich soeben, Regend sich in der Naeh', Ein Geisterleben. Die Woelkchen werden klar, Ich seh' bewegte Schar Seliger Knaben, Los von der Erde Druck, Im Kreis gesellt, Die sich erlaben Am neuen Lenz und Schmuck Der obern Welt. Sei er zum Anbeginn, Steigendem Vollgewinn Diesen gesellt! die seligen knaben Freudig empfangen wir Diesen im Puppenstand; Also erlangen wir Englisches Unterpfand. Loeset die Flocken los, Die ihn umgeben! Schon ist er schoen und gross Von heiligem Leben. doctor marianus Hier ist die Aussicht frei, Der Geist erhoben. Dort ziehen Fraun vorbei, Schwebend nach oben. Die Herrliche mitteninn Im Sternenkranze, Die Himmelskoenigin, Ich seh's am Glanze. Hoechste Herrscherin der Welt! Lasse mich im blauen, Ausgespannten Himmelszelt Dein Geheimnis schauen. Billige, was des Mannes Brust Ernst und zart beweget Und mit heiliger Liebeslust Dir entgegentraeget. Unbezwinglich unser Mut, Wenn du hehr gebietest; Ploetzlich mildert sich die Glut, Wie du uns befriedest. Jungfrau, rein im schoensten Sinn, Mutter, Ehren wuerdig, Uns erwaehlte Koenigin, Goettern ebenbuertig. Um sie verschlingen Sich leichte Woelkchen, Sind Buesserinnen, Ein zartes Voelkchen, Um ihre Kniee Den aether schluerfend, Gnade beduerfend. Dir, der Unberuehrbaren, Ist es nicht benommen, Dass die leicht Verfuehrbaren Traulich zu dir kommen. In die Schwachheit hingerafft, Sind sie schwer zu retten; Wer zerreisst aus eigner Kraft Der Gelueste Ketten? Wie entgleitet schnell der Fuss Schiefem, glattem Boden? Wen betoert nicht Blick und Gruss, Schmeichelhafter Odem? chor der buesserinnen Du schwebst zu Hoehen Der ewigen Reiche, Vernimm das Flehen, Du Ohnegleiche, Du Gnadenreiche! magna peccatrix Bei der Liebe, die den Fuessen Deines gottverklaerten Sohnes Traenen liess zum Balsam fliessen, Trotz des Pharisaeerhohnes; Beim Gefaesse, das so reichlich Tropfte Wohlgeruch hernieder, Bei den Locken, die so weichlich Trockneten die heil'gen Glieder - mulier samaritana Bei dem Bronn, zu dem schon weiland Abram liess die Herde fuehren, Bei dem Eimer, der dem Heiland Kuehl die Lippe durft' beruehren; Bei der reinen, reichen Quelle, Die nun dorther sich ergiesset, ueberfluessig, ewig helle Rings durch alle Welten fliesset - maria aegyptiaca Bei dem hochgeweihten Orte, Wo den Herrn man niederliess, Bei dem Arm, der von der Pforte Warnend mich zuruecke stiess; Bei der vierzigjaehrigen Busse, Der ich treu in Wuesten blieb, Bei dem seligen Scheidegrusse, Den im Sand ich niederschrieb - zu drei Die du grossen Suenderinnen Deine Naehe nicht verweigerst Und ein buessendes Gewinnen In die Ewigkeiten steigerst, Goenn auch dieser guten Seele, Die sich einmal nur vergessen, Die nicht ahnte, dass sie fehlte, Dein Verzeihen angemessen! una poenitentium, sonst gretchen genannt Neige, neige, Du Ohnegleiche, Du Strahlenreiche, Dein Antlitz gnaedig meinem Glueck! Der frueh Geliebte, Nicht mehr Getruebte, Er kommt zurueck. selige knaben Er ueberwaechst uns schon An maechtigen Gliedern, Wird treuer Pflege Lohn Reichlich erwidern. Wir wurden frueh entfernt Von Lebechoeren; Doch dieser hat gelernt, Er wird uns lehren. die eine buesserin, sonst gretchen genannt Vom edlen Geisterchor umgeben, Wird sich der Neue kaum gewahr, Er ahnet kaum das frische Leben, So gleicht er schon der heiligen Schar. Sieh, wie er jedem Erdenbande Der alten Huelle sich entrafft Und aus aetherischem Gewande Hervortritt erste Jugendkraft. Vergoenne mir, ihn zu belehren, Noch blendet ihn der neue Tag. mater gloriosa Komm! hebe dich zu hoehern Sphaeren! Wenn er dich ahnet, folgt er nach. doctor marianus Blicket auf zum Retterblick, Alle reuig Zarten, Euch zu seligem Geschick Dankend umzuarten. Werde jeder bessre Sinn Dir zum Dienst erboetig; Jungfrau, Mutter, Koenigin, Goettin, bleibe gnaedig! chorus mysticus Alles Vergaengliche Ist nur ein Gleichnis; Das Unzulaengliche, Hier wird's Ereignis; Das Unbeschreibliche, Hier ist's getan; Das Ewig-Weibliche Zieht uns hinan.